„Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser als man glaubt!“ – das wusste Herbert Grönemeyer bereits 1984 in seiner Ode an das Ruhrgebiet. Dass der deutsche Pop-Titan mit dieser Zeile recht behalten sollte, zeigte auch die 17. „Creme 21“-Youngtimer-Rallye. Der Streckenverlauf führte die größte, mehrtägige und überregionale Rallye in Deutschland in diesem Jahr von Essen bis ins benachbarte Luxemburg. Volkswagen Classic fuhr die Wertungsprüfungen der originellen Kult-Rallye mit drei historischen Klassikern aus den 1980er-Jahren.
Am Startpunkt der diesjährigen Creme 21 war der „Pulsschlag aus Stahl“, der das Ruhrgebiet einst prägte, stark zu spüren. Dort, wo in Essen zwischen 1851 und 1986 ein aktives Steinkohlebergwerk das „Grubengold“ zu Tage förderte, bildete das stählerne Architektur- und Industriedenkmal „Zeche Zollverein“ die beeindruckende Kulisse für den Parc fermé. Das buntgemischte Teilnehmerfeld versammelte sich rund um die Schachtanlagen 12 und 1/2/8 der Zeche, die seit 2001 zum Welterbe der Unesco zählen. Von dort aus erkundeten die rund 250 teilnehmenden Autos zunächst die nähere Umgebung, bevor sie über Aachen durch die geschwungene Landschaft der Eifel bis nach Luxemburg rollten.
Vorbei am Museum Zinkhütter Hof, einem Ort für Industrie-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Aachener Reviers, wartete im Aldenhoven Testing Center, einem interdisziplinärem Testzentrum für Mobilität der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, herausfordernde und originelle Sonderprüfungen auf die „Cremisten“. Neben der Fahrdynamikfläche wurde auf der Bremsenstrecke und dem Handlingkurs das Feingefühl der Youngtimer-Piloten auf den Prüfstand gestellt. Das finale Ziel der 17. „Creme“ war nach einem Mittagsstopp in der Vulkanbrauerei Eifel das Nachbarland Luxemburg, gekrönt von der legendären Creme 21 Party. Nach einer kurzen Schlussetappe am Sonntag bot das Testgelände des Goodyear Proving Ground in Colmar-Berg einen besonderen Rahmen für die abschließende Siegerehrung.
Den jährlich wechselnden Streckenverlauf und die immer wieder auf’s Neue originellen Herausforderungen der Wertungsprüfungen haben sich die Teammitglieder rund um die vier Gründerväter der Creme 21 ausgedacht. 2001 gründeten die vier autobegeisterten Oldenburger diese außergewöhnliche Rallye, da sie mit den zu jungen Fahrzeugen ihrer Jugend noch nicht bei Oldtimer-Rallyes starten durften – die meisten der Klassik-Rallye-Reglements sehen ein Fahrzeugalter von wenigstens 30 Jahren vor. Ihre Idee einer Rallye für Ikonen der jüngeren Automobilgeschichte setzten sie zügig in die Realität um und wählten als Namensgeber die orangene Kosmetikmarke „Creme 21“ aus den 1970er-Jahren. 2001 existierte sie zwar nicht mehr, war aber noch immer ein Symbol für das farbenfrohe Jahrzehnt, aus dem die meisten der Autos stammen.
Mit einer originalgetreuen Replik des Paris-Dakar-Volkswagen Iltis aus 1980 fuhr das außergewöhnlichste und auffälligste Modell der drei Kult-Karossen aus der Sammlung von Volkswagen Classic über die Routen der „Creme“, wie die Teilnehmer ihre Rallye liebevoll abkürzen. Ursprünglich entwickelt für militärische Zwecke, wurde das Auto zum Nachfolger des Geländewagens DKW Munga. Mit einer Länge von 3,88 Metern war der kantige, robuste Typ 183 einsatzfähig von minus 30 bis plus 44 Grad. Fertig entwickelt wurde das Auto 1975 – fünf Jahre später gewann es die Rallye Paris-Dakar. Beim abendlichen Besuch des Autokinos in Essen zeigte der Iltis zudem eine weitere, seltene Qualität. Die hochliegende Kühlerhaube erwies sich als optimaler Dinner-Stehtisch und zog auch die daneben parkenden Damen nahezu magnetisch an.
Vom Alter des Originalbaujahrs dicht gefolgt, bereicherte zudem der seltene Scirocco I SL von 1981 das vom Lebensgefühl der 1970er- und 80er- Jahre geprägte Teilnehmerfeld. Mit einer Produktionsauflage von lediglich 1500 Exemplaren zählte dieses Modell neben dem Iltis und einem Volkswagen Corrado G60 16V aus 1989 zu den raren Highlights der diesjährigen Creme 21.
Zum ersten Mal startete die Creme 21 im Juni 2002 in Oldenburg mit 45 Fahrzeugen. 2017 rollte sie bereits mit beinahe 500 internationalen Teilnehmern und 250 historischen Fahrzeugen auf ihrer automobilen Schnitzeljagd quer durch das Land. Damit zählt sie zu den wenigen noch existierenden „Long-Distance-Rallyes“ unserer Zeit. Teilnahmeberechtigt sind Fahrzeuge, deren Baureihe in den 1970er und 80er Jahren produziert wurde, oder knapp davor beziehungsweise danach und die im Originalzustand erhalten sind.
Auf der kurzweiligen Ausfahrt mit den Autos aus der eigenen Kindheit steht vor allem „das unbeschwerte Lebensgefühl von damals“ im Mittelpunkt, sagt Alexander Mrozek, einer der Organisatoren der Rallye. Discokugeln, Schlaghosen und überdimensionierte Brillen „gehören ebenso zum ‚Spirit of Creme 21’ wie unsere Preise aus der Zeit der Autos“, fährt Mrozek fort – darunter auch die inzwischen obligatorische Sackkarre. (ampnet/oa)
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