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Magna auf Eis: Von Superkräften und Schiffsdiesel-Drehmoment

Die bei Magna zeigen Mut. Sie nähern sich in frevelhafter Weise einem mit religiösem Eifer verehrten Tesla. Der internationale Zulieferer der Automobilindustrie riskiert es, mit einem Fluch belegt zu werden, weil er sich ein Model S vornimmt, um die Ikone der Elektromobilität voranzubringen, nicht nur bei Kraft und Effizienz, sondern erst recht beim Fahrverhalten. Was dabei herauskam, muss jetzt auf den zugefrorenen See-Teststrecken in Nordskandinavien zeigen, dass ein Serieneinsatz sinnvoll sein wird.

Magna teilt sich seinen See mit anderen Herstellern. Doch es sind weniger die in der Ferne auf dem See kreisenden getarnten Prototypen, die unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wir haben unser Thema direkt vor der Nase und wollen auf dem Eis erfahren, was die Menschen des Magna-Geschäftsbereichs Vehicles & Technologies Aktuelles anzubieten haben. Hier auf dem Eis bei Arjeplog bestiegen wir auch das Tesla Model S mit seiner lästerlich hässlichen Selbstbauschnauze, die das Eindringen von Schnee in den „Motor“-Raum vermeiden soll.

Diese sicherlich sinnvolle Vorrichtung ist die einzige sichtbare Veränderung an den Fahrzeugen, die für uns bereitstehen. Der Fortschritt findet unter dem Blech statt – meist völlig unspektakulär. Die Fahrleistungen des von Magna gepimpten Model S sind allerdings spektakulär. Die verdankt es seinen Achsen: Die elektrische Vorderachse leistet 140 kW / 190 PS für 60 Sekunden und für zehn Sekunden sogar 160 kW / 217 PS und liefert das sagenhafte Drehmoment von 3800 Newtonmetern (Nm). Die Hinterachse wird von zweien dieser Motoren angetrieben, was einem Gesamt-Drehmoment von 5000 Nm entspricht, das – wie bei allen E-Maschinen – bereits von der ersten Umdrehung des Motors ansteht.

Die drei Motoren zusammen bringen für den Technologieträge Model S also die Leistung eines Supersportwagens zusammen mit dem Drehmoment eines Schiffsdiesels. Natürlich sorgt die Verknüpfung der beiden Motoren mit einem mechanischen Differenzial fürs Torque Vectoring, für das Zuteilen des größeren Moments auf das kurvenäußere Rad. Auch die Vorderachse könnte von zwei Motoren angetrieben werden, die ebenfalls mit gesteuerten Momenten den perfekten Allradantrieb darstellen kann.

Mit 5000 Nm lassen sich auf der Handlingstrecke spektakuläre Drifts mit Schneewolke provozieren. Aber viel mehr beindruckte uns die „Automatik“-Schaltung des Antriebs, die auf dem Eis-Handlingskurs eine unglaublich hohe Geschwindigkeit erlaubte – und das mit gut beherrschbarem, nur sanften Druck des Hecks nach außen.

Eine Kupplung wird nicht benötigt. Die Motoren wandeln Bremsenergie in Strom um. Der Rotor des Motors ist flüssigkeitsgekühlt, ein Wärmetauscher ist nicht notwendig. Die Antriebsachsen selbst sind hoch integriert und eignen sich für den Einsatz in batterieelektrischen Fahrzeugen, Plugin-Hybriden oder Fahrzeugen mit Energieversorgung über Brennstoffzelle.

Eine elektrische Achse oder die anderen Systeme sinnvoll zu steuern, setzt eine Menge Sensorik, Elektronik und Software voraus. Was dann noch fehlt, ist die perfekte Abstimmung der Elemente. Die erreichen die Entwickler und Testfahrer am schnellsten auf Eis, weil sie der Glätte wegen nicht so schnell fahren müssen, um die gewünschten Effekte zu erzielen und die unerwünschten zu vermeiden. Deswegen ist der harte Winter die beliebteste Zeit für Entwickler und Testfahrer. So wurden Nordschweden und Nordfinnland zu ihrem Tummelplatz. Noch bis Ende März wird hier die Arbeit voranschreiten. Viele ziehen dann weiter in den Winter der Südhalbkugel. Dann wird zum Beispiel Neuseeland zu ihrem beliebten Reiseziel.

