Für die Testfahrt mit einem Subaru Outback ist wohl keine bessere Gegend denkbar als die kaum besiedelten Weiten des Northern Territory Australiens. Der Landstrich, der dem Allrad-Kombi seinen Namen gab, ist jedoch nur mit erheblichem Aufwand zu erreichen. Das „Outback“ Brandenburgs liegt dagegen nur rund 50 Kilometer von Berlins Mitte entfernt und hat selbstverständlich einen deutschen Namen: Verlorenort.
Die Orte „Amerika“ (in Schleswig-Holstein) oder „Transvaal“ (in Niedersachsen) wären sicher auch geeignete Ziele für eine Reise mit dem Outback gewesen, weniger empfehlenswert erscheinen „Grab“ (in Baden-Württemberg) oder „Hölle“ (in der Nähe von Wien). Und um sich verloren zu fühlen, braucht man die deutsche Hauptstadt eigentlich gar nicht zu verlassen, auch wenn echtes Outback da nicht wirklich zu finden ist. In Brandenburg ist das hingegen kein Problem. Das Bundesland ist nach Mecklenburg-Vorpommern das am dünnsten besiedelte, die Statistik spricht von 85 Einwohnern je Quadratkilometer.
Die Flur mit dem Namen Verlorenort ist 0,517 Quadratkilometer groß und gehört zur Gemeinde Hohenbruch. Aktuell sind hier zehn Einwohner gemeldet, das macht rechnerisch knapp 20 pro Quadratkilometer. Eine davon ist Doris Pachal. Sie steht in ihrem Garten und telefoniert, als ein schwarzer Kombi mit Friedberger Kennzeichen durch das Dorf fährt. „Durch“ das Dorf stimmt allerdings nur bedingt, denn die einzige asphaltierte Zufahrtsstraße endet in einer Sackgasse. Der Subaru wendet, ein Ereignis, das Doris Pachals Interesse weckt. Sie ist das, was man eine „Alteingesessene“ nennt. Abgesehen von einer 17-jährigen Unterbrechung hat sie immer hier gelebt, seit 1992 direkt gegenüber von ihrem Elternhaus.
Der Alte Fritz ist schuld
„Ich bin hier groß geworden und ich liebe diesen Ort“, sagt die 71-Jährige. Wie sehr, das kann man gegenüber ihres Hauses sehen. Die passionierte Natur-Fotografin hat sich praktisch selbst zur Heimatpflegerin erklärt und einen Infokasten mit Bildern vom Wild der Umgebung und einem Text bestückt, wie Verlorenort zu seinem Namen kam. Über Generationen wurde die Legende weitererzählt. Demnach habe der Alte Fritz persönlich einen Tross ansiedlungswilliger Holländer in die Mark geführt. Auf schlechter Strecke in unwegsamem Gelände seien zwei von ihnen unbemerkt vom Pferdewagen gefallen. Diese hätten dann beschlossen, ihr neues Leben an Ort und Stelle zu beginnen und nicht in „Neuholland“, was knapp 30 Kilometer entfernt liegt.
Die löcherige Schotterpiste zwischen Kremmen und Verlorenort ist für den Subaru keine Herausforderung. Der um fünf Zentimeter gewachsene Wagen verfügt neuerdings über 213 Millimeter Bodenfreiheit und sein Allradantrieb lässt ihn souverän an Kiefernhainen und Spargelfeldern vorbeigleiten. Der knapp 170 PS starke Boxermotor läuft in dieser 6. Outback-Generation etwas geschmeidiger und leiser als zuvor. Die simulierten Schaltvorgänge des CVT-Getriebes können freilich den Gummiband-Effekt beim Beschleunigen nicht ganz kaschieren. Mit dem jaulenden Hochdrehen des Motors bei raschen Überholvorgängen sollte man sich rechtzeitig anfreunden.
