Nach einer elfjährigen Wartezeit rollt jetzt endlich das erste neue Modell der britischen Sportwagen-Manufaktur Lotus auf den Markt. Der vollelektrische Evija ist gleichzeitig der Aufbruch in eine neue Epoche der Marke, die in der Vergangenheit immer wieder haarscharf am Untergang vorbeischrammte. Zum ersten Mal wagt sich Lotus in das Segment der Hypercars und präsentiert den Schönen und Reichen, die ihr Umweltbewusstsein zeigen wollen, ein vollelektrisches Modell fürs grüne Gewissen.
Die technischen Daten lassen sogar einen Bugatti Veyron blass aussehen. 2000 PS, ein Drehmoment von 1700 Newtonmetern und eine Höchstgeschwindigkeit von 340 km/h machen den Evija zum leistungsstärksten Serienmodell weltweit. Diese Leistungsdaten sind einer 2000 kW starken Lithium-Ionen-Batterie geschuldet, die von Williams Advanced Engineering (WAE) entwickelt wurde.
Der Energiespender ist direkt hinter den beiden Sitzen platziert und kann durch eine Glasabdeckung von außen besichtigt werden. Die Leistung wird von der Batterie an vier jeweils 500 PS starke Elektromotoren weitergegeben. Dieses Paket beschleunigt den Hypercar in weniger als drei Sekunden von Null auf 100 km/h oder weniger als neun Sekunden bis Tempo 300 km/h.
„Mit unserem Evija besitzen wir ein extrem effizientes elektrisches Leistungspaket, das die Kraft in einer bisher noch nicht realisierten Form auf die Straße bringt. Batterie, Elektromotoren und Kraftübertragung erreichen einen Wirkungsgrad von 98 Prozent und setzen so neue Standards“, erklärte Entwicklungschef Matt Windle bei der Vorstellung des Wagens in London. Lotus war stets dem Geist seines Gründers Colin Chapman verpflichtet, leistungsstarke und vor allem leichtgewichtige Sportwagen zu entwickeln. Der Evija setzt diese Tradition fort. Trotz der leistungsstarken Batterie bringt der Sportwagen in seiner leichtesten Ausführung nach Werksangaben gerade 1680 Kilogramm auf die Waage.
Die Batterie kann nach Lotus-Angaben innerhalb von neun Minuten geladen werden – allerdings erst, wenn es tatsächlich 800 kW starke Ladestationen geben sollte. An den (wenigen) aktuellen 350 kW leistenden Ladepunkten vergehen nach Werksangaben zwölf Minuten bis 80 Prozent oder 18 Minuten bis 100 Prozent. Als Reichweite gibt Lotus 400 Kilometer nach dem WLTP-Messverfahren an. Wie lange die Ladung bei Tempo 320 km/h reicht, verschweigen die Briten allerdings.
Verantwortlich für dieses vergleichsweise geringe Gewicht ist unter anderem ein vollständig aus Kohlefaser gefertigte Chassis, das von der italienischen Manufaktur CPC in Modena beigesteuert wird. Der Herstellungsprozess entspricht der in der Formel 1 üblichen Fertigungsmethode. Das Monocoque wiegt bescheidene 129 Kilogramm. Für die Fahrsicherheit spendierten die Lotus-Entwickler dem Elektrosportler ESP und Allradantrieb sowie eine elektro-hydraulische Lenkung. Dem Fahrer stehen drei Fahreinstellungen zur Verfügung: Range, City sowie Sport und Rennstrecke.
Damit die Aerodynamik nicht gestört wird, verzichteten die Ingenieure auf konventionelle Außenspiegel und entwickelten ein Kamerasystem, das die Aufnahmen auf einen zentral platzierten Bildschirm überträgt. Insgesamt sind drei Kamera strömungsgünstig montiert. Um eine möglichst günstige Aerodynamik zu erreichen, orientierten sich die Entwickler zum einen an Le Mans-Rennwagen und der Natur. „Während der Designentwicklung verbrachten wir viel Zeit damit, geologische Formen zu studieren – wie Felsen über Jahrhunderte von der Natur geformt worden sind“, beschreibt Design-Direktor Russel Carr die Entwicklung. Gleichzeitig kam die Historie der Marke nicht zu kurz. Lotus-Fans werden in der Frontpartie des Evija eine Erinnerung an den Formel-1-Boliden Typ 71 erkennen.
Der Evija ist das erste Serienmodell, das die von Osram entwickelten Laser-Scheinwerfer einsetzt. Die kompakte Lichtanlage soll eine extrem gute Ausleuchtung der Straße erreichen. Außerdem bietet der Sportwagen als erster Lotus eine vollständige Konnektivität. Über die Datencolud kann der Besitzer zudem ständig mittels einer App seinen Wagen überwachen.
Der Evija wird in einer Auflage von 130 Exemplaren im Lotus-Stammwerk Hethel hergestellt. Die Produktion soll im kommenden Jahr beginnen. „Der Evija wird die Marke wieder in den Herzen der Sportwagenfreunde etablieren und den Weg zu weiteren visionären Modellen ebnen“, erklärte Markenchef Phil Popham etwas euphorisch in London.
Welche neuen Modelle in den kommenden Jahren folgen werden, hängt vom chinesischen Besitzer der Marke ab. Geely ist angeblich bereit, knapp zwei Milliarden Dollar in die legendäre Sportwagen-Schmiede zu investieren. Unter anderem soll im nächsten Jahr ein gemeinsam mit Toyota entwickelter Sportwagen vorgestellt werden, dem, so die Gerüchte, ein Nachfolger für das seit 1996 produzierte Sportcoupé Elise folgen könnte.
Die Bestellbücher für den Evija sind seit einigen Tagen geöffnet. Um auf die Liste zu kommen, verlangt Lotus eine Anzahlung von 250 000 britischen Pfund (276 743 Euro). Für die einfachste Ausführung werden 1,7 Millionen Pfund (1,882 Millionen Euro) fällig. Dank der zahlreichen Möglichkeiten zur Individualisierung kann es auch ein wenig mehr werden. Doch das sollte den Schönen und Reichen ihr grünes Gewissen wert sein. (ampnet/ww)
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