Vielleicht war dort auch schon das Flex4-Coupling and Disconnect-System von Magna in der Erporobung. Ziel des Systems ist ein bedarfsgerechter Allradantrieb bei verbesserten Verbrauchswerten. Um rund 0,3 Liter auf 100 km soll der Verbrauch sinken, wenn bei einem Frontantrieb die Hinterachse nur dann zugeschaltet ist, wenn dort Moment benötigt wird. Das allein bringt aber – Gerüchten anderer Automobilherstellern zum Trotz – nicht den erwarteten niedrigeren Verbrauch, weil die Welle und das Achsgetriebe weiter mitdrehen.

Es ist weniger die Masse, die unnütz bewegt werden muss, als die Reibung, die Leistung und damit Treibstoff schluckt. Beim Flex4-System wird die Welle mit einer Kupplung am Motor abgetrennt. Auch am Hinterachsgetriebe sitzt eine Kupplung, die das Getriebe aus dem „Spiel nimmt“, bis wieder der Allradantrieb gefordert wird. In 30 Millisekunden ist die Hinterachse wieder einsatzbereit.

Wir kennen das Systeme schon unter dem Namen „Quattro Ultra“-Technologie bei Audi. Erstmals im Audi A4 Allroads, dann beim Audi Q5 und jetzt auch bei den Audi A5/S5 – alle mit Vierzylindermotoren – konnten wir erleben, dass das Zuschalten der Hinterachse nicht zu spüren ist. Außerdem vermissten wir nie den Allradantrieb, weil die Elektronik in „vorauseilendem Gehorsam“ arbeitet, zum Beispiel beim Einlenken in schelle Kurven.

Jetzt zeigt Magna uns auch die Umkehrung des Audi-Systems auf den Heckantrieb mit einem BMW X3 als Beispiel. Hier wird das Moment für die Vorderachse hinter dem Getriebe vom Magna Ecomax-Abtrieb abgegriffen und am Motor vorbei nach vorn zum Flex4-Achsantrieb geführt. Beide Systeme sorgen auch in diessem Fall dafür, dass die Getriebe abgekuppelt werden und die Räder verbrauchsoptimal rollen. So wiederholten sich auch bei diesem Prototyp die Eindrücke mit der Audi-Technik.

Bereits in Serie bei den beiden Alfa-Modellen Giulia und Stelvio arbeitet ein ähnliches System für den Vortrieb der Vorderachse bei den beiden Hecktrieblern. Mit dem System bewiesen die beiden Alfas auf dem Eis und auf der Straße, dass sie an die große Tradition der Marken – nach langer Pause – wieder anschließen können. Das liegt nicht nur an der günstigen Achslastverteilung von 50:50, sondern auch den Magna-Systemen, die die Fahrdynamik auf schwierigem Untergrund in den Griff nehmen.

Einen guten Eindruck auf dem Eis hinterließen auch das Flex4-System im allradgetriebenen Volkswagen Golf R5 beim Torque Vectoring und das Doppelkupplungsgetriebe Getrag 7DCT300m mit seinen schnellen Schaltvorgängen und einem Anfahrverhalten, dass dem einer Automatik mit Wandler entspricht. Tiefer beeindruckt als die Optimierungen hat uns aber das Model X mit Magna-Inhalten. Mit ihm brachten die Runden auf Eis nicht nur das meiste Vergnügen, sondern auch weitesten Blick in die Zukunft.

Schade nur, dass es uns nicht gelang, weit genug von der Fahrbahn abzurutschen, um vom Puch Pinzgauer 6x6 von 1971 herausgezogen zu werden. Seinetwegen hätten wir die Systeme doch mal überfordern sollen. (ampnet/Sm)

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Magnas Tesla-Erprobungsträger mit Schneeschutz.

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Magnas Tesla-Erporbungsträger mit Schneeschutz.

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Magna Powertrain Elecric Axle Drive.

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Zwei Magna Powertrain Electric Drives als elektrische Hinterachse.

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Zwei Magna Powertrain Electric Drives als elektrische Hinterachse.

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Magna Twin Rear Drive Modul fürs Torque Vectoring.

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Magna Flex4: der "Freilauf".

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Magna Flex4: Die Kupplung.

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Magna Flex4-Antrieb für Reihenmotoren und Frontantireb: Beispiel Ultra-Technologie, erstmals beim Audi A4 Allroad.

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Puch Pinzgauer 6x6 von 1971.

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Puch Pinzgauer 6x6 von 1971.

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Puch Pinzgauer 6x6 von 1971.

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Puch Pinzgauer 6x6 von 1971.

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Die schöne Einsamkeit des polaren Winters: "Lebensraum" der Fahrzeugtester.

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Viel Platz zum Testen: die zugefrorenen Seen in Nordschweden.

Viel Platz zum Testen: die zugefrorenen Seen in Nordschweden.

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Spuren im Schnee.

Spuren im Schnee.

Foto: Auto-Medienportal.Net

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