Diese Woche wurde die neue S-Klasse von Mercedes-Benz vorgestellt, einer der wichtigsten Termine im automobilen Kalender überhaupt. Unser Autor Bernd Ostmann hat mit Daimler-Chef Ola Källenius, und Mercedes-COO und Forschungsvorstand Markus Schäfer gesprochen. Dabei wurde deutlich: Die Trennung von S-Klasse und dem kommenden Elektroauto EQS ist nur ein Zwischenschritt. Und der Wettbewerb zwischen den Antriebstechnologien bleibt scharf.
Was sind die Hauptabsatzmärkte der neuen S-Klasse?
Källenius: China ist Nummer eins, USA die Nummer zwei, dann hat Korea Deutschland auf Nummer drei abgelöst. Die aktuelle S-Klasse verkauft sich sehr gut. Und wir sehen einen Trend für Luxusgüter und Luxusautos in unseren klassischen Märkten, in Europa, Amerika, Japan. Dort sehen wir einen Vermögenszuwachs, es gibt mehr Leute, die ein frei verfügbares Einkommen von über 250.000 Euro haben. Und die schauen nach dem Besten im Markt. Es ist ein Phänomen und eine Chance, dass die Märkte auf uns zukommen. Mit der neuen S-Klasse und dem EQS werden wir weiter zulegen.
Wieviel China steckt in der S-Klasse?
Schäfer: Die S-Klasse ist ein Weltauto. Und es gibt eine zweite Variante, den Maybach. Wenn wir auf die digitale Seite schauen, dann haben wir zunehmend ein eigenes digitales Öko-System in China. Was da auf dem Bildschirm läuft, das können wir hier nicht generieren. Ein Welt-Content funktioniert in China nicht. Die haben lokale Präferenzen, zum Beispiel Cechat, da stehen auch lokale Player dahinter. Chinesen brauchen zum Beispiel auch eine Zeicheneingabe auf dem Bildschirm, sonst stellen sie das Handy vor den Bildschirm. Und dafür haben wir unsere Entwicklung in China.
Sie fahren doppelgleisig mit der S-Klasse und ab nächstem Jahr mit dem EQS. Macht das Sinn?
Schäfer: Wir haben uns gegen eine Multiplattform entschieden, weil ein konsequent durchdachtes E-Fahrzeug die einzige Lösung ist. Aber wir glauben, dass es loyale S-Klasse-Kunden gibt, die sich noch nicht in ein E-Auto trauen werden. Dauerhaft macht es allerdings keinen Sinn, ein Angebot von zwei Plattformen im gleichen Segment zu haben.
Sie wollen ja Plattformen reduzieren?
Schäfer: Ja, wir werden künftig weniger Plattformen haben und es wird auch eine übergreifende Modulstrategie geben. Auch das Fahrzeug-Portfolio wird durchforstet. Wir werden uns alle Autos ansehen, die keine Weltautos sind. Da spielt natürlich auch der Deckungsbeitrag eine Rolle. Auf der anderen Seite machen wir uns mit AMG weitere Gedanken, auch bei der G-Klasse. Es gibt neue Ideen, auch zu neuen Formen. Da ist die Welt mit dem SUV noch nicht zu Ende.
Wie sieht es bei den Coupés aus?
Källenius: Wir schauen uns an, welches Produkt ein Segment dominiert. Die S-Klasse Limousine mit vier Türen ist ein wahres Weltauto. Aber es wird von Mercedes auch Traumautos mit zwei Türen geben, die alle Wünsche erfüllen werden.
Ist die klassische Limousine durch den SUV nicht längst verdrängt worden?
Källenius: Der enorme Erfolg des SUV hat die Limousine etwas in den Schatten gestellt. Der Kunde hat mehr Möglichkeiten und er wechselt eher. Und wenn wir eine reine E-Plattform haben, wir nennen es Skateboard, dann kommen wir am Ende zu einem Auto, das etwas höher sein wird. Mit etwas mehr Platz im Fond. Der EQS wird diesbezüglich überraschen.
Und wie sieht der EQS-Kunde aus?
Källenius: Es ist nicht der traditionelle S-Klasse-Kunde. Aber es wäre etwas optimistisch, wenn wir da beim Absatz 100 Prozent draufpacken würden. Der Kunde ist sicher technikorientiert und sucht nach etwas Speziellem – der Elektro-Mobilität.
Was ist bei der Autonomie des Level 3 zu erwarten?
Schäfer: Wir sind seit einiger Zeit schon mit Level 4 und 5 unterwegs. Und wir haben nach unseren Erfahrungen das autonome Fahren an die Trucks übergeben. Da sind die technischen Anforderungen zunächst einfacher zu lösen. Level 3 können wir mit der neuen S-Klasse abbilden. Das lässt sich bald kommerzialisieren. Und es wird auch ein neues Erlebnis für den Fahrer darstellen.
Källenius: Es sieht so aus, als ob wir in Deutschland die erste gesetzliche Regelung hinbekommen. In anderen Ländern ist es nicht direkt verboten, aber auch nicht erlaubt. Da fährt man auf eigenes Risiko. Im zweiten Halbjahr 2021 werden wir in Deutschland wohl die erste Regelung haben. Dann können wir über die nächsten Schritte nachdenken.
