Wenn die Teenage Mutant Ninja Turtles Autofans wären, hätte wohl jeder einen: Die Rede ist vom schnellsten japanischen Kompaktwagen, dem Civic Type R. Außen ähnlich wie ein Aventador geschlitzt liefert er augenscheinlich auf Aerodynamik ausgelegtes Design. Rollt dieses auch noch im babyblauen Metallic-Lack durch die Straßen, ist das in etwa so alltäglich wie ein Wolpertinger.
So geht gar eine ältere Dame an der ungewöhnlichen Landmarke auf dem Supermarktparkplatz vorbei und murmelt: „Och, der sieht aber schick aus“ in ihren Mundschutz. Nett. Kinderfinger zieht der Blech gewordene Tarnkappenbomber ebenfalls an als wären Magnete darin – aber auch eingefleischte Fans, die ihre Sympathie bekunden, stehen schnell neben dem Zapfhahn. Kommunikation ist alles, wenn es um Markenidentität geht. Chapeau.
Im Gestühl der Ahnen
Honda hat beim Interieur gleich mitgedacht und den Innenraum zu einem ebenfalls einzigartigen Erlebnis gemacht. Traditionell mit roten Sportsitzen und rotem Teppich bestückt, zollt er seinen Ahnen Tribut. Der Innenraum ist vorbildlich aufgeräumt und instinktiv nutzbar – sieht dabei aber auch spannend genug für den zweiten und dritten Blick aus. Das Herzstück der Kabine ist das Alcantara-Sportlenkrad, das dem Piloten je nach Modus mal mehr, mal weniger Achskräfte in die Hand legt. Schräg darunter der kurz geführte Schalthebel – ebenfalls im traditionellen Type-R-Design.
Gewöhnungsbedürftig wird es für Honda-Neulinge im japanischen Renner garantiert. Denn allein die Lenkradtasten im Design eines Luxus-Waschautomaten setzen ein Zeichen gegen den Einheitsbrei. Gleiches kann man vom Infotainmentsystem behaupten, das zwar einen guten Sound zaubert, sich bei der Bedienung aber etwas schwer tut. Aus Sicht eines Type-R-Käufers dürfte das reine Makulatur sein. Wer hier zugreift, will fahren und nicht fernsehen.
Dampfhammer mit Startschwierigkeiten
Mit 320 Pferdestärken bewaffnet zieht der intern als FK8 geführte Super-Civic eine ordentliche Schicht vom Teer. Das Vorderachsdifferential setzt die Kraft so gut in Traktion um, wie es bei einem Drehmoment von 450 Newtonmetern eben möglich ist. Um die Beschleunigungszeiten der Entwickler zu erreichen müssen optimale Bedingungen herrschen. Dazu gehört auch der Reifen, den sich Honda bei Partner Continental organisiert hat. Der Sport Contact 6 ist zwar ein ausgewogener Allround-Sportreifen, kann die Wut des Turboladers aber nicht ganz im Zaum halten. Käufer, die in den Genuss nahtlosen Vortriebs kommen wollen, greifen zum Semi-Slick oder lernen sensibler zu werden. Ab dem zweiten Gang keilt sich der Bolide ohnehin in den Teer.
In 18,5 Sekunden auf 200
Trotz seiner Anfahrschwäche können wir den Civic Type R in der GT-Ausstattung leicht bergauf in 18,5 Sekunden auf Tempo 200 km/h bringen. Bei 270 km/h erst endet der Vortrieb. Den Fahrspaß hat der Fahrer jedoch nicht nur dem munter hochjubelnden Turbomotor, sondern auch der knackigen Schaltung mit kurzen Wegen zu verdanken. Hier wird noch mit der Hand gearbeitet. Das automatische Zwischengas beim Herunterschalten würzt eine Rallyenote hinzu, die den Honda in seiner Klasse zu einem einzigartigen Erlebnis macht. Durch die hervorragende Isolation wird jedoch viel Sound aufgehalten, den der Motor eigentlich mitbringt. Auch die Abgasanlage klingt ungewohnt zivil, wenn man bedenkt, dass drei Rohre im Heck zuletzt Ruhm beim Ferrari F40 erlangten.
