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100 Millionen Euro für einen Fingerhut voll Sprit

In Sachen Kraftstoffverbrauch kommt der Fortschritt schon lange nicht mehr mit Riesenschritten voran. Jetzt freuen sich die Entwickler über jeden Fingerhut Sprit und jedes Gramm Kohlendioxidemission (CO2), das sie irgendwo im Auto einsparen können. Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender des Volkswagen-Konzerns, nennt eine Zahl: Jedes Gramm weniger CO2-Emission kostet 100 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung.

So klein wie ein Gramm im Vergleich zur Gesamtemission eines Autos, so klein fallen heute die Schritte aus, mit denen die Automobilindustrie nach ihren großen Anfangserfolgen heute auf das Ziel zusteuern. Der Flottenverbrauch eines Volumenherstellers darf 2020 nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer bringen. Für viele Hersteller wird die Zeit knapp und sicher auch das Geld. Da will auf der einen Seite gut überlegt sein, wo die Forscher angreifen, auf der anderen Seite muss jedes Teil, jede Technologie darauf hin abgeklopft werden, ob hier nicht noch ein Potenzial zur Kraftstoffeinsparung liegt.

Das ist also nicht nur ein teures, sondern auch ein mühsames Geschäft. Das wurde auch jetzt wieder deutlich, als Volkswagen der Presse in einem Workshop auf dem Versuchsgelände Ehra-Lessin bei Wolfsburg Innovationen vorstellte, die gerade in Arbeit sind. Dabei spielten die Veränderungen am Antriebsstrang eine erstaunlich kleine Rolle. Dafür wächst die Rolle der Materialforschung und der Entwicklung von Elektronik und Software.

Klassisch und in der Masse aus Metall kommt ein Zwei-Liter-Diesel mit Direkteinspritzung, Biturbo-Aufladung und einem elektrischen Booster als drittem Lader daher. Der holt aus seinen vier Zylindern 200 kW / 272 PS, 14 Prozent mehr als der bisher stärkste TDI, der heute in einem Passat mit Verbrauchswerten (nach EU-Norm) von knapp über fünf Litern brilliert.

Auch Wolfsburg findet offenbar Gefallen am Effekt einer geringeren Spreizung der Gänge für den Verbrauch. Dort steht jetzt ein Zehn-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DQ 511) auf dem Entwicklungpogramm, das in zwei bis drei Jahren in die Produktion einfließen soll. Es verträgt ein Drehmoment von 550 Newtonmetern, ermöglicht das Segeln – also das Ausschalten des Motors, wenn kein Vortrieb benötigt wird – und wiegt nur wenig mehr als der heutige Siebengänger, in dessen Gehäuse es auch steckt. Die ersten Gänge sind sehr kurz übersetzt. Wenn das Sieben-Gang-DSG an der Grenze zum zweiten Gang dreht, will der Zehngänger bereits in den dritten Schalten.

Entsprechend eng fallen auch die Abstände der anderen Gänge aus, so dass nicht nur das Anfahren leichter fällt, sondern der Motor nur selten über 2000 Umdrehungen pro Minute hinauskommt. Der zehnte Gang ist extrem lang übersetzt für niedrige Drehzahlen bei hohen Geschwindigkeiten. Auch zwei weitere Overdrive-Stufen für noch geringere Drehzahlen sind möglich.

Auch bei den Mildhybrid-Systemen tobt der Kampf um jedes Gramm. Ein Start-Stopp-System 2.0 schaltet den Motor vor dem Stillstand zum Beispiel an einer Ampel aus. Das System wirkt bereits bei 7 kmh. Der Motor wird zudem auch bei höheren Geschwindigkeiten abgeschaltet, sobald der Fahrer das Gaspedal entlastet (Segeln). Bei vorausschauender Fahrweise lässt sich der Verbrauch so reduzieren. Der Wiederstart des Motors erfolgt komfortabel. Darüber hinaus ermöglichen die Mildhybridsysteme die Rekuperation in Bremsphasen, was zu einem weiteren Verbrauchsvorteil von zwei bis acht Gramm CO2/km führt.

Kleine Hubräume, Aufladung, hohe spezifische Leistungen und niedriger Verbrauch – das sind die Themen, die auch in Zukunft die Arbeit am Antriebsstrang der Zukunft bestimmen werden. Aber mehr als kleine Schritte – wie die eben erwähnten zwei bis acht Gramm – wird man nicht mehr schaffen. Nur in der Addition vieler kleiner Schritte liegt der Erfolg.

Dabei ist es oft einerlei, ob man diese Maßnahmen bei Fahrzeugen mit klassischen Verbrennungmotoren, Hybridantrieben oder reinen Elektrofahrzeugen anwendet. Geringeres Gewicht und weniger Energiebedarf bei Nebenaggregaten wirkt sich immer günstig auf die Effizienz aus. Am meisten nötig haben solche Maßnahmen aber die Elektrofahrzeuge; denn so kann die Reichweite verlängert werden.

Da kommen dann ungewöhnliche Technologien ins Spiel wie eine nur 400 Namometer dicke Folie für das Glas-Panoramadach, die im Sommer die Wärme draußen und im Winter drinnen hält. Der Wärmeeintrag sinkt um rund 15 Prozent. Man muss also weniger Energie für Kühlung oder Heizung aufbringen. Demselben Ziel folgen neue Materialien für die Armaturentafel, die Sonnenlicht reflektieren und die Wärme so ebenfalls draußen halten. Wenn dann noch eine Wärmepumpe an Bord ist, dann kann die Reichweite um bis zu 20 Prozent steigen.

An dieser Stelle kommt dann erstmals die Elektronik ins Spiel mit einem Reichweitenmanager. Der kennt die aktuelle Verkehrslage auf der ausgewählten Route, schlägt verbrauchsgünstige Alternativstrecken vor und berücksichtigt den Fahrstil und das gewählte Fahrprofil. Wenn’s eng wird bis zum ausgewählten Ziel, regelt er dann auch schon mal die intensiven Energieverbraucher runter.

Seit Volkswagen das Smartphone des Fahrers mit Mirror-Link vom Display des Infotainmentsystems eingebunden hat, stehen auch eine Reihe von Applikationen zur Wahl, die Volkswagen für sich unter dem Obertitel Car Net in vier Kapitel gegliedert hat: Guide & Inform, Security & Service, App-Connect und E-Remote. Viele davon dienen wiederum der Verlängerung der Reichweite. So wird eine App angeboten, bei der Fahrer spielerisch Aufgaben lösen müssen, um sich so bis zum vorausschauenden, richtig agierenden Fahrer zu entwickeln. Unter E-Remote finden sich Funktionen, mit den das Elektroauto in der Garage auch ferngesteuert vorkonditioniert werden kann, so dass das morgendliche Heizen oder Runterkühlen schon geschieht, so lange die Batterie noch an der Steckdose hängt.

An dieser Stelle kommt natürlich sofort die Frage nach der Sicherheit der Daten und dem Schutz vor Hackerangriffen auf das Auto auf. Dr. Volkmar Tannerberger, der Leiter Elektrotechnik in Wolfsburg, kennt das Problem sehr genau. Volkswagen habe eine harte Firewall eingerichtet, die einen Onlinedurchgriff aufs Fahrzeug verhindern soll. Tanneberger schränkt ein: „Man machte einen Fehler, wenn man behauptete, man habe das Thema fest im Griff.“ Auch dem Thema des Updates von Fahrzeugsoftware über das Internet steht Tanneberger kritisch gegenüber. Mit einem Blick auf jüngste Ankündigungen vom US-Unternehmen Tesla sagt er: „Wir haben bisher keine Methode gefunden, die uns garantiert, dass Software-Uploads sicher funktionieren.“ Auf zwei Grundsätze bei Volkswagen weist Tanneberger hin: „Die Daten gehören unseren Kunden“. Und einen Datenverkauf à la Google schließt er für sein Unternehmen „kategorisch aus“.

Mirror-Link ist ein herstellerunabhängiger Standard. Doch hat Google inzwischen „Android Auto“ entwickelt, das aber über Mirror-Link eingebunden werden kann. Apple, ein Unternehmen das sich mit eigenen Standards gern als eine Insel im Markt bewegt hat – so Tanneberger – zugesagt, die VW-Entwickler noch in diesem Jahr in die Lage zu versetzen, auch „Apple Car Play“ auf Mirror-Link darstellen zu können. Ab Mitte kommenden Jahres soll das der Fall sein. Dann können alle Handy-Betriebssysteme mit dem Auto spielen.

Dann kann man all die nützlichen und unterhaltsamen Apps ins Auto holen, die sich für den Einsatz im Auto qualifiziert haben. Darunter sind auch solche, die US-Eltern offenbar besonders schätzen. Sie schickt an Papa oder Mama eine SMS, wenn die Junioren einen bestimmten, ihnen zugewiesenen Bezirk verlassen oder die eingestellte Höchstgeschwindigkeit überschritten haben. Aber zum App-Spektrum zählen auch der automatische Notruf E-Call ab 2017, den Volkswagen per Knopfdruck auch für Servicefunktionen nutzen will.

Ab 2018 sind bei Volkswagen alle Modelle onlinefähig. Man braucht keine große Phantasie, um sich vorzustellen, was App-Entwicklern bis dahin noch alles einfallen wird. Wie sagte ein Wolfsburger Manager zum Auftakt des Innovations-Workshops: In weniger Jahren ist ein Auto ohne Onlinefähigkeiten nicht mehr verkaufbar. Hier wird in den nächsten Jahren die Musik in der Autoindustrie spielen. Beim Hotspot auf Rädern treten die klassischen Automobilqualitäten möglichweise weiter in den Hintergrund. Das passt, so lange alle ihren Spaß an der Mobilität haben. (ampnet/Sm)

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: Das Sandwhich aus dünnen Blechen oben und unter mit einer Kunststofffolie spart Gewicht, zum Beispiel bei der Motorhaube des Volkswagen Rallye-Polo.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: 400-Nanometer-Folie hält Wärme draußen und drinnen.

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: Mit der App das wirtschaftliche Fahren trainieren.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen.

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: Die Inhalte können vom Tablet kommen oder über Mirror-Link zugesteuert werden.

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: Die Halterung fürs Tablet als Bildschirm fürs Infotainment oder als Arebeitsplatz.

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: Zehn Gänge sorgen in dem Doppelkupplungsgetriebe dafür, dass die Drehzahl stets niedrig bleibt.

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: 100 kW / 136 PS pro Liter schafft der Zwei-Liter-TDI.

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Volkswagen-Workshop zu Innovationen: Heckklappe öffnen ohne mit dem Fuß zu wedeln. Nähert sich der Fahrer mit dem Kessy-Schlüssel der Heckklappe, projiziert das System einen Fußabdruck auf die Fahrbahn, auf den der Fahrer treten muss, um die Klappe zu öffnen.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

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