Der Herbst kam wahrlich golden daher, was also liegt näher, als das Reisemobil vollzutanken und sich auf den Weg zu einer der attraktivsten Destinationen für Camper zu machen, Südtirol und das Trentino? Die beiden italienischen Alpen-Provinzen eint und teilt Vieles. In Südtirol wird, meist, Deutsch gesprochen, im Trentino, vornehmlich, Italienisch. Die endlosen Apfel-Plantagen und aufgezeilten Weinreben sind Markenzeichen in beiden Regionen, kühne Berggipfel und mächtige Massive ebenso. Aber da wie immer der Weg das Zeil ist, stoppen wir zunächst in Erlangen auf dem Campingplatz Dechsenendorfer Weiher, der seit 1964 vom Campingclub Rangau betrieben wird, die Sanitäranlagen sind neueren Datums, insgesamt ist die Ausstattung solide und die Erreichbarkeit von der A 3 aus gut.
Nach einem opulenten Abendessen mit türkischem Einschlag im ortsansässigen Restaurant und einer ruhigen Nacht geht es weiter tief hinein nach Mittelfranken. In Ellingen liegt eine der schönsten Golfanlagen Bayerns, für Wohnmobilcamper ist die Destination nicht weniger interessant. Zehn Euro kostet der parzellierte Schotter-Stellplatz, 16 davon gibt es insgesamt. Strom und Wasserverbrauch wird zu moderaten Preisen gesondert abgerechnet, auch im Club-Bistro gibt es den Flammkuchen oder die Weißwürste für vergleichsweise kleines Geld. Der Platz ist von April bis November geöffnet, also ein idealer Halt für unsere Südtirol-Anreise. Die Benutzung der pikfeinen Sanitäranlage ist im Preis inbegriffen, woher so viel Willkommenskultur für Reisemobilurlauber? Die Betreiberin, Marie-Therese Einender aus Genf, will Camper zum Golfen animieren. „Mein Mann hat außerdem selbst ein Wohnmobil und macht damit Ausflüge“, sagt sie, „der weiß, was die mobilen Gäste brauchen.“
Kurz ist die Weiterfahrt nach Weißenburg an der Donau mit seinem historischen Ortskern, dann nach Treuchtlingen. Für das Wohnmobilcamp am Kurpark gilt ein eher ungewöhnliches Anmelderitual. Das findet nicht am Eingang der 91 Stellplätze umfassenden Anlage statt sondern in einer rund 200 Meter entfernten Shell-Tankstelle. Der Empfang ist professionell, und funktional. Es gibt eine Gästekarte, mit der sich der Eintritt in die benachbarte Therme vergünstigt und ein Schloss mit Schlüssel, mit dem sich das „Reserviert“-Schildchen am Nummern-Pfahl des ausgewählten Stellplatzes befestigen lässt. Dies sollte der Camper in Treuchtlingen unverzüglich anbringen und nicht ,wie wir, erst noch eine Runde durch den naheliegenden Supermarkt drehen. Denn so manch anderer Zeitgenosse missachtet die Hinweisschilder auf die Tankstelle und nimmt einen Platz nach Gutdünken in Beschlag. Was dann unweigerlich zu Verdruss führt, wenn ein Camper mit Buchung nach kurzem Spaziergang und erkenntnisreich mit der Lizenz zum Umparken zurückkehrt.
Unvergessliches Panorama
Die nächste Nacht gestaltet sich unkomplizierter. Die Fahrt geht weiter nach Südtirol, über Kufstein, Innsbruck und Sterzing erreichen wir die Stadt Klausen, tief im Tal der Eisack, von wo aus sich eine gewundene Straße hinauf in die Gemeinde Feldthurns schraubt. Ist der Dolomitenblick schon hier phantastisch, wartet auf dem nochmals einige 100 Meter höher über dem Bergdorf liegenden Glangerhof ein unvergessliches Panorama. Die runde Kuppe der 2562 Meter hohen Plose, Brixens Hausberg, die Geislerspitzen der Odler-Gruppe und im Süden schließlich der mythische Schlern, auf dem heute noch zur Sonnenwende die Feuer lodern und so manch ein Hexlein aus dem Tal den Besen gegen die Wanderschuhe getauscht hat, reihen sich östlich des Eisacktals auf. Martin und Cornelia Oberhofer bewirtschaften den mehr als 600 Jahre alten Hof mittlerweile in der dritten Generation, berühmt ist der Buschenschank für seine Törggelen-Abende im Herbst. Törggelen leitet sich vom Südtiroler Begriff Torggl für die Weinpresse ab, denn getörggelt wird während und nach der Weinlese. Das Kraut, der Speck, der Wein und auch die Musik sind beim Glangerwirt selbstgemacht, nicht nur die Reisegruppe aus Recklinghausen findet das toll und zünftig, auch die Einheimischen kommen aus dem Tal herauf, um diese so gastliche Südtiroler Tradition zu pflegen. Der Stellplatz bietet nichts als Ruhe und Aussicht und kann gegen eine kleine Spende von etwa zehn Euro genutzt werden, Frühstück gibt’s ab zehn Uhr auf der Sonnenterrasse (Guln 37, 39040 Feldturns, Telefon 0039 320 326 1124).
