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Fahrbericht Jaguar E-Pace: Des Kätzchens neue Kleider

Wird der springende Jaguar als Wappentier der englischen Automarke demnächst durch eine Gämse ersetzt? Wohl eher nicht. Doch die geländegängige Ziegenart würde perfekt zur neuen Ausrichtung des Herstellers passen. Der hat nämlich im ersten Halbjahr 2018 in Deutschland überwiegend SUVs mit Allradantrieb verkauft. Vorbei scheinen die Zeiten, da Jaguar in erster Linie mit fixen Zweisitzern assoziiert werden konnte. Die jüngste Variante der hochbeinigen Kombis, den Jaguar E-Pace, haben wir auf seine Alltagstauglichkeit überprüft.

Jaguar E? Moment, war da nicht was? Nur nicht an den rassigen Roadster aus den 60ern denken, diese Marken-Buchstaben-Kombination kann einen leicht aufs falsche Gleis locken. Mit elektrischem Antrieb hat der Jaguar E-Pace ebenso wenig zu tun, schon eher damit, dass die Engländer mit genau dem richtigen Auto zur richtigen Zeit heraus kamen. Leicht gefallen ist es ihnen deshalb, weil im Markenverbund mit Land Rover die passende technische Basis mit dem Range Rover Evoque vorhanden war und eigentlich nur noch neu angezogen werden musste.

Des Kätzchens neue Kleider – das ist Sache von Ian Callum. Der schottische Designer im Solde Jaguars hat es geschafft, ein nur 4,40 Meter langes SUV mit einer optischen Präsenz zu versehen, dass man nur staunen kann. Ein VW Tiguan ist länger und wirkt trotzdem kleiner. Die Wahl des E-Pace zum „schönsten Kompakt-SUV“ durch die Leser einer deutschen Fachzeitschrift, überrascht also nicht. Kurze Karosserie-Überhänge, schwarz beplankte Radläufe und ein Coupé-artig abfallendes Dach sind die Insignien einer Fahrzeug-Kategorie, die sportliche Dynamik mit robusten Eigenschaften auch jenseits gut ausgebauter Asphaltwege zu verbinden trachtet.

Als lupenreinen Offroader sollte man den E-Pace freilich nicht ansehen, dazu fehlen ihm technische Zusatzeinrichtungen wie Getriebeuntersetzung, Sperrdifferenziale oder die Möglichkeit, die Bodenfreiheit zu erhöhen. Er setzt in erster Linie auf Komfort, was an der Grundausstattung der gefahrenen Version P300 R-Dynamic SE zum einen liegt, an der ellenlangen Liste der verfügbaren Zusatzausstattung zum anderen. Auf den Sicherheitsvorteil eines permanenten, in diesem Falle heckbetonten Allradantriebs kann man sich dennoch verlassen.

Da Jaguar zu den Marken gehört, die von den Verwerfungen des Diesel-Skandals bisher verschont blieben, ist der Zuspruch zu Selbstzündern bei den SUV ungebrochen. Zwar ist das Übergewicht bei den Neuzulassungen nicht so groß wie beim F-Pace, jedoch wurden auch beim kleineren Bruder bisher nahezu 59 Prozent Diesel registriert. Ein Grund mehr, sich mit dem leistungsstärksten Benziner-Modell zu beschäftigen. Es holt aus einem Zweiliter-Vierzylinder enorme 300 Pferdestärken (221 kW). Damit setzt sich Jaguar klar von einem Wettbewerber ab, der als Importeur ebenfalls Premium-Ansprüche hegt. Der Volvo XC40 ist mit maximal 247 PS (182 kW) zu haben.

Positiv zu vermelden ist, dass der Testwagen nicht mit dem von anderen Beispielen her wohlbekannten Hüftspeck vorfuhr. Trotz umfangreicher Sonderausstattung zeigte die Waage 1900 Kilogramm an, was nahezu exakt dem Wert im offiziellen Datenblatt entspricht. Aus dieser Tatsache folgt die Erwartung, dass der praxisübliche Verbrauchszuschlag gering ausfällt. Und siehe da: 9,3 Liter nach rund 700 Kilometern Testfahrt gegenüber 8,5 auf dem Rollenprüfstand können sich sehen lassen.

Mit 400 Newtonmetern maximalem Drehmoment (ab 1500 U/min) ist der „große“ E-Pace gut dabei und bewegt sich in der Größenordnung von gleichvolumigen Dieselaggregaten. Von einem Turboloch ist nichts wahrzunehmen, willig die Gasannahme, doch die Neungang-Automatik setzt die Motordrehzahl mit spürbarer Mühe in Vortrieb um. Wer eine R-Dynamic-Version wählt, bekommt für das Getriebe auch Schaltwippen am Lenkrad dazu, alle anderen muss man bei Bedarf extra ordern (+350 Euro). Das manuelle Eingreifen führt jedoch nicht immer zum Ziel, denn die Elektronik kann den Gangwechsel sperren, wenn sie der Meinung ist, dass die Geschwindigkeit noch nicht für einen höheren Gang geeignet ist.

