Für alle Beteiligten bleibt dieser Abend unvergesslich in Erinnerung. Er trug sich im renommierten Hotel La Réserve am Lac Léman zu, an einem Montag vor dem alljährlich stattfindenden Genfer Automobilsalon. Der Bankett-Saal der Nobel-Herberge war gefüllt mit Journalisten aus aller Welt, vorne thronten die Spitzenmanager des GM-Konzerns und an einem anderen Tisch saß die Delegation des schwedischen Autoherstellers Saab. Die Amerikaner zeigten sich hocherfreut, als sie die Zusammenarbeit mit der Schweden-Marke im Rahmen eines Joint Venturea ankündigten, die Unternehmensanteile lagen je zur Hälfte bei Saab und General Motors. Während der Tischreden war es am Tisch der Skandinavier ohrenbetäubend still, mancher von ihnen weinte.
Es mag die Trauer über den Verlust der Eigenständigkeit gewesen sein, vielleicht aber auch nur ein dunkle Vorahnung, dass es mit der Allianz kein gutes Ende nehmen würde. Schließlich hatte der amerikanische Autokonzern im Lauf der Jahre mehr als ein Dutzend hochkarätiger Marken gekauft und übernommen, viele von ihnen wie Oldsmobile, Pontiac, Saturn oder Hummer wurden eingestellt oder verkauft. Dieses Schicksal sollte wissen – auch die Schweden ereilen. Möglicherweise waren die Diskrepanzen zu groß, als dass es zu einer vergnüglichen Zusammenarbeit hätte kommen können.
Wir erinnern uns an einen Besuch im Designzentrum bei Trollhättan in den 2010er-Jahren, als GM Saab mit umfangreichen markenübergreifenden Entwicklungen beauftragte. Auch Teile der Lancia- und Alfa-Romeo-Designer, mit denen es ebenfalls eine Kooperationsvereinbarung gab, waren vorübergehend dort stationiert. Beim Lunch in der Kantine teilte ein imaginärer Strich die Speisenden. Links herrschte Heiterkeit und lautstrake Diskussion, dort gab es Pasta und Merluzzo Provencale. Rechts herrschte Stille und die schweigende Mehrheit sättigte sich mit den traditionellen Köttbullar, Fleischbällchen.
Wie auch immer, 2010 verkaufte GM den schwedischen Hersteller wegen anhaltenden Misserfolgs an den niederländischen Hersteller Spyker Cars, im Sommer 2012 meldete die Marke Insolvenz an. Saab war Geschichte. 4,59 Millionen Autos wurden in der Zeit von der Gründung 1947 bis zum 19. Dezember 2011 gebaut, 2009 stellten 3500 Werker nur noch 40.000 Fahrzeuge her, 2011 war die Mitarbeiterzahl auf 330 gesunken, die 28.000 Auto produzierten. Im Frühjahr dieses Jahres hat dann auch das unter chinesischer Führung stehende Nachfolgeunternehmen NEVS (National Electric Vehicle Sweden) bekanntgegeben, keine weiteren Produkte mehr zu entwickeln.
Aber die Marke lebt weiter. Auf den Straßen Skandinaviens und in Amerika, wo immer noch eine vielköpfige Fangemeinde auf ihren Saab schwört, andere Fahrzeuge eher verachtet und sich durch einen gehobenen Lebensstil, ausgeprägtes kulturelles Interesse sowie eine Verbundenheit anderen Fahrern der Marke gegenüber empfindet. Zu ihrem Auto hätten sie eine etwa zehnmal größere Leidenschaft als ein durchschnittlicher VW-Fahrer, hat die Ruhr-Universität in Bochum herausgefunden.
Und das Andenken bewahrt das Saab Bilmuseum in Trollhätten, das in einem kleinen Teil der ehemaligen Werkshallen direkt am Kanal Äkers Sjö angesiedelt ist. Rund 120 Fahrzeuge zählen zur Sammlung, 70 davon sind in der permanenten Ausstellung zu sehen, darunter der „Ur-Saab“, der 92100 aus dem Jahr 1947, der für die damalige Zeit ein geradezu revolutionäres Design trug und eher an ein Flugzeug denn an ein Automobil erinnert. Was nicht verwundert, die Saab Automobil SA entstand aus einem Flugzeughersteller. In Serie ging er dann zwei Jahre später als Typ 92.
Im Lauf der Modellentwicklung über mehr als 60 Jahre wird eines schnell klar, die Stromlinie dominierte jede Neuentwicklung. Auch am letzten Modell, dem skulpturalen Saab 9-5 von 2010, war das zu erkennen. Zahlreiche Konzepte sind im Museum zu sehen, auch die automobilen Premieren, für die Saab immer wieder in die positiven Schlagzeilen geriet. Etwa der Seitenaufprallschutz, der ventilierte Sitz oder die Verlagerung des Zündschlosses von der Armaturentafel auf die Mittelkonsole. Letzteres erfolgte aus Gründen der Sicherheit, kein hartes Bauteil sollte die Beine des Fahrers bei einem Unfall gefährden.
Wettbewerbsfahrzeuge, mit denen nicht nur anhaltende Langstreckenrekorde aufgestellt wurden, sind zu bewundern aber auch Unikate wie der 93 „Monstret“, der mit seinen beiden gekoppelten Dreizylinder-Zweitaktmotoren nie zum Einsatz kam. Die 139 PS und 196 km/h Höchstgeschwindigkeit wären 1959 gewiss Siegesgarantien gewesen, allein das Rennreglement ließ derartig gewagte Kombinationen nicht zu.
Knapp zehn Euro kostet der Eintritt für Erwachsene, für Kinder sind fünf Euro zu zahlen. Es gibt eine Cafeteria und jede Menge, zumindest für zwei Stunden, kostenlose Parkplätze in direkter Umgebung. Geöffnet ist das Museum täglich außer an Montagen von 10 bis 17 Uhr. Für jeden autophilen Schwedenurlauber ist der Besuch ein Muss. (cen/mk)
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