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Interview Uwe Ernstberger: „Wir haben mit einem weißen Blatt Papier begonnen“

Professor Uwe Ernstberger ist bei Mercedes-Benz Leiter der Produktgruppen S- und C-Klasse. Mit dem Auto-Medienportal sprach er über die Herausforderungen, die die neue Modellgeneration an die Entwickler stellte.

Wie groß ist der Schritt vom Vorgänger-Modell zur neuen Modellgeneration der S-Klasse?

Professor Uwe Ernstberger: Das ist schon ein gewaltiger Schritt. Wir haben vor gut sechs Jahren mit einem weißen Blatt Papier begonnen und die gesamte Architektur des Fahrzeugs neu gedacht. Dafür mussten wir uns zum Beispiel bereits in den Jahren 2014 und 2015 festlegen, welche elektrische Reichweiten wir bei der Plug-in-Variante erreichen und welche zusätzlichen technischen Neuerungen wir entwickeln wollten. Dazu gehörte natürlich auch die Aufgabe, wie wir die neue Hinterachslenkung mit einem Lenkwinkel von zehn Grad in der neuen Achse unterbringen konnten. Und auch das autonome Level-3-Fahren mit einem redundanten Bordnetz musste elektrisch in das Fahrzeug mit primärer und sekundärer Batterie integriert werden.

Wie sah das aus?

„Beim hochautomatisierten Fahren muss der Kunde stets das Vertrauen haben, dass das System die Lage unter Kontrolle hat. Auch aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, unser Head-up-Display mit Augmented Reality zu entwickeln. Was wiederum bedingt, dass dies in der Grundarchitektur des Fahrzeugs berücksichtigt werden muss. Das bedeutet, dass ein Volumen von gut 20 Litern vor dem Bereich des Instrumententrägers geschaffen werden musste, um die von uns gewünschte Darstellung weit vor dem Fahrzeug zu erreichen. Das musste bereits in einer ganz frühen Phase definiert werden.“

Die neue Modellgeneration ist deutlich leichter als das Vorgängermodell. Wie haben Sie das trotz der zusätzlichen Elemente erreicht?

„Die neue S-Klasse wiegt insgesamt gut 60 Kilogramm weniger als der Vorgänger. Um dies zu erreichen, haben wir beim Rohbau deutliche Veränderungen vorgenommen. Die gesamte Seitenwand besteht jetzt zum Beispiel aus Aluminium. Ursprünglich haben wir sogar überlegt, den vollständigen Boden- und Stirnwandbereich auch aus Aluminium zu fertigen und waren mit unseren Berechnungen schon sehr weit fortgeschritten. Wir haben dann aber festgestellt, dass sich dies nicht mit unserem Anspruch an den von uns gewünschten Top-Geräuschkomfort vereinbaren ließ. Wir hätten dafür in diesen Bereichen so viel Dämmmaterial einbringen müssen, dass sich dies nicht gelohnt hätte. Daher haben wir uns zu einem komplexeren Weg entschieden und eine Kombination aus Aluminium und hochfesten Stählen gewählt. So konnten wir Gewicht sparen und gleichzeitig den Komfort gewährleisten.“

Als Sie vor sechs Jahren den Plug-in-Antrieb für die Grundarchitektur vorgesehen haben, waren die elektrischen Reichweiten noch sehr überschaubar…

„Das stimmt. Die Reichweiten lagen damals bei rund 30 Kilometern. Das war schon bescheiden. Wir mussten uns damals festlegen, welche Größenordnungen wir im Jahr 2020 erreichen wollten, und das waren 100 Kilometer. Es war nicht gerade einfach, einen derart riesigen Kasten in die Architektur zu integrieren. Wir haben daher den gesamten Heckwagen um die Batterie mit einer Leistung von 28 Kilowattstunden konstruiert. Schließlich haben wir die Batterie im Kofferraumbereich platziert. Dafür haben wir den Hilfsrahmen vollkommen neu entwickelt. Die Achskonstruktion fiel daher deutlich flacher aus, so dass die Batterie darüber eingebaut werden kann. Bei dieser Gelegenheit haben wir dann auch gleichzeitig festgelegt, dass wir eine Hinterachslenkung mit zehn Grad Lenkwinkel entwickeln wollten. Das gesamte Paket hat den Heckbereich vollkommen neu definiert.“

Kommen die Batterien aus dem Werk in Kamenz?

„Ja, die Batterien produzieren wir in Sachsen, und die Zellen werden nach unseren Vorgaben hergestellt und nach Sachsen geliefert.„

Sie sind ja auch für die C-Klasse verantwortlich. Wird die nächste Modellgeneration der C-Klasse von diesen Entwicklungen profitieren?

„Wir werden den Plug-in-Antrieb auch in der C-Klasse übernehmen. Allerdings in einer verkleinerten Form. Die Grundarchitektur bleibt aber erhalten, und weil die C-Klasse leichter ist, kommen wir auch auf eine vergleichbare Reichweite. Auch bei der Hinterachse werden wir eine ähnliche Konstruktion bringen.“ (ampnet/ww)

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Baureihenverantwortlicher Uwe Ernstberger an der Mercedes-Benz S-Klasse.

Baureihenverantwortlicher Uwe Ernstberger an der Mercedes-Benz S-Klasse.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Daimler

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