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Kommentar: Honni soit qui mal y pense

"Ein Schelm, wer Böses dabei denkt." Die französische Inschrift auf dem englischen Hosenbandorden, mittlerweile gebräuchliche Redewendung bei unseren westlichen Nachbarn, fällt einem angesichts des Zulassungsstopps für bestimmte Mercedes-Neuwagen in Frankreich auf Anhieb ein. Seit Anfang Juli darf Mercedes die A- und B-Klasse sowie die Baureihe SL zwar in Frankreich verkaufen, ein Nummernschild und damit die Freigabe für die Straße gibt es für die Modelle aber vorerst nicht.

Französische Zulassungsbehörden verweigern nämlich beharrlich die Anerkennung der vom deutschen Kraftfahrtbundesamt erteilten erweiterten Typgenehmigung für diese Fahrzeuge, wie sie sagen, aus Gründen des Umweltschutzes und wegen der Umgehung europäischer Vorschriften. Denn zunächst hatte Mercedes die Autos als Neukonstruktionen eingestuft und entsprechende Typprüfungen durchführen lassen, später aber die Anträge zurückgezogen und A-, B- und SL-Klasse als Weiterentwicklung ihrer Vorgänger deklariert. Auf diese Weise erreichten die Stuttgarter, dass sie die Klimaanlagen der betreffenden Wagen mit dem von der EU für alle nach dem 1. Januar 2011neu vorgestellten Fahrzeuge verbotenen Kühlmittel R123a ausrüsten durften. Mercedes hält die neue, zulässige und klimaschonendere Substanz mit der Bezeichnung R1234yf für extrem brandgefährlich.

Dass die Haltung der Franzosen von der EU-Kommission mit Beifall bedacht wurde, ist aus Brüsseler Sicht verständlich. Die Kommission prüfe Daimlers Vorgehensweise, ist von Kommissionssprecher Carlo Corazza zu hören, gegebenenfalls werde es zu Gegenmaßnahmen kommen. Industriekommissar Antonio Tajani droht Deutschland bereits seit Monaten wegen des Streits mit einem Vertragsverletzungsverfahren. Im Bundestag wird die französische Haltung auch als Rache für die jüngste Blockade Deutschlands bei der Verschärfung der CO2-Emissionen von Neuwagen ab 2020 eingeschätzt.

Gerüchte besagen, auch Italien sympathisiere mit dem französischen Boykott. Doch noch steht Frankreich mit der Zulassungsblockade in der EU noch allein da. "Soweit wir wissen, erkennen alle anderen Länder das Verhalten des KBA an", ist aus Stuttgart zu hören. Dabei geht es für die Schwaben um rund 30 000 Autos, denen die französische Zulassungsstempel verweigert werden.

Möglicherweise jedoch wollen die Franzosen auch anderen Konkurrenten aus Deutschland in die Parade fahren. Dass hierzulande kein Hersteller mehr seit dem 1. Januar 2011 ein neu konstruiertes Fahrzeug dem Kraftfahrtbundesamt zur Typprüfung vorgestellt hat, ist ihnen mehr als nur ein Dorn im Auge: Der neue VW Golf: eine Weiterentwicklung des Vorgängermodells. Die neue S-Klasse von Mercedes: dito. Und auch die Neuheiten von BMW: Alles Weiterentwicklungen ihrer Vorgänger.

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Ein zweistelliges Absatzminus beklagen die französischen Autokonzerne Renault und Peugeot/Citroen auf dem einheimischen Markt seit Monaten - besonders in der Kompaktklasse. Fiat sieht sich in derselben Position. Die Konkurrenz aus dem Ausland, so die Meinung der Mehrheit, soll gefälligst zu Hause bleiben.
Umweltschutz? Befolgung Brüsseler Vorschriften? Honni soit qui mal y pense, obwohl ein freier Markt und Wettbewerb zu den Grundlagen der Europäischen Union gehören. (ampnet/Sm)


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