Café Racer erfreuen sich seit einiger Zeit im Zuge des Retrotrends bei Motorradfahrern wieder größerer Beliebtheit. Das Angebot an enstprechenden Serienfahrzeugen reicht von der neuen BMW R Nine T Racer über den Trendsetter Triumph Thruxton bis hin zur überaus nostalgischen Royal Enfield Continental GT. Wer diese Motorräder allerdings in dem Buch „Café Racer“ von Michael Lichter und Paul D'Orleans sucht, der sucht vergeblich.
Das mit „Speed, Style und Stories“ untertitelte Werk widmet sich zwar der Entstehungsgeschichte der Rennmotorräder für die Straße, aber nicht den aktuellen Serienmaschinen. Textlich geht es zwar um die Entwicklung dieser Motorradgattung und kommen auch exemplarische Serienexponate aus mehreren Jahrzehnten zur Sprache, bildlich dreht es sich aber so gut wie ausschließlich um exquisite Einzelstücke mal mehr, mal weniger bekannter Tuner.
Die Brooklands Road Special von Norton aus dem Jahre 1916 wird von Autor Paul d'Orléans als erster Café Racer identifiziert, der sich die späteren Clubman-Modelle bis in die 1950er-Jahre anschließen. Sie alle boten einen Hauch Rennsport für die Straße. Die Blütezeit folgte dann Ende der 50er- und Anfang der 60er-Jahre mit den britischen Bikern, die an ihren Serienmaschinen die Fußrasten nach hinten und den Lenker nach unten legten, Höckersitzbänke und Lampenverkleidungen montierten. Dass sie lieber auf der Schnellstraße als auf der Renstrecke dem Temporausch verfielen und sich in Cafés trafen, prägte den populären Begriff, der zunächst eigentlich ein verächtliches Slang-Wort war. Doch die Szene blühte und brachte zum Beispiel die in Kleinserie gefertigte Norton Dunstall hervor, die mit 209 km/h im Jahre 1967 als schnellstes Straßenmotorrad galt. Rickman und Metisse sind weitere klangvolle Namen dieser Epoche.
Mit dem langsamen Niedergang der einst ruhmreichen englischen Motorradindustrie griffen dann in den 1970er-Jahren die Italiener das Thema auf und schufen legendäre Maschinen wie die Ducati 750 Super Sport, die Laverda 750 SF oder die Moto Guzzi 850 Le Mans. Selbst BMW griff mit der R 90 S den Café-Racer-Gedanken auf und schuf ebenfalls eine Motorrad-Ikone. Als Ausgangsbasis für private Umbauten boten sich dagegen immer mehr die japanischen Motorräder an, die günstig zu haben waren. Mