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Mit Magna autonom durch den Berliner Stadtverkehr: Da kiekste, wa?

Geländewagen und SUV auf ihren Boulevards gehören für die Berliner zum Alltag und fallen im Allgemeinen nicht weiter auf. Ein knallroter Jeep Grand Cherokee mit dem Kennzeichen „AB - ME 1800“ zieht allerdings seit zwei Monaten die Aufmerksamkeit rund um Brandenburger Tor und Siegessäule auf sich und wird das auf geraume Zeit auch weiterhin tun. Der im Landkreis Aschaffenburg zugelassene Allradler gehört dem kanadisch-österreichischen Autozulieferer-Konzern Magna und dient als Versuchsfahrzeug für das teilweise autonome Fahren im Stadtverkehr.

Der Weg zum vollständig selbstfahrenden Automobil der fernen Zukunft ist mit einer Vielzahl von Schwierigkeiten gepflastert. Wenn auch Swamy Kotagiri, Cheftechniker bei Magna und Präsident von Magna Electronics einschränkt, „es gibt noch jede Menge zu tun", ist er davon überzeugt, dass die Probleme in erster Linie bei der Infrastruktur und der Gesetzgebung bestehen. „Die technische Plattform ist vorhanden, wenn auch noch längst nicht ausgereift.“ In der Tat. Schon vor 15 Jahren bewältigte ein Mercedes-Benz der E-Klasse, vollgestopft bis unter das Dach mit Computern, Sensoren und Kameras das Verkehrsgewühl auf der Bundesstraße 10 zwischen Esslingen und Stuttgart problemlos von selbst, ohne dass sein Fahrer eingreifen musste. Diese Fähigkeiten zur Marktreife zu bringen, hat sich Magna zum Ziel gesetzt, mit einem Jahresumsatz von 36 Milliarden Dollar (ca. 30,7 Milliarden Euro) und 161 000 Beschäftigten weltweit, in Nordamerika die Nummer eins und der drittgrößte Zulieferer mit Werken in allen Kontinenten bis auf Australien.

Inzwischen ist seit den Anfängen der autonomen Motorisierung bei Mercedes viel Wasser Neckar, Rhein oder Spree herabgeflossen. Entsprechend fleißig haben Ingenieure in nahezu allen Autokonzernen der alten und neuen Welt daran gearbeitet, der Vision vom selbstständigen Fahrzeug näherzukommen. Jüngstes Beispiel von Magna dazu ist die MAX4 genannte Fahrsensor- und Rechenplattform, die sich unter der Karosserie des Grand Cherokee verbirgt. Die Zahl vier steht dabei für den vierten Level der automatischen Fortbewegung, der das Fahrzeug weitgehend von alleine durch den Verkehr lenkt und den Fahrer nur dann zum Eingreifen zwingt, wenn es brenzlig wird. Über der Ebene vier steht nur noch der Level fünf, der ein absolut autonom fahrendes Vehikel definiert, bei dem auf Lenkrad und Pedalerie verzichtet werden kann.

Warum sich Magna mit der autonomen Fahrweise beschäftigt, erklärt Kotagiri so: „Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht unser Wunsch, dem Markt eine breite Palette an Fähigkeiten und eine autonome fahrerfreundliche Plattform mit Subsystemen zu bieten, die das Innere und das Äußere eines Fahrzeugs nicht beeinträchtigen. Unser Fokus liegt auf der Entwicklung von produktionsfertigen Lösungen, um die Level 4-Technik bereit zu haben, wenn der Markt sie verlangt.“

MAX4 kombiniert im Berliner Grand Cherokee Kameras, Radar, Lidar (eine dem Radar verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung per Laser) sowie Ultraschallsensoren mit einem Computer. Das Zusammenspiel ist so ausgelegt, dass es Automobilhersteller in ihren Fahrzeugen bei der Großserienproduktion zukünftig einsetzen können – gleichgültig ob es sich um solche mit Verbrennungs-, Hybrid- oder Elektromotor handelt. Entscheidend für Kotagiri dabei ist, dass jeder Hersteller seine Design- und Stylingfreiheit behält, einschließlich Platzangebot und Kofferraumgröße.