Vom Eisack- fahren wir ins Etschtal. Dort brummt der Tourismus und die Stellplätze sind rappelvoll. Schön sind die beiden Camps in Terlan (29 Euro) und Nals (26 Euro), letzterer wird vom Inhaber eines Fahrradladens betrieben, E-Bikes stehen zum Mieten bereit. Ausflüge nach Meran und Bozen bieten sich hier an, aber auch die Tour ins Ultental mit seinen ursprünglichen Höfen und Almen ist unbedingt zu empfehlen.
Es geht weiter über den leicht zu bewältigenden Gampen-Pass (1518 Meter) um nach der liebreizenden Alpenstrecke wieder hinunterzutauchen ins Tal, diesmal ins Val di Sole, das parallel und südlich zum Südtiroler Vinschgau verläuft, nur eben ein ganzes Stück italienischer ist. Die Grenze zum Trentino haben wir überquert, der Espresso kostet 50 Cent weniger und vor uns liegt eine weitere Passstrecke. Diesmal führt sie über den 1882 Meter hohen Passo del Tonale, der als Namenspate für das Alfa-Romeo-SUV Tonale herhalten musste. Spätestens jetzt zeigt sich, dass die Wahl unseres Reisemobils nicht ganz falsch war. Der teilintegrierte Benimar Yrteo 861 ist mit 2,14 Metern kaum breiter als ein ausgebauter Kastenwagen, die Begegnung mit Bussen und Sattelschleppern im Gegenverkehr verliert so trotz der schmalen Straße ihren Schrecken.
Himmlische Ruhe
Im Val di Pejo, einem seitlichen Tal zum Val di Sole stoßen wir auf die bizarre Welt des Skizirkus jenseits der Saison. Im Sommer wandern hier italienische Familien zu hunderten in die Berge, im Winter lassen sie sich von den Lift- und Seilbahnanlagen nach oben tragen. Dazwischen aber gibt es nichts. Die Restaurants sind zu, mit Glück gibt es eine Bar, die einen Cappuccino der Extraklasse serviert. Auf dem gleichnamigen, komfortablen Campingplatz herrscht himmlische Ruhe, er ist in dieser Jahreszeit trotz herrlichen Wetters nur sehr mäßig besucht. Eine Wanderung in das höher gelegene Dorf Pejo Therme führt zur Mineralquelle Aqua Pejo, neben dem saisonalen Skibetrieb einer der wichtigsten Arbeitgeber der Region. Wer gut hinsieht, entdeckt an den Hängen Hirsche, Steinböcke und Gemsen, Bergidyll pur.
Aber wir wollen nicht lange rasten, die Fahrt soll wieder Richtung Norden in den Vinschgau führen. Dafür gilt es, das Stilfser Joch, den 2758 Meter hohen Passo dello Stelvio, zu überwinden (auch wieder ein Namensgeber für einen Alfa und eine Moto Guzzi), er ist nach dem Col d’Iseran in Frankreich der zweithöchste Pass in den Alpen. Was mit einem gut sieben Meter langen Wohnmobil nicht unlösbar, aber auch nicht auf die leichte Schulter zu nehmen ist. Vor allem die 48 Spitzkehren auf der Südtiroler Seite fordern Konzentration, dreimal haben wir die Haarnadelkurve zu lässig angefahren und mussten zurücksetzen. Was entgegenkommende Motorradfahrer nicht gerade begeistert, denn die Sonne neigt sich arg dem Horizont entgegen. Und das heißt in dieser Höhe: Es wird im Herbst schon früh empfindlich kalt.
Warm wird es jedoch bald wieder im wohltemperierten Wasser des Schwimmbades des Campingplatz Sägemühle in Stilfs. Hier wird jedweder Komfort und Luxus geboten, auch das Restaurant am Platz genügt gehobenen Ansprüchen. Allerdings auch zu gehobenen Preisen. Während die zwei Nächte auf dem auch gut ausgestatteten Campingplatz Val di Sole in Pejo 50 Euro gekostet haben, zahlen wir beim Sägewerk für eine Übernachtung fünf Euro mehr.
Beschwerden von Gästen
Wenige Kilometer weiter ist die Gemeinde Laas berühmt für ihre Kirchturmuhr, die unentwegt die Stunden schlägt, auch die halben und viertel akustisch mitteilt. Zumindest beschweren sich einige Gäste des Campingplatz Baderhof darüber, wirklich störend ist das nicht, zumal das Schlagwerk von Mitternacht bis in die Morgenstunden Ruhe hält. Wie auch immer, wahren Ruhm hat die Vinschgauer Gemeinde durch ihre Marmor-Vorkommen bekommen. Das reinweiße Gestein wird etwa 500 Meter oberhalb der Talsohle aus dem Berg geholt und wurde noch bis 1991 mit einem gigantischen Schrägaufzug nach unten zur Weiterbearbeitung gebracht. Aus Sicherheitsgründen transportieren heute Lastwagen die tonnenschweren Gesteinsbrocken. Der Lasa Marmo, so die italienische Bezeichnung, schmückt nicht nur Bauwerke im Vatikan, Berlin oder London, auch die wiedererbaute U-Bahn-Station auf Ground Zero, unterhalb des zerstörten World Trade Center, schmückt der blendend weiße Marmor aus Südtirol.
1330 Euro kostet ein zwei Zentimeter dicker Quadratmeter des weißen Goldes, das nicht im Tagebau, sondern im Grubenbetrieb gewonnen wird. Auf Tuchfühlung mit dem edlen Material kann man bei den etwa sieben Stunden dauernden geführten Touren gehen, die jeweils mittwochs angeboten werden und 54 Euro kosten. „Marmor light“ gibt es für weniger trittsichere Besucher auf dem Betriebsgelände im Tal, das dauert zwei Stunden und kostet elf Euro. Eine Filmvorführung ersetzt hierbei den Ausflug 500 Meter hinauf in das Abbaugebiet Weißwasserbruch (Anmeldung unter 0039 347 40 95 404). Aber noch eine andere Attraktion findet sich in der beschaulichen Gemeinde inmitten des Vinschgaus. Das Laaser Kraut gilt nicht nur unter Profi-Köchen als Spezialität, kaum ein Tourist verlässt den Ort ohne wenigstens eine der Glaskonserven mit dem fermentierten Weißkohl im Gepäck. Bei der heimischen Weiterverarbeitung des hochwertigen Produkts ist auf die angemessene Zuführung von Kümmel zu achten, heißt es. Der soll zuverlässig gegen die drohenden Flatulenzen wirken.
Die Rückreise naht, wie immer droht an Wochenenden übermäßiger Verkehr auf der Brennerautobahn und der Fernpassstraße mit langen Staus, Blockabfertigung und Verzögerungen. Die lassen sich jedoch vermeiden. Wir fahren am Freitagabend nach Imst in Tirol und machen im Campingpark Fink Quartier (Tel. 0043 5412 662 93). Hier gibt es am Ortsrand des historischen Verkehrsknotens guten Komfort zu moderaten Preisen und eine Empfehlung für das Restaurant Hirschen in fußläufiger Entfernung. Am nächsten Morgen starten wir kurz vor 9 Uhr, die ehemalige Via Claudia Augusta ist mäßig befahren, ohne Zwangsstopp kommen wir über den Pass und lassen das Nadelöhr, den Grenztunnel bei Reutte, hinter uns. Erst viel später, zwischen Ulm und Stuttgart, melden die Verkehrsnachrichten, dass es auf der Fernpassstraße zu gut einer Stunde Wartezeit kommt.
Die Tour war ebenso entspannend wie erlebnisreich, die Herzlichkeit der Gastgeber immer präsent. Aber auch wenn sich die Infrastruktur des alpinen Hotspot für Camper deutlich verbessert, ohne Anmeldung oder Reservierung sollte man kein Tagesziel anfahren. (aum)
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