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Kommentar zur Zeitenwende: Akzeptanz statt Gehorsam

Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz fühlt sich die Politik ertappt. Es ist ihr peinlich, attestiert zu bekommen, dass sie mit dem Gesetz zu kurz gesprungen war. Entsprechend hektisch prasseln nun neue Programme und immer radikalere Forderungen auf den Bürger nieder. Sein Auto wird dabei mehr denn je zum Prügelknaben. Das Urteil eröffnet aber auch die Chance, das Klima mit dem Auto zu schützen. Wir haben bisher in fünf Folgen die Rahmenbedingungen der Zeitenwende beschrieben. Jetzt geht es um die Konsequenzen für jeden: Wollen wir wirklich ein anderes Leben?

Wir sind es gewohnt, die Möglichkeiten für die individuelle Mobilität als Maß für die Freiheit zu werten, die von der Gesellschaft jedem Bürger eingeräumt. In Deutschland hat das sogar Verfassungsrang, nachzulesen im Artikel 11 des Grundgesetzes und fest verankert im Bewusstsein und im Vertrauen der Menschen auf die Demokratie – nicht erst, seit die Mauer niedergerissen wurde.

Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Stärke anderer dient uns der Grad der Motorisierung als ein Maßstab. Wir nehmen deswegen nicht ohne Stolz zur Kenntnis, dass hierzulande 710 Kraftfahrzeuge auf 1000 Bürger kommen. Mehr als 58 Millionen Pkw sind in Deutschland zugelassen, außerdem über vier Millionen Motorräder plus die vielen Mofas und ihre hochaktuellen elektrischen Varianten und deutlich über sechs Millionen Fahrrädern – aber auch immer mehr Rollatoren. Wenn man die aktuell sich überschlagenden Zuwächse bei den Kfz-Neuzulassungen ernstnimmt, dann soll das so bleiben.

Den Eindruck kann man jeden Tag in den Showrooms der Händler und auf den Internetseiten der Hersteller gewinnen: Boom, als gäbe es kein Morgen. Darin zeigt sich der Nachholbedarf nach dem Pandemiejahr, aber manchmal auch die Sorge, die Politik könnte den Bürgern ihr Auto vermiesen wollen. Katalysator, Feinstaub, Stickstoffdioxid und jetzt Klima – wie sehr sich eine neue Haltung zum Auto festgesetzt hat, zeigen immer wieder Umfragen: Erstaunlich viele wollen ein Elektroauto kaufen. Wie die Steigerungsraten bei den Zulassungen zeigen, setzen viele die Ankündigung sogar um.

Dass der Diesel ins Hintertreffen geraten konnte, lässt sich – wie die große Zahl der E-Zulassungen – als Erfolg des ständigen Erinnerns an Umweltschutz und Klima deuten. Doch der stete Tropfen reicht denen nicht mehr, denen das Bundesverfassungsgericht das Klimaschutzgesetz vor die Füße geknallt hat. Jetzt arbeiten alle an sehr viel ehrgeizigeren Zielen. Doch um die umzusetzen, brauchen sie ein anderes Volk. Und nach all den Jahren des täglichen Bemühens um ein neues Bewusstsein, scheint neues Denken sogar erreichbar.

Die Pandemie hat uns zu der Einsicht geführt, dass der Deutsche auch Maßnahmen mitträgt, die sich gegen seine persönlichen Freiheitsrechte wenden. Zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln tragen die Corona-Maßnahmen; Querdenker ernteten Empörung. War das nun der alte obrigkeitshörige Deutsche oder die Einsicht in die Notwendigkeit und das Bewusstsein, dass alles auch dem Schutz der eigenen Gesundheit diente?

Diese Erfahrung könnte andere Gruppen reizen, sagt doch der Artikel 11 GG dem Bürger zwar Freizügigkeit als eines seiner Grundrechte zu, nennt aber auch Grenzen, „wenn eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden“ oder in denen es zur Abwehr einer „drohenden Gefahr für den Bestand oder … zur Bekämpfung von … Naturkatastrophen … erforderlich ist.“ Der längst anlaufende Klimawandel könnte also, wie Corona, gesetzliche Einschränkungen mit der Rückendeckung der Verfassung erlauben, wenn die Entwicklung dramatisch wird – oder als dramatisch interpretiert wird.

