Über Produktionszahlen spricht man bei Mercedes-Benz von jeher ungern. Den großen Luxus-Tourer R-Klasse hat das seit seinem Erscheinen im Jahr 2005 den Ruf eingebracht, er sei weniger erfolgreich als geplant. In der Tat sieht man die R-Klasse auf deutschen Straßen selten. Aber dafür war sie auch nicht gedacht. Sie wurde in Amerika für die Amerikaner gebaut, inzwischen – die Daimler-Spatzen pfeifen es von den Dächern – mehr als 100 000 Mal. Jetzt erlebt der Raumgleiter in New York bei der Auto-Show den Start in seinen zweiten Lebensabschnitt und zeigt mehr als bisher das typische Daimler-Gesicht.
Wenn die Weltpremiere des Facelifts in den USA stattfindet, dann ist das eine Verbeugung vor dem US-Markt, auf den man dieses kletterfähige Luxusauto zugeschnitten hatte. Als das Modell erschien, war man in Stuttgart sicher, genau die Ansprüche der Amerikaner getroffen zu haben. Die R-Klasse war groß mit bis zu sieben Sitzen, luxuriös wie ein Daimler und fast so gelängegängig wie eine G-Klasse. Das hätte passen müssen. Doch es dauert eben seine Zeit, ein neues Konzept durchzusetzen und in den USA die Van-Kunden, aber auch die Kleinbusfahrer an einen richtigen Mercedes-Benz zu gewöhnen, der mehr als die beiden genannten Fahrzeuggattungen kann.
Ist es jetzt so weit? In den USA ziehen zwei Marktsegmente an: die kleineren Limousinen mit geringem Verbrauch, aber ebenso die Großen, in der Dimension, die der Amerikaner liebt. Da müsste jetzt endlich der Raum für die R-Klasse entstehen, die deren Väter im Sinn gehabt haben. Aber den Planern zum Trost gibt es immer noch China. Die Chinesen lieben große Autos. Da kam die R-Klasse auch in der Vergangenheit gerade recht.
Aber niemand sollte behaupten, Mercedes-Benz hätte mit der neuen R-Klasse nicht auch Europa im Blick. Dieses Auto war und ist jetzt noch mehr als früher ein Multitalent, nicht nur weil es Straße und Gelände beherrscht. Die neue R-Klasse gibt es mit kurzem und langem Radstand, mit Allrad- und Hinterradantrieb, mit vier, fünf, sechs oder sieben Sitzen und mit einer Menge Optionen, mit der man das Fahrzeug an Bedarf und Geschmack anpassen kann.
Beim Dieselantrieb hat Mercedes-Benz nicht nachgelassen. Immer noch und mit wachsendem Erfolg versuchen die Stuttgarter, die Amerikaner vom Selbstzünder zu überzeugen. Wohl auch deswegen ist die R-Klasse das erste Fahrzeug des Konzerns mit einem neuen, hochmodernen Diesel, der sich in einer Leistungsklasse bewegt, die die Amerikaner bevorzugen. Der neue R 350 CDI 4Matic wird von einem Sechszylinder befeuert, der auf 100 km (nach EU-Norm) nur 8,5 Liter Diesel verbraucht, 0,8 Liter weniger als sein Vorgänger. Und das bei gesteigerter Leistung: 195 kW / 265 PS und ein maximales Drehmoment von 620 Newtonmetern. Das wuchtet die R-Klasse in 7,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h und bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 235 km/h. Die Amerikaner sollten das eigentlich lieben. Auch der R 300 CDI Blue Efficiency braucht bei gleicher Leistung heute rund sieben Prozent weniger als bisher, nämlich 7,6 Liter auf 100 km.
Neben diesen beiden gibt es vier Benziner zu Wahl im R 350 Bluetec 4Martic, im R 300, im R 350 4Matic und im R 500 4Matic. Das Leistungspektrum reicht von 155 kW / 211 PS bis zu 285 kW / 288 PS im R 500 4Matic, der mit 6,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h schon Sportwagenwerte vorweisen kann, das allerdings, ohne seinen Insassen sportlich hartes Fahrverhalten oder sportliche Enge zuzumuten. Die Amerikaner sollten das lieben: ein „Sportwagen“ für die Großfamilie.
Dabei wird sie das Aussehen der R-Klasse nicht stören. Mit dem neuen Gesicht, der sanft gerundeten Silhouette, dem neuen Räder-Design und der Rückansicht mit in die Heckschürze integrierten, rautenförmigen Endrohren der zweiflutigen Auspuffanlage wirkt die R-Klasse mehr wie eine große Limousine. Der Vorderwagen wurde komplett überarbeitet und wirkt jetzt breiter. Der Kühlergrill greift nun auf die Gestaltung mit wenigen verchromten Querspangen zurück, die früher den sportlichen Modellen des Hauses vorbehalten war. Auch die Kotflügel, die Scheinwerfer, die Stoßfänger und die Außenspiegel wurden in dieser Richtung retuschiert. Jetzt steht hier ein Mercedes-Benz, ganz auf der Höhe der aktuellen Designsprache der Stuttgarter.
Klar, dass man bei Mercedes-Benz gerade in der großen Klasse alles um sich herum zur Verfügung hat, was passive und aktive Sicherheit optimiert. Ebenso klar, dass es auch bei der R-Klasse kaum Grenzen gibt, wenn man sie veredeln will. Natürlich gibt es deswegen auch für die R-Klasse AMG-Ausstattungen. Wer die sehr beeindruckende Flexibilität des Innenraums braucht und einen richtigen Mercedes-Benz fahren will, kann also immer noch etwas „fürs Herz“ tun und den Tourer auf sich zuschneiden. Das sollte nicht nur den Chinesen gefallen. (ampnet/Sm)
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