„Wow, der ist ja riesig!“ – so der erste Gedanke des Redakteurs bei der Ankunft des neuen Sorento. Wie auch die Menschen wachsen die Autos wohl mit den Generationen. Die dritte des koreanischen Full-Size-SUV jedenfalls kommt optisch wie auf Steroiden daher. Die Trainingskur hat ihm gut getan, konnte der Sorento doch die gewünschte Männlichkeit in dieser Klasse nicht immer vertreten. Nun kommen die Werbetexter der Koreaner gar mit dem Claim „Auf elegante Art dominant“ daher. Die Ehrlichkeit hat ihren Charme.
Im Sorento geht es um komfortables Reisen und den Schwebezustand über dem Asphalt. Diesmal hat Kia das Fahrgefühl auch in eine prestigeträchtige Karosserie gegossen. Am Heck schon fast amerikanisch mit geteilten LED-Rückleuchten gehalten und an der Front durch die hochgezogene Motorhaube bekräftigt, nutzt das Blech die volle Breite aus. Der Trick ist psychologisch gut gewählt, verleiht er dem mit 4,82 Metern Länge und 1,70 Metern Höhe klassenüblich bemaßten Allroundvehikel doch optisch mehr Größe und macht ihn innen geräumiger.
„Auf elegante Art dominant“ lautet das Fazit, das die Kia-Produktseite der dritten Generation des Sorento werblich attestiert. Das würden wir ähnlich ausdrücken; doch als Minus steht auf der Liste eine Täuschung, die enttäuscht: Der Heckabschluss deutet – wie bei vielen deutschen Herstellern ebenso Mode – eine opulente Abgasanlage an, wo keine ist. Diese offensichtliche Anleihe lässt das kräftige Design ein Stück ins Gewöhnliche absinken.
Genug der Makulatur. Der Sorento will vollwertig sein: Raumnutzung, Fahrkomfort, Assistenzsysteme – hier fährt das Auto für die Reisefraktion. So können im Kofferraum des Sorento stolze 695 Liter untergebracht werden, sind die hinteren Sitzreihen zur Ebene heruntergeklappt, gehen 2100 Liter bis unters Dach. Damit wird der neue Koreaner schnell zum Platzhirsch zwischen der Konkurrenz auf dem Preisniveau von 50.000 Euro. Sowohl innen als auch außen ist er außerdem als Markenflaggschiff leicht zu identifizieren.
Innen ausgewogen und spannend
Der Trick gelingt auch durch die Eigenständigkeit, die sowohl der Mutterkonzern Hyundai als auch die Marke Kia immer mehr an den Tag legen. So präsentieren die Asiaten im Sorento eine Mischung aus Premium, Offroad-Design und 80er-Jahre-Science-Fiction (Tachoscheiben in LCD-Optik). Das Klimabedienteil wird mit übereinander platzierten Lüftungsdüsen eingerahmt und transportiert eine scharf gezeichnete, futuristische Designphilosphie. Und das ohne mit dem x-ten Bildschirm dick aufzutragen.
Da sind die Türinlays in Aluminium-Optik ausgeführt und schuppig perforiert. Durch die Öffnungen dringt eine Hintergrundbeleuchtung – frei in der Farbe wählbar – hervor. Die im konformen Stil designte Leiste über dem Handschuhfach erinnert den Offroadfan entfernt an den Defender. Die Bedienlandschaft erfordert eine Eingewöhnungszeit, wird dann aber schnell zur zielsicheren Schaltzentrale.
Beim Sitzkomfort ist der Dicke aus Fernost über jeden Zweifel erhaben. Bequemes, abgestepptes und perforiertes Ledergestühl mit elektrischer Verstellung und Lordosenstütze garantiert viele hundert Kilometer Autobahnfahrt ohne Knistern in den Wirbeln. Auch die Kopflehne ist optimal positioniert und entlastet den Nacken.
Panoramadach bis zum Kofferraum
Durch die umfangreichen Verstellmöglichkeiten und das voll einstellbare Volant hat der Fahrer schnell seine Wohlfühlposition gefunden. Die Memory-Funktion garantiert, dass sich der Sorento und sein Fahrer nach einem Wechsel schnell wieder aufeinander einstellen. Praktisch: Der Beifahrersitz kann auch vom Fahrersitz oder den Rücksitzen aus mittels zweier seitlich angebrachter Tasten verstellt werden.
Über den Köpfen der Insassen prangt Kias ganzer Stolz: Ein zweiteiliges Panoramaglasdach, das sich bis weit über die hintere Sitzreihe erstreckt, bringt exklusives Freiluftfeeling und holt mehr Licht in die Fahrgastzelle. Das aufpreispflichtige Extra ist eigentlich schon ein Muss. Ebenso empfehlenswert ist das große Infotainmentsystem mit allerhand nützlicher Funktionen inklusive Apple Carplay und Android Auto. Von hier aus können die Fahrzeugfunktionen in umfangreichen Untermenüs individuell angepasst werden. Nicht immer ist der Sorento dabei gelehrig: Das Abschalten des Spurverlassenswarners ist schon beim nächsten Start wieder entfallen und er muss von Neuem deaktiviert werden.
Das Fahren im Sorento fällt weder draußen noch drinnen akustisch auf. Fast wortlos bahnt sich der 4,81 Meter lange Vollhybrid seinen Weg aus der Parklücke, erst ab 30 km/h springt der 1,6-Liter-Benziner an. Mit künstlich erzeugten Fahrgeräuschen werden Tiere und Fußgänger vor dem herannahenden Leisetreter gewarnt. Der kleine Vier-Zylinder-Motor ist im Innenraum kaum präsent, so dass man bei einer Fahrt durch die belebte Innenstadt eher das Gefühl hat, aus einem Restaurantfenster auf die Straße zu schauen als in einem Pkw zu sitzen. Was den Geräuschkomfort betrifft, punkten die Koreaner auf ganzer Linie.