Beim Jeep Grand Cherokee in Berlin ist das gelungen. Zwar sind vorerst rund um die Windschutzscheibe noch eine Reihe von Instrumenten zur Erfassung der Verkehrssituation sichtbar. Doch das eigentliche Herz des Level-4-Mobils befindet sich in einem kleinen Fach unterhalb des Kofferraums dort, wo bei anderen Autos das Reserverad zu finden ist. Eine weitere, ebenfalls weitgehend gelöste Aufgabe für Magna bestand darin, dem Menschen am Volant die Arbeit so einfach wie möglich zu machen. Für den Einstieg in die autonome Fahrweise genügt ein Knopfdruck, ein grünes Licht zeigt an, dass nun das Fahrzeug im autonomen Modus ist. Wie bei einem Tempomat hört das System sofort auf zu arbeiten, wenn Bremspedal oder ein Notfallknopf bedient werden.

Selbst durch den Stoßverkehr am späten Nachmittag in Berlin lässt sich der Jeep kaum aus der Ruhe bringen. Er hält sich streng an die Verkehrsregeln, hält – im Gegensatz zu den anderen Verkehrsteilnehmern – stets das jeweils geltende Tempolimit ein, achtet auf Ampeln, bleibt in der Spur und bremst oder beschleunigt immer dann, wenn es nötig ist. Zur Orientierung helfen ihm sowohl GPS-Daten von Satelliten als auch eigens gefertigte Navigations-Software. Nur wenn die auf dem Asphalt eingezeichneten weißen Linien die Verkehrsführung nicht eindeutig definieren, verlangt der Wagen nach menschlicher Hilfe. Beim Bremsen fehlt allerdings vorerst noch ein gefühlvoller menschlicher Fuß – die Entschleunigung gerät manchmal etwas intensiv. Doch dazu, solche Kinderkrankheiten auszuschalten, ist das Berliner Modell von Magna da, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. So müssen sich die Autofahrer der Hauptstadt wohl noch eine Weile damit abfinden, dass sich zumindest ein Fahrzeug auf ihren Straßen an Geschwindigkeitsbeschränkungen hält. Mittlerweile trägt der Jeep Grand Cherokee eine Aufschrift, die ihn als Versuchsträger für autonomes Fahren ausweist. Statt wie zunächst Kopfschütteln über einen besonders gesetzestreuen Fahrer dürfte nun häufiger der Berliner Slang zu hören sein: „Da kiekste, wa?“

Technisch dürften die Schwierigkeiten alsbald behoben sein. Bleibt die Frage, ob die Vision autonomen Fahrens auch bezahlbar wird. Swamy Kotagiri glaubt, dass so wie bei allen technischen Revolutionen der jüngeren Vergangenheit – Internet, Datenverarbeitung und Elektronik zum Beispiel – die Kosten im Laufe der Zeit ein erträgliches Maß annehmen dürften. Sein Unternehmen entwickelt und fertigt seit Beginn der 2000er-Jahre autonom arbeitende Techniken für die Automobilindustrie. Zuletzt zeigte es seine Kompetenz für die Stufe 3 der autonomen Fortbewegung – dabei ist die Entscheidung der Fahrweise weitgehend Sache des Autos – mit einer 500 Kilometer weiten Testfahrt grenzüberschreitend rund um die Großen Seen Nordamerikas. Dabei bewältigten die Wagen 92 Prozent der Strecke ohne Eingriffe ihrer Piloten. (ampnet/hrr)

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Autonom fahrender Jeep Grand Cherokee mit Magna-Technik.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Magna

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Magna-Cheftechniker Swamy Kotagiri.

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