Das Navi des neuen Infotainment-Systems mit Hochkant-Bildschirm findet auch winzige Nester wie Verlorenort problemlos. Etwa 800 Meter vom Ortsschild entfernt trifft man auf eine eigentümliche Sehenswürdigkeit, über deren Entstehung nicht einmal Doris Pachal etwas sagen kann. Auch Andrea Busse ist ratlos, wenn es um den „Stiefelbaum“ geht. Die Leiterin des Tourismus-Informationspunktes in Kremmen kann nur mutmaßen, wann der Brauch begann. Bis in etwa fünf Meter Höhe ist der Stamm mit allerlei Schuhwerk behängt. Außer Gummistiefeln und Wanderschuhen sind Tennis-Treter, bunte Sneakers, Clogs oder Sandalen an abgebrochenen Ästen befestigt – Herkunft unbekannt.
Ohne Kirche, ohne Kneipe, ohne Konsum
Zuwachs für die Sammlung kann es nur noch mit Hilfe einer Leiter geben, zum Beispiel mit einer Teleskop-Stiege, die im zwei Meter tiefen Laderaum des Subarus sicher Platz fände. Mehr als 1800 Liter Volumen sind da nutzbar – zum Beispiel für den großen Monatseinkauf. „Man muss schon eine ordentliche Vorratswirtschaft betreiben“, sagt Doris Pachal, denn auch der „fliegende“ Bäcker hat schon vor Jahren seine Besuche in Verlorenort eingestellt. Eine Kirche oder einen Friedhof hat es dort nie gegeben, denn „so verloren liegt der Ort, dass selbst der Sensenmann ihn oft lange Zeit vergisst“. So steht es in einem 1921 erschienenen Bericht des Berliner Rektors Manke.
Erst 1955 erfolgte der Anschluss ans öffentliche Stromnetz, die Wasserversorgung wird noch heute über eigene Brunnen gewährleistet. Die letzte Geburt im Dorf wurde 1970 aktenkundig, einen gelben Briefkasten gibt es nicht und die nächste Bushaltstelle ist drei Kilometer entfernt. Die einzige Kneipe „Zu den zwei Linden“ hielt sich nach der Wende noch ein paar Jahre, ist aber schon lange geschlossen. Auch Andrea Busse erinnert sich gern an ihre Ausflüge als Kind dorthin, um „eine Limo und eine Bockwurst“ zu genießen.
Bewusst raus aus der Großstadt
Dass „bei Lucie“ manch wilde Party gefeiert wurde, weiß Jana Arnold nur vom Hörensagen. Sie ist zugezogen, lebt seit 2013 auf dem erworbenen Hof, der Wohngebäude, Stallungen und rund siebeneinhalb Hektar Land umfasst. Ihre Zelte am hektischen Prenzlauer Berg, wo sie zuvor wohnte, hat sie abgebrochen, lebt nun mit sechs Pferden, elf Schafen, vier Hühnern und einigen Katzen in dem winzigen Weiler. Sie interessiert sich für Autos, weshalb der Subaru Outback durchaus eine bekannte Größe für sie ist. Mit zwei Tonnen maximaler Anhängelast wäre er auch gut für einen Pferdetransporter zu gebrauchen.
Dass sie in die Einöde gezogen ist, hat sie keine Sekunde bereut. „Die bessere Lebensqualität als in der Großstadt wiegt manchen Nachteil der Abgeschiedenheit auf“, sagt die 51-Jährige, die täglich nach Berlin zum Arbeiten pendelt. Die schöne Landschaft und die tiefe Ruhe sind ihr wichtig, auch wenn sie nicht sicher ist, „ob ich das mit 70 auch noch so sehe“, und fügt gleich schmunzelnd hinzu: „Ich finde es einfach gut, wenn man freitags schon sehen kann, wer sonntags zu Besuch kommt“.
Am Wochenende kommen oft Radler und andere Ausflügler nach Verlorenort und rasten auf der Bank neben dem bunt bemalten Verteilerkasten des Energieversorgers. „Vielleicht könnte man eine Art Wartehäuschen für Radfahrer und Wanderer aufstellen, damit sie Schutz bei Regen haben“, schlägt Doris Pachal vor. Andrea Busse will das in der Gemeinde prüfen lassen. Aber ohne Auto, soviel ist sicher, läuft hier gar nichts, auch wenn es gegenwärtig keinen Subaru im brandenburgischen Outback gibt. (aum/afb)
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