Was für eine Versuchung für alle, in deren Augen das Auto schon seit Jahren ein politisch unkorrektes Spielzeug darstellt, dessen Anschaffung oft nicht an Bedürfnissen, sondern an den wirtschaftlichen Möglichkeiten seines Käufers ausgerichtet wird. Stärker und schneller soll es auch sein – nur weil der Mensch seine individuelle Mobilität individuell gestalten und erleben will.

Ist so viel Rücksicht auf die Wünsche der Bürger in Zukunft nicht mehr drin? Am weitesten unter den Kanzlerkandidaten legt sich Annalena Baerbock dazu aus dem Fenster. Die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen will die Gesellschaft umbauen von sozialer Marktwirtschaft auf sozialökologische. Beschreibt sie den Weg dahin, fällt ihr rasch das Auto ein. Darin weiß sie sich allerdings mit den beiden anderen Kandidaten einig. Und auch die aktuelle Bundesregierung denkt ähnlich. Ein Indiz dafür ist die Position zu Wasserstoff und den synthetischen Kraftstoffen (e-Fuels). Die sind zwar für Lastentransport, Flugverkehr und Schwerindustrie vorgesehen, aber nicht für den Personenwagen. Der soll batterieelektrisch fahren.

Dabei ist nicht der Verbrennungsmotor der Übeltäter, sondern der Kraftstoff aus dem fossilen Erdöl. Mit e-Fuels im Tank würde jeder Pkw sofort zu einem Teilnehmer am Kampf gegen den Klimawandel. Doch stattdessen sollen Verbrenner entweder verboten oder ihren Besitzern mit kontinuierlich steigenden CO2-Abgaben und anderen Maßnahmen vergällt werden. Basta!

So viel Einigkeit über die gesamte Breite der politischen Mitte ist selten. Steht dahinter vielleicht die heimliche Einsicht, dass man sich von Brüssel und der Umweltlobby in eine Einbahnstraße hat locken lassen, aus der man nun nicht mehr herauskommt? Man kann das Geld eben nur einmal ausgeben – für viele Millionen Ladestationen oder für Anlagen zur E-Fuel-Herstellung. Daran werden auch die 22 Extramilliarden aus Brüssel für Reformen nichts ändern.

Folgen wir den Klimaprognosen und den Politikern in Europa, dann soll unser Kontinent spätestens 2050 klimaneutral sein. Auch bei den neuen deutschen Zielen, die irgendwo zwischen 2040 und 2045 landen werden, das Urteil aus Karlsruhe und der Bundestagswahlkampf werden uns nicht eine Phase der Überprüfung der Maßnahmen, sondern hektisches Fortschreiten auf der einmal betretenen Einbahnstraße bescheren. Dabei wäre dies der richtige Zeitpunkt, eine Strategie zu entwickeln, mit der wir der ganzen Welt etwas Gutes tun können.

Dem Klima ist einerlei, was wir hier in Deutschland anstellen. Die Einschränkungen unserer Freizügigkeit, die Verteuerung des Autos oder Tempo 130 auf Autobahnen ändern nichts an der Klimaentwicklung. Alle diese Maßnahmen spalten die Gesellschaft, sie vergrößern die Distanz zwischen Bürgern und dem Staat. Doch idealerweise ist Demokratie ein Wettbewerb der Ideen. Doch in dieser Gemengelage aus Brüssel, Karlsruhe und Berlin wird leider niemand den Mut haben, die Pausetaste zu drücken.

Missionieren statt Zuhören, Druck statt Akzeptanz – es bedarf keiner prophetischen Gabe, um das vorherzusagen. Oder lässt die sozialökologische Marktwirtschaft am Ende doch Raum für Mehrheiten? Oder für ein Umdenken in aller Stille. Schließlich verlangen Koalitionen auch Kompromisse. (ampnet/Sm)

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Artikel 11 Grundgesetz

(1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet.

(2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes es gibt Hoffungund nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

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Peter Schwerdtmann.

Peter Schwerdtmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net

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