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Kommentar: Man soll eben nie „Nie“ sagen

Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie dramatisch die weitweite Automobilindustrie sich wandelt: Audi verhandelt offenbar mit dem chinesischen Unternehmen SAIC über die gemeinsame Entwicklung von Plattformen für Elektroautos. Insider sprechen sogar davon, Audi wolle die Plattform von den Chinesen kaufen. Renault gründet mit dem chinesischen Unternehmen Geely ein Joint Venture, in dessen 17 Fabriken rund 19.000 Mitarbeiter Verbrennermotoren für die Märkte bauen, die sich mit der E-Mobilität nicht anfreunden wollen.

Solche Kooperationen über die Weltmeere hinweg sind für Zulieferer nicht ungewöhnlich. Bei fast jeder Marke – egal, wo sie hergestellt wird – findet der Fachmann eine beeindruckende Sammlung deutscher Technologien in allen möglichen Komponenten und Modulen. Neu ist aber, dass auf einmal auch Elemente in den Blick geraten, die bisher in vielen Fällen den Kern der Marke bildeten – der Antrieb.

Die Volkswagen-Tochter Audi hat mit SAIC einen Partner ausgewählt, der seit Jahren zusammen mit dem chinesischen Unternehmen FAW viele Produkte des Konzerns in China auf den Markt bringt. Dennoch verwundert der Ton des SAIC-Chefingenieurs Zu Sijie, wenn er vor Reportern sagt, sein Unternehmen habe sich mit Audi darauf geeinigt, die Entwicklung von Elektroautos gemeinsam zu beschleunigen. Sieht so aus, als sehe sich SAIC beim Elektrothema ganz vorn.

Der scheidende Audi-Chef Markus Duesmann (54) hatte kürzlich zugestanden, dass Audi die für die chinesischen Bedürfnisse passenden Fahrzeuge am Markt fehlten, und der neu ernannte Chef Gernot Döllner (54) will die Modelloffensive entschlacken und das Tempo in den USA und China erhöhen. Dafür könnte Audi die Elektroplattform von SAIC übernehmen wollen.

Aber auch bei den verpönten Verbrennungsmotoren zeigen sich erstaunliche Entwicklungen, wieder mit Beteiligung eines starken chinesischen Unternehmens. Denn Renault und Geely gründen ein Joint Venture für Antriebslösungen auf der Basis des Verbrenners. Beide Konzerne halten jeweils 50 Prozent der Anteile. Geprüft wird eine Beteiligung der Erdölgesellschaft Aramco zur Entwicklung von synthetischen Kraftstoffen und Wasserstofftechnologien.

Das Gemeinschaftsunternehmen von Renault und Geely wird 17 Motorenwerke sowie fünf Forschungs- und Entwicklungszentren auf drei Kontinenten mit 19.000 Beschäftigten umfassen. Geplant ist eine jährliche Produktion von bis zu fünf Millionen Verbrennungs-, Hybrid- sowie Plug-in-Hybridmotoren und Getrieben. Der Hauptsitz des Gemeinschaftsunternehmens soll in Großbritannien sein. Das passt zum Bekenntnis des Geely-Eigners Lu Shufu zu europäischem Technologieimage und traditionellen Marken aus der alten Welt. Zu Lu Shufu gehören Geely Auto, Lynk & Co, Zeekr, Geometry, Volvo Cars, Polestar, Lotus, London Electric Vehicle Company, Farizon Auto und Cao Cao Mobility komplett. Zusammen mit den Marken Renault, Dacia und Alpine gibt es genug zu tun für Verbrennerbauer.

So stellen sich Konzerne auf die beiden Entwicklungsrichtungen beim Automobil ein: Die einen konzentrieren sich aufs Elektrische und erfüllen damit ihre Zusagen. Die anderen arbeiten bewusst und offen zweispurig und halten die Verbrennertradition hoch. Sie können darauf warten, dass die Elektriker auf sie zukommen – auf der Suche nach klimaneutral arbeitenden Verbrennern. Und in beiden Fällen sind chinesische Unternehmen mit am Drücker. Das nennt der Fachmann Strategie. (cen/Sm)

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Peter Schwerdtmann.

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