Querdynamisch auf der Überholspur
Doch kommt die Landstraße, ist alles vergessen: Einfach das Fahrprogamm R+ wählen und der Type R schneidet zügig gefahrene Kurven wie ein Ninjameister. Seine Spurtreue, seine Stabilität und die direkte Lenkung mit geringen Antriebseinflüssen sind das Ergebnis eines weisen Sensai. Eine solche Feder lässt sich auch im nahezu allgütigen adaptiven Fahrwerk erkennen, das bei egal welcher Geschwindigkeit Bodenwellen ebnet, aber die Rollbewegungen gekonnt rausnimmt. Selbst das hintere Teil des Turtlemobils legt sich mit in die Kurve und giert in sie hinein. Die Aerodynamik rundherum sowie am Unterboden tut ihr Übriges um dem Type R einen rennstreckentauglichen Anzug zu basteln.
Die Kür des Honda liegt also eindeutig in seinem sportiven Charakter. Optisch als Aventador der Kompaktwagenklasse aufgetischt, ist er ein Wolf im Wolfspelz: Der Fahrer bekommt, was der Betrachter sieht; und das ist ein ehrlicher Sportwagencharakter. Ob man einen Type R so nennen darf, entscheidet die Toleranz der Hecktrieblerfraktion. Fahrer eines BMW M140i jedenfalls können es mit dem Civic im Serienzustand nur längsdynamisch aufnehmen. Und das obwohl der Type R mit 1500 Kilogramm für seinen Frontantrieb abartig schwer ist.
Von Haus aus fertig
Der Type R hat das Werkzeug für die Rennstrecke schon an Bord. Auch die zweiteiligen Bremsscheiben, denen Festkolbensättel rundum zu Leibe rücken, überzeugen. Doch einen Klassenunterschied zum Heckantrieb gibt es selbstverständlich: Im Regen macht der Honda trotz mechanischer Sperre weniger Spaß. Hier hilft nur der Comfort-Modus, der übrigens auch bezüglich der Fahrwerkseinstellung für den Alltag und längere Strecken gut zu gebrauchen ist. Der Spritverbrauch kann hier in den Bereich um neun Liter sinken. Will man hingegen im R+-Modus die höchsten Ziffern vom Tacho ablesen, können es auch mal 20 Liter sein. „Turbo läuft, Turbo säuft“ wissen die Kenner – so ganz zeitgemäß ist das aber nicht.
Fazit: Sportwagenfans finden auch im Civic Type R ihr Mekka. Von Haus aus bringt der Honda das sportlichste Paket in seiner Preis- und Fahrzeugklasse mit. Das Fahrwerk überzeugt, der aufgeladene Vierzylinder läuft trotz knallharter Leistung seidenweich, nur an Sound fehlt es. Wer ein Komplettpaket aus geräumigem Alltagsspielzeug, Rennwagen und Turtlemobil sucht, erhält beim Type R eine bunte Verpackung die in jeder Disziplin hält, was sie verspricht – schöne Tage bei schönem Wetter. (ampnet/deg)
Daten Honda Civic Type R GT
Länge x Breite x Höhe (m): 4,56 x 1,88 x 1,43
Radstand (m): 2,70
Motor: R4-Benziner, 1996 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 235 kW / 320 PS bei 6500 U/min
Max. Drehmoment: 400 Nm bei 2500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 272 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,6 Sek.
Testverbrauch: 12,5 Liter
gesch. Realverbrauch: 9,5 Liter
Leergewicht / Zuladung: min. 1380 kg / max. 380 kg
Kofferraumvolumen: 420–760 Liter
Basispreis: 38.550 Euro
Testwagenpreis: 42.300 Euro
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