Ein Fahrwerk mit Nehmer-Qualitäten weiß zu schätzen, wer nicht nur auf glattgebügelten Fernstraßen unterwegs ist. Eine allzu weiche und komfortable Abstimmung verbietet sich schon deshalb, weil ohne Wankausgleich dann die Seitenneigung in flotten Kurven zunimmt. So ist der gefundene Kompromiss zwangsläufig einer, der nicht für 100 Prozent der Fahrsituationen taugt, und schon Gullydeckel oder Querfugen an den Innenraum durchmeldet. Der heckbetonte Allradantrieb kann zur Förderung des Dynamikgefühls durch eine elektronisch gesteuerte hydraulische Lamellenkupplung bis zu 100 Prozent des Antriebsmoments an die Hinterachse leiten.

Dass die Fahrt dennoch nicht so zupackend und munter von statten geht, wie man es von 300 PS erwarten könnte, auch die durchaus direkte Lenkung keinen wirklichen Gewinn für einen fahraktiven Eindruck bringt, hat mit dem Gewicht zu tun. Der E-Pace ist, obwohl im offiziellen Limit, ein ganzes Stück schwerer als vergleichbare SUV und das nimmt ihm die Leichtfüßigkeit. Im gelassenen Cruiser-Modus weiß man das elegante Ambiente und das hohe Komfortniveau zu schätzen, aber bei zügiger Gangart denkt man nicht unbedingt an die geschmeidige und energiegeladene Katze, mit der der Markenname sonst assoziiert wird. 6,5 Sekunden bis 100 km/h und 243 Stundenkilometer Höchstgeschwindigkeit sind sicher aller Ehren wert, doch es fehlt bei dieser Kraftanstrengung die Souveränität.

Die hat der Wagen, wenn es ums Wohlfühlen an Bord geht. Edle Materialien, hohe Verarbeitungsqualität und gute Platzverhältnisse sorgen dafür. Vorn und hinten stehen den Passagieren mehr als 1,40 Meter Schulterbreite zur Verfügung. 577 bis 1234 Liter Kofferraumvolumen lassen Platz für diverse Transportbedürfnisse, unter dem Ladeboden in 75 Zentimetern Höhe lassen sich Kleinteile sicher aufbewahren. Auch wenn das Schienensystem mit 365 Euro nicht eben billig ist, erhöht es doch die Vielseitigkeit der Verstaumöglichkeiten.

Überhaupt darf man Jaguar konzedieren, dass sie sich eine Praxis recht erfolgreich von deutschen Premium-Anbietern abgeschaut haben: Die Spreizung der Optionsliste in eine kaum überschaubare Ansammlung von kostenpflichtigen Extras. Allein für die Kategorie „Sitzfunktionen“ sind 20 verschiedene, teils preisintensive Optionen wählbar. Da ist es kein Wunder, wenn sich der Preis eines Testwagens von der Basis 59 650 Euro mittels Einbau von Matrix-LED-Licht, Head-Up-Display, schlüssellosem Zugang, Laderaumschienen, Surround-Kamerasystem, 12,3-Zoll-Infotainment-Display, 19-Zoll-Alufelgen und anderen Annehmlichkeiten auf 67 244 Euro verteuert. Wohlgemerkt: für ein Kfz, das zu den Kompakt-SUV gezählt wird. Kollisionswarner, Spurhalte-, Totwinkel- und Parkassistent, Rückfahrkamera und Müdigkeitswarner sind in der R-Dynamic-Ausstattung enthalten.

Fazit: Gelungenes Design fördert den Absatz, der E-Pace ist ein gutes Beispiel dafür. Kleiner als ein F-Pace, aber nur wenig günstiger, versammelt er hohes Leistungspotenzial und wertige Ausstattung in überschaubaren Dimensionen. Für einen Sportwagen sollte man ihn ebenso wenig halten wie für einen Offroader, dennoch bringt er aus beiden Welten genügend Eigenschaften mit, um freizeitaktive Singles und wohlsituierte Kleinfamilien zufrieden zu stellen. (ampnet/afb)

Daten Jaguar E-Pace P 300 AWD R-Dynamics SE

Länge x Breite x Höhe (m): 4,40 x 1,98 x 1,65
Radstand (m): 2,68
Motor: R4-Benziner, 1998 ccm
Leistung: 221 kW / 300 PS bei 5500 U/min
Max. Drehmoment: 400 Nm von 1500 - 4500 U/min
Allradantrieb, Neun-Gang-Automatik
Höchstgeschwindigkeit: 243 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 6,5 Sek.
Verbrauch (nach WLTP-Norm): 8,5 Liter
Testverbrauch: 9,3 Liter/100 km
CO2-Emissionen: 194 g/km, EU 6
Leergewicht Testwagen: 1900 Kg
zul. Gesamtgewicht: 2400 kg
Kofferraumvolumen: 577 bis 1234 Liter
Ladekante: 75 cm
Max. Anhängelast: 1800 kg
Basispreis: 59 650 Euro
Testwagenpreis: 67 224 Euro

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