Vier-Zylinder-Hybrid ersetzt Sechs-Zylinder-Diesel: Dieses Rezept soll Maserati zurück auf die Erfolgsspur bringen. Ob das gelingt, ist keineswegs sicher. Dennoch ist der Verzicht auf die Selbstzünder einleuchtend, fast zwangsläufig – auch wenn sie bei den Modellen Ghibli und Levante zeitweise mehr als zwei Drittel des deutschen Verkaufsvolumens ausmachten. Doch das ist vorbei. Waren noch 2016 rund 1350 der in Deutschland neu zugelassenen Maserati mit Dieselmotor ausgestattet, schrumpfte ihr Anteil in den folgenden drei Jahren bis auf rund 250.
Bis September 2020 erreichten sämtliche Neuanmeldungen der Marke nur knapp mehr als die Hälfte des Vorjahresniveaus. In anderen für Maserati relevanten Diesel-Märkten in Europa, zum Beispiel Großbritannien, Italien und Österreich, sieht es kaum anders aus. Wirtschaftlich herrscht also dringender Handlungsbedarf.
Aus Sicht von Maserati beginnt das eigene elektrifizierte Zeitalter in diesem Herbst, in dem die Ghibli-Modelle des Jahrgangs 2021 für den Marktstart vorbereitet werden. Die völlige Abkehr vom Diesel wird ein Jahr später mit dem Levante Hybrid zementiert, und auch dessen angekündigter kleinerer SUV-Bruder Grecale wird keinen Selbstzünder mehr bekommen. Vielmehr dürfte auch er in einer Hybridversion erhältlich sein, die Frage ist nur, ob schon vom Start weg. Auf einen Maserati, der an der Steckdose emissionsfreie Kilometer tankt, wird man wohl vergeblich warten, ein Plug-In-Hybrid „passt nicht zu Maserati“, heißt es intern.
330 PS und 450 Newtonmeter
Was indes sehr gut zu der italienischen Traditionsfirma zu passen scheint, ist die enorme Leistung des nur 1998 Kubikzentimeter großen Vierzylinder nebst Elektro-Booster und 48V-Riemen-Startergenerator. Satte 330 PS (243 kW) stehen zu Buche. Allerdings ist das maximale Drehmoment, anders als bei dem in Rente geschickten und 100 Euro billigerem Diesel, erst vergleichsweise spät verfügbar. Trotz Mono-Turbo sind laut Hersteller 4000 Umdrehungen nötig, um die erzielbaren 450 Newtonmeter zu mobilisieren. So ließen die Testfahrten in der norditalienischen Emilia Romania, wo es an gleichermaßen schlaglocharmen wie kehrenreichen Bergstraßen nicht mangelt, beim Spaßfaktor nichts zu wünschen übrig.
Die Vergnügungssteuer wird an der Tankstelle entrichtet, denn wenn man den Sport-Modus mit der Folge eines höheren Drehzahlniveaus und spontanerer Gasannahme aktiviert, gleichzeitig noch die Dämpferhärte hochschraubt, ist der Durst des Dreizack-Viertürers spürbar gesteigert. Zwischen 8,1 und 9,4 Liter je 100 Kilometer hat Maserati ins Datenblatt schreiben lassen, ein beherzter Ausritt über die gewundenen Bergstraßen nordöstlich des Monte Cimone ist kaum unter zwölf Litern zu haben. Naturgemäß verfügen Maserati-Kunden aber über die notwendigen Mittel, sich kostspielige Ausflüge leisten zu können. Gut hätte es dem Hersteller zu Gesichte gestanden, neben der „Sport“-Taste auch noch einen „Eco“-Schalter zu platzieren. Dem Hybriden als Umweltgewissen der Marke hätte das vielleicht mehr Glaubwürdigkeit verliehen.
Während die Mildhybride für einen grünen Anstrich sorgen und vor allem den Flottenverbrauch senken sollen, baut Maserati auch am anderen Ende des dynamischen Spektrums sein Angebot aus. Die sogenannte „Trofeo“-Linie, mit der die jeweils leistungsstärksten Modelle einer Baureihe beschreiben werden, ist jetzt vollständig. Nach dem SUV Levante sind jetzt auch die Limousinen Gibli und Quattroporte mit dem 580 PS (427 kW) starken V8-Turbomotor verfügbar, dessen Urform auf eine Ferrari-Entwicklung zurückgeht. Mit 3,8 Litern hat er ein überschaubares Volumen für einen Achtzylinder, bringt jedoch maximal 730 Newtonmeter Drehmoment an den Start. Das kann für ordentlich Druck sorgen an der Lendenwirbelsäule. Bei freiem und ebenen Geläuf stellt keiner der drei Leistungssportler den Vortrieb diesseits von 300 km/h ein.