Fast so sparsam wie ein Diesel
Der 230 PS (170 kW) starke Hybridantrieb garantiert dabei günstige Verbrauchswerte von 7,8 Litern und führt dem Sorento mit 265 Newtonmetern genug Drehmoment zu. Für den Hängerbetrieb und das authentische SUV-Feeling bleibt jedoch der Diesel die erste Wahl. Mit etwa neun Sekunden für den Spurt von 0 auf 100 km/h vergeht bei beiden Motorisierungen zwar gleich viel Zeit, das Drehmoment von 440 Newtonmetern und die um neun km/h höhere Endgeschwindigkeit sprechen neben der Anhängelast von 2500 statt 1650 Kilogramm aber klar für den Selbstzünder.
Das Teamwork aus Vierzylinder und Elektromotor weiß zu begeistern – wenn man cruisen will. Die Schaltvorgänge der Automatik nimmt der Sorento jedenfalls kaum spürbar entgegen, nur bei Kickdowns und Zwischenspurts wirkt er träge. Die Schaltwippen am Lenkrad hätte man sich in Korea eigentlich sparen können, denn die Gangwechsel der Sechs-Stufen-Automatik sind zu lang, um eine logische Verbindung zwischen Handbewegung und Schaltvorgang zu ziehen. Da dürfte das Acht-Gang-DCT-Getriebe des Dieselmodells mehr Direktheit zeigen.
Auch eine Anfahrschwäche leistet sich der Antrieb: Hält man zum Beispiel aus der Fahrt hinter einem geparkten Auto an, um den entgegenkommenden Verkehr passieren zu lassen, braucht der Kia erst eine Gedenksekunde, bis der Tritt aufs Gaspedal in Vortrieb umgesetzt wird. Auch der etwas spritzigere Sportmodus oder eines der Fahrprogramme für rutschigen Untergrund können den Fehler nicht ausradieren. An der Ampel hingegen spurtet der Große anstandslos voran.
Die Lenkung geht in Richtung München
Erfreulich ist die gleitende Lenkung konzipiert, die das Parken mit einem Finger ermöglicht, bei zügigerer Fahrt aber angenehm straff wird und einen ruhigen Geradeauslauf garantiert. Besser als bei vielen Herstellern in dieser Klasse beherrscht man in Korea die Elimination mechanischer Einflüsse im Volant. Dadurch entkoppelt sich der Sorento gewissermaßen von der Straße, zollt damit aber auch den Wünschen der Zielgruppe Tribut. Und zwar so gut, dass man in Wolfsburg, Stuttgart und München vor Scham geduckt wegrennt.
Die selbstlenkenden Systeme (ab Ausstattungsniveau „Vision“) im großen Kia lassen den Fahrer über das Multifunktionlenkrad gern einen klug programmierten Chauffeurdienst in Anspruch nehmen. Sensibel leitet sich der Riese an den Markierungen entlang und kann auch in einer Autobahnkurve den Überblick behalten. Dabei hält der Abstandstempomat mit Stauassistent (serienmäßig) den Vordermann gleichmäßig auf Distanz und zeigt ihn – im Falle des anschließenden Überholens – sogar rechts im Head-up-Display (Ausstattungsniveau „Platinum“) an. Selbiger Effekt lässt sich auf einer Bundes- oder Landstraße reproduzieren; und auch die selbstlenkenden Systeme haben hier sicheren Griff. Man darf sagen: Chapeau, les coréens! Selbst im aktuellen Flaggschiff aus München fühlt sich der automatisierte Fahrdienst nicht kompetenter an.
Fazit: Zu diesem Preis hat keiner der deutschen Platzhirsche bisher ein solches Auto auf die Beine gebracht. Ab 41.000 Euro können Kunden bereits den Diesel ihr Eigen nennen, mit Hybridantrieb und höchster Ausstattung Platinum und Panoramaglasdach (965 Euro) werden die 55.000 Euro überschritten. In Anbetracht der staatlichen Subventionen ist auch dieser Preis noch voll im Rahmen und rangiert auf dem Niveau eines vergleichbar ausgestatteten Diesel. Der im neuen Jahr kommende Plug-in-Hybrid mit 265 PS soll unserem getesteten Hybridmodell bei den Verkaufszahlen die Show stehlen: Fast die Hälfte aller Verkäufe verspricht sich Kia von ihm – damit bleibt unser getesteter Vollhybrid wohl eine interessante Randerscheinung. (ampnet/deg)
Daten Kia Sorento 1.6 T-GDI Hybrid 4WD
Länge x Breite x Höhe (m): 4,81 x 1,90 x 1,70
Radstand (m): 2,82
Benzinmotor: Vierzylinder-Reihenmotor, 1598 ccm, 180 PS (130 kW)
Elektromotor: 60 PS (44 kW)
Systemleistung: 230 PS
Max. Drehmoment: 265 Nm bei 1500 - 4500 /min
Höchstgeschwindigkeit: 192 km/h (120 km/h elektrisch)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 9 Sek.
Getriebeart: Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 1,2 Liter Super 95
WLTP-Stromverbrauch: 11,3 kWh
Realverbrauch: 7,8 Liter Super
Ladeanschluss: Typ 2 mit 3,3 kW
Abgasnorm: Euro 6d-Temp
Leergewicht / Zuladung: 1741 kg / 769 kg
Kofferraumvolumen: 695–2100 Liter
Max. Anhängeachslast: 1650 kg
Basispreis: 50.971 Euro (abzgl. Prämien)
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