Das gilt dann aber nur bis Tempo 60, oder?
Schäfer: Wir hoffen, dass wir bald auf 80, 100 aufmachen können.
Kann die neue S-Klasse auch die Fahrbahnbeschaffenheit erkennen?
Schäfer: Ja, das ist Teil des Fahrwerks, um die Dämpfung darauf einzustellen. Und dann haben wir auch die hochauflösenden Karten, um die Fahrbahn und die Streckenführung mit einzubinden.
Reagiert die S-Klasse auch schon auf Wettereinflüsse – Regen, Eis, Schnee?
Schäfer: Da sind wir in den Anfängen und noch nicht so weit. Aber das ist auch eine Frage der Risikoabschätzung.
Kann man die neuen Features bei der S-Klasse später freischalten?
Schäfer: Wenn die entsprechende Hardware und Sensorik drin ist, dann geht das. Die Frage ist, was sich der Gesetzgeber noch einfallen lässt, denn es gibt auch Rückschritte. Nehmen wir nur das automatisierte Überholen: Wir konnten es. Der Gesetzgeber hat es jetzt wieder zurückgenommen. Dafür brauchen wir jetzt die Kamera nach hinten, denn das Fahrzeug muss Einsatzfahrzeuge erkennen, die von hinten kommen.
Das kann die S-Klasse.
Schäfer: Ja, das war beispielsweise ein Hindernis für einen Mitbewerber.
Wie ist der Stand bei Ihrem eigenen Betriebssystem MBUX?
Schäfer: Wir wollen kein Betriebssystem zukaufen, weil es die Seele oder das Rückgrat der Nutzeroberfläche ist. Alle Funktionalitäten und alle möglichen Geschäftsmodelle gehen am Ende über dieses Rückgrat. Wir haben schon Elemente des neuen Betriebssystems in der neuen S-Klasse. Wir werden weiter daran entwickeln und unsere Software-Kapazitäten erhöhen.
Wann wird MBUX fertig sein?
Schäfer: Wir reden über einen Zeithorizont von zwei bis drei Jahren. Wir wollen künftig auch nach dem Kauf Mehrwerte an den Kunden weitergeben.
Sehen Sie die Gefahr, dass die Politik in Europa den Hybrid verdrängen will?
Källenlius: Das wäre ein großer Fehler. Die Hybride der nächsten Generation werden immer besser. Speziell in Europa werden wir den High Tech-Hybrid brauchen.
Herr Källenius, hat der Diesel noch eine Zukunft?
Källenius: Mercedes hat sich entschieden, bis 2039 CO2-neutral zu sein. Was bedeutet dies? Wir haben drei Schwimmbahnen. Eine mit High-Tech-Verbrennungsmotoren und 48 Volt-Netzwerken. Eine für Plug-in-Hybride mit größerer elektrischer Reichweite von 100 Kilometern wie bei der neuen S-Klasse. Und dann die vollelektrischen Antriebe. Den Diesel haben wir auf Bahn eins speziell für Kunden in Deutschland, die pro Jahr 50.000 Kilometer zurücklegen. Wir werden die Top-Diesel behalten. Und wir sind vielleicht der einzige Hersteller, der Plug-in-Diesel-Hybrid anbietet. Wir müssen die nächsten Grenzwerte für den Diesel abwarten. Aber wir haben den Diesel verbessert und auf der NOx-Seite gibt es keinen Unterschied mehr zwischen dem Diesel und dem Benziner. Aber kein Zweifel: Bis 2030 und später werden sich die Schwimm-Bahnen annähern.
Und die Brennstoffzelle?
Källenius: Bei den Personenwagen wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren der Elektroantrieb dominieren. Aber es gibt Anwendungsmöglichkeiten für die Brennstoffzelle bei Lastwagen und Bussen, wo man viel Energie braucht und bergige Strecken zurücklegen musus. Deshalb werden wir uns auf der Lkw-Seite stärker mit der Brennstoffzelle beschäftigen und haben dort schon ein Joint Venture mit Volvo gegründet. Das Brennstoffzellen-Pferd ist weiter ganz vorn im Rennen.
Warum machen sich die Hersteller nicht für synthetische Kraftstoffe stark?
Källenius: Es sollte eine freie Entscheidung zwischen technischen und ökonomischen Faktoren geben. Synthetische Kraftstoffe können die Emissionen der Fahrzeug-Flotte senken. Wenn man sich allerdings die Herstellung von Synthetischen Kraftstoffen ansieht, dann bleibt am Ende ein Wirkungsgrad von gerade mal zehn Prozent übrig. Im Vergleich dazu kommt ein E-Fahrzeug auf 70 Prozent. Ökonomisch ist das also nicht der beste Weg, aber man sollte die unterschiedlichen Techniken im freien Wettbewerb gegeneinander antreten lassen.
Wird es weiterhin einen Zwölfzylinder geben?
Källenius: Es gibt eine kleine Gruppe von Connaisseurs. Und die bevorzugen den Zwölfzylinder. Die S-Klasse wird also einen Zwölfzylinder haben.
(ampnet/bo)
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