Nur keine Schwäche zeigen
Wer braucht so etwas? Für die Hersteller sind solche Boliden wegen hoher Entwicklungskosten und geringer Stückzahlen nicht immer ein Kassenschlager, jedoch lässt sich mit Ihnen technische Kompetenz beweisen und der Konkurrenz mindestens Ebenbürtigkeit signalisieren. Porsche und Bentley haben beispielsweise ebenfalls Limousinen und SUVs im Programm, die 300 km/h und mehr laufen. Wäre es da klug, der italo-affinen Sportwagen-Klientel so etwas nicht anzubieten?
Angesichts der identischen Leistungsdaten der Trofeo-Ausgaben von Ghibli, Levante und Quattroporte begibt man sich am Besten in die sichere Umgebung eines Rundkurses, um die Unterschiede beim Charakter der Fahrzeuge spüren zu lernen. Als erstes des Trios hat der Levante einen Maßstab gesetzt, der fahrdynamisch von seinem Allradantrieb herrührt. Fast genügsam zieht er dank der Vorderachse aus der Kurve, wenn man versucht, mit einem heftigen Gasstoß das Heck aus der Ruhe zu bringen. Sein hoher Schwerpunkt, etwa 90 Millimeter mehr als beim Quattroporte, macht es jedoch schwierig, die Seitenneigung nicht zu bemerken, die sich in schnellen Kurven unweigerlich einstellt. Mit fast 2200 Kilogramm Leergewicht ist er auch der Beleibteste der nur scheinbar gleichen Brüder.
Der Hecktriebler Quattroporte überrascht durch zwei Eigenschaften: Eine ausgezeichnete Balance, welche die ebenfalls gut zwei Tonnen schwere Limousine mit lässiger Hand beherrschbar bleiben lässt, auf der einen und eine erstaunliche Wendigkeit auf der anderen Seite. Immerhin ist der Luxus-Schlitten, der eine Chauffeurs-Klientel zum Selbstfahren anregen soll, mehr als fünf Meter lang und hat einen Radstand von 3,17 Metern. Spitzkehren eilig und souverän zu meistern, kann bei solchen Werten leicht zur Herausforderung werden.
Der Ghibli ist die erste Wahl
Der Ghibli, der als eine Art Quattroporte mit verkürztem Radstand gelten kann, erwies sich bei den Tempo-Tests auf dem Autodromo di Modena als verbindlich geschnürtes Paket. Er verfügt über das beste Leistungsgewicht, präsentiert sich deshalb als agilstes Mitglied des Trios, glänzt andererseits aber auch mit einer Ausgewogenheit, die trotz aller bissigen Attitüde auch entspanntes Cruisen erlaubt. Allen Trofeo-Modellen sowie dem Ghibli-Hybrid gemein ist die neue Konnektivitäts-Architektur, die für Ghibli und Quattroporte mit einem auf 10,1-Zoll vergrößerten Touchscreen-Monitor verbunden ist. Die neue Telematikplattform ist vollständig mit einer Servicewelt verknüpft, die aus Apple Store, Personal Account, Life Navigation Services, Remote Diagnostic Control, E-Call, Alexa in Vehicle Voice Assistant und Over-the-Air-Updates besteht.
Zwar bewegt man sich bei Maserati in Preisregionen, die für die meisten Autofahrer unerreichbar sind, doch der weltweite Wohlstand ist groß genug, um rund 25.000 Fahrzeuge eines Jahres an Kunden zu verteilen. Für den Ghibli Trofeo sind 127.415 Euro fällig, für das Levante-Pendant 154.608 Euro und für das Marken-Flaggschiff 161.530 Euro. Daran gemessen nimmt sich der Ghibli Hybrid mit 69.400 Euro wie ein Schnäppchen aus. (ampnet/afb)
Daten Maserati Ghibli Hybrid
Länge x Breite x Höhe (m): 4,97 x 1,95 x 1,46
Radstand (m): 2,99
Motor: R4-Ottomotor, e-Booster, 1998 ccm
Leistung: 243 kW / 330 PS bei 5750 U/min
Drehmoment: 450 Nm bei 4000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 255 km/h
Beschleunigung Null auf 100 km/h: 5,7 Sek.
WLTP-Verbrauch: 8,1–9,4 Liter
CO2-Emissionen lt Hersteller: 183–213 g/km
Leergewicht / Zuladung: 1878 kg / k. A.
Kofferraumvolumen: 500 Liter
Basispreis: 69.400 Euro
Daten Maserati Quattroporte Trofeo
Länge x Breite x Höhe (in m): 5,26 x 1,95 x 1,48
Radstand (m): 3,17
Motor: V8-Ottomotor, 3799 ccm, Bi-Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 580 PS (427 kW) bei 6250 U/min
Max. Drehmoment: 730 Nm bei 2250–5250 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 326 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,5 Sek.
ECE-Durchschnittsverbrauch: 12,5 Liter
CO2-Emissionen(Normverbrauch): k. A.
Tankinhalt: 80 Liter
Leergewicht Testwagen: 2000 kg
Kofferraumvolumen: 530 Liter
Basispreis: 161.530 Euro
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