Gebannt saß die Finanzwelt in dieser Nacht am Rechner, um der Telefonkonferenz zu lauschen: Tesla-Großaktionär und Universalgenie Elon Musk erläuterte das vergangene Quartal und gab Prognosen für die Zukunft zum Besten. Wer auf schöne Worte hoffte, wurde nicht enttäuscht.
Zwar sei das letzte Jahr das herausforderndste der Geschichte der Marke gewesen, jedoch auch das erfolgreichste. Für 2019 erwarte man weiteres Wachstum – nämlich “Auslieferungen, die um 50 Prozent über dem letzten Jahr liegen”, so Musk. Er ergänzte: “Es könnte auch viel mehr werden”. 50 Prozent seien jedoch eine “vernünftige Zahl”. Bleibe die Wirtschaft stark, so geht Musk von 700 000 bis 800 000 Autos pro Jahr aus. Doch in einer Rezession könnten es “40 Prozent weniger” werden – beziehungsweise “500 000 Stück”.
Musk kündigte das Einstiegsmodell des Model 3 für Mitte 2019 an; es handelt sich dabei offenbar um die Version, die 35 000 Dollar kosten soll und auf die viele der einst stolz kommunizierten über 400 000 potentiellen Kunden warten, die 1000 Dollar Anzahlung geleistet haben. Wieviele Reservierungen nach dem ebenso verspäteten wie überstürzten Hochfahren der Produktion im vergangenen Jahr übriggeblieben sind, mochte Noch-Finanzchef Deepak Ahuja auf Nachfrage nicht mitteilen: “Ich denke, Reservierungen sind nicht relevant, wir konzentrieren uns auf tatsächliche Bestellungen.” Die Frage gehört sich nicht: ”Es ist unpassend, die Zahl der Reservierungen mitzuteilen.”
Die Frage eines Analysten, ob für die kommenden Einstiegsvarianten des Model 3 Einsparungen in Form günstigerer Hardware zu erzielen seien oder ob man vielmehr die Prozesse verbessern müsse, um die Preise zu senken, ließ Tesla gleichfalls unbeantwortet. Dafür erteilte Musk präzise Auskunft über die hauseigene Gleichteilestrategie; während der bizarr gestylte Model X nur 30 Prozent Gleichteile mit dem Model S habe, hätte der kommende Crossover Model Y “76 Prozent” der Teile mit dem Model 3 gemein. Musk erwartet für den Crossover eine “um 50 Prozent höhere Nachfrage” als für den Model 3, “vielleicht sogar doppelt so hoch.”
Schon im Sommer könne Tesla auch ein Pick-up-Modell zeigen, so Musk, der auch zum Thema Autonomie mit exakten Ziffern aufwartete: Die Selbstfahrfunktion sei derzeit “zu 98 Prozent zuverlässig”, man wolle jedoch “99,999 Prozent” erreichen. Bald sei man so weit, dann sei es Sache der Behörden, die Autos zu genehmigen. Man habe im übrigen weit mehr Erfahrung und Meilen gesammelt als andere Hersteller: “Der gesamte Wettbewerb zusammen hat 5 Prozent unserer Meilen”. Das Thema Autonomie sei so wichtig, weil dadurch “Millionen Leben gerettet werden können”, so Musk, dessen Zahlenangaben während der Telefonkonferenz bisweilen wirkten, als seien sie ihm in Echtzeit in Form einer göttlichen Eingabe erschienen.
Musk nannte zudem den Ausbau des Serviceangebots als höchste Priorität für den US-Markt und kündigte an, in Zukunft werde das Auto im Fall einer Panne den Abschleppwagen anfordern, noch bevor es zum Stillstand gekommen sei. Blechreparaturen seien in Zukunft eine Angelegenheit von 20 Minuten.
Diese hehren Ziele kontrastieren scharf mit der Realität. Tatsächlich können Tesla-Kunden derzeit auch von völlig normalen Zuständen nur träumen: Die Fahrzeuge zeichnen sich durch extreme Unzuverlässigkeit aus, Servicenummern sind häufig nicht erreichbar, banale Reparaturen setzen die Autos teils Monate außer Gefecht.
Gekrönt wurden Musks Erläuterungen durch eine bemerkenswerte Erkenntnis: “Die Nachfrage ist wahnsinnig hoch, sie wird jedoch durch die Bezahlbarkeit limitiert.” Dies dürfte für beinahe jedes Produkt gelten, sogar für ein so fragwürdiges wie den Tesla Model 3, auf den er sich mit seiner Aussage bezog.
Die Nachricht, daß Finanzchef Deepak Ahuja die Firma verläßt und durch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt namens Zach Kirkhorn ersetzt wird, sparte sich Musk bis ganz zum Schluß auf: Die Bombe platzte, nachdem die Frage- und Antwortrunde bereits beendet war.
Die Aktie stürzte nachbörslich um rund fünf Prozent ab. (ampnet//jm/GTspirit.de)
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