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Fahrbericht VW Amarok Canyon: Freizeitcowboy

Der schwache Pick-up-Markt in Deutschland war für Volkswagen mit dem Amarok sicher keine Ausgangssituation bei der man an große Erfolge glauben konnte. Benannt nach einem Wolf aus der Inuit-Mythologie schien das in Hannover gebaute Nutzfahrzeug aber etwas in den Deutschen wachzurütteln, was durch herkömmliche SUV nicht befriedigt werden konnte – die Abenteuerlust. Für den Freizeitcowboy hat Volkswagen in Genf (März 2013) dann die Studie „Amarok Canyon“ gezeigt. Die kam beim Publikum so gut an, dass sie fast eins zu eins übernommen wurde. Dass der Wolfsburger Wolf nicht unbedingt zum Heulen ist, posaunt schon das grelle Orange heraus.

Wenn man den Amarok Canyon zu ernst angeht, fällt er bei näherer Prüfung sofort durch. Die Ladefläche reicht gerade, um ein Mountainbike mit abmontiertem Vorderrad zu verstauen, eine Anhängerkupplung ist nicht serienmäßig und das helle Leder mit den orangen Ziernähten im Innenraum freut sich nicht gerade auf den Besuch von durchgeschwitzten Handwerkern. Der Sinn ist also woanders zu suchen.

Optisch macht der Mid-Size-Pick-up aber eine Menge her. Wo er im Farbton „Copper-Orange“ auftaucht, zieht er die Blicke interessierter bis neidischer Autofahrer und Passanten auf sich. Einige sprechen den Autor dieser Zeilen auf dem Parkplatz auf das „Schlachtschiff“ an und wollen wissen, was es kann. Das lässt sich leicht sagen: gut aussehen. Mit einer Styling-Bar an der Ladefläche, einer Bar am Türeinstieg, 18-Zoll-Felgen mit geländetauglicher Bereifung und der spektakulären Halogenleiste auf dem Dach macht er schon was her.

Anders sieht es da unter der Haube aus. Vom 2.0-Liter-TDI mit 103 kW / 140 PS sind weder wir noch die Interessierten begeistert. 13,4 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h sind für einen solchen Aufschneider einfach zu lang. Dafür ist entspanntes Cruisen im Stadtverkehr möglich, das sich der Dieselmotor mit einem Verbrauch von etwa zehn Litern aber gut entlohnen lässt. Der 180-PS-TDI kann sicherlich mehr begeistern. Surrendes Nageln im Innenraum müssen sich die Insassen der ansonsten gut gedämmten Doppelkabine jedoch von beiden Motoren gefallen lassen.

Das Fahrwerk hingegen ist über jeden Zweifel erhaben. Dass ein Fahrzeug mit einer Tauchtiefe von 50 Zentimetern auch straff auf der Straße liegen kann, sind wir von Range Rover zwar schon im Superlativ gewohnt, hätten das dem Volkswagen-Pickup aber nicht zugetraut. Schläge federt er erwartungsgemäß gut ab, ohne dabei große Kompromisse bei der Kurvenstabilität einzugehen. Der Blick auf den Tacho zeigt in so mancher Serpentine, dass mit einem Kompaktwagen auch nicht viel mehr gegangen wäre. Im Gelände spielt das Spielzeug seine Qualitäten dann voll aus. Waldwege mit großen Schlaglöchern und auch größere Unebenheiten im Feld saugt der Amarok wie ein Schwamm auf – ohne dass die Insassen davon etwas mitbekommen.

Der permanente Allradantrieb mit zuschaltbarem Sperrdifferential (Aufpreis: 672 Euro) sorgt für exzellente Traktion. Für das Abenteuer zwischendurch genau richtig. Auf Wunsch ist auch zuschaltbarer Allradantrieb und Geländeuntersetzung für den Wolf zu bekommen – leider nur in Verbindung mit dem 6-Gang-Schaltgetriebe, das vom Handling her Transporter-Flair versprüht. Die 8-Gang-Automatik machte uns bei der Präsentation mehr Spaß, vor allem beim Anfahren.

Im Innenraum herrscht eine VW-typische Atmosphäre, die mit frischen Lederfarben, orange umrandeten Lüftungsdüsen und hervorragender Bedienbarkeit keine neuen Maßstäbe setzt aber durchaus mit Lifestyle umschrieben werden kann. Dass der Fahrer mit viel hartem Kunststoff und haptisch unschönen Bedienknöpfen konfrontiert wird, fällt da etwas weniger ins Gewicht. Ein Abenteuerauto darf sich ruhig etwas rustikal anfühlen. Dieses Gefühl setzt sich beim Verstauen von Ladung fort. Das Schloss für die Laderaumklappe ist nur manuell per Schlüssel zu öffnen, das Rollo erfordert einen hohen Kraftaufwand. Ist die Fläche einmal offen, kann auf 2,52 Quadratmetern alles verstaut werden, sofern es nicht länger als 1,55 Meter ist. Was der Cowboy mitnehmen will, muss er sich also genau überlegen. Hauptsächlich sollen mit dem Amarok Canyon ja auch Emotionen transportiert werden.

Das große Highlight – im wahrsten Sinne des Wortes – dürften die vier optional erhältlichen Halogenscheinwerfer auf dem Dach sein. Diese werden zum regulären Fernlicht und bringen selbst einer Fledermaus das Sehen bei. Etwas Weitsicht hat der Fahrer mit dem Amarok Canyon jedenfalls im Gepäck. Innerorts findet dank der Halogen-Leiste aber so manche Familie keinen Schlaf mehr, wenn ein frisch gebackener Freizeitcowboy in der Stadt ist.

Ein Rudeltier wird der Amarok Canyon wohl nicht werden – zu speziell ist sein Gesamtpaket. Gewisse Nachteile muss der Besitzer eben hinnehmen. Sei es die Suche nach einem geeigneten Parkplatz oder auch die lange Recherche nach einer Waschanlage, die dem Pick-up mit Styling-Bar Einlass gewährt. Vielleicht gibt es bei Volkswagen demnächst einen Tritt für die Handwäsche beim Kauf dazu. (ampnet/deg)


Daten Volkswagen Amarok Canyon

Länge x Breite x Höhe (in m): 5,25 x 1,95 x 1,83
Motor: Vier-Zylinder-Turbodiesel, 1968 ccm
Leistung: 103 kW / 140 PS bei 3500 U/min
Maximales Drehmoment: 340 Nm bei 1600 bis 2250 U/min
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): 7,6 l/100 km
Kohlendioxidemission: 199 g/km (Euro 5)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 13,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 162 km/h
Leergewicht / Zuladung: 1948 kg / 872 kg
Straßenbereifung: 255/60 R 18
Wattiefe: 500 mm
Wendekreis: 12,95 m
Ladebox: 1,55 m x 1,62 m (2,52 qm)
Max. Anhängelast: 3000 kg
Basispreis: 38 373 Euro
Testwagenpreis: 43 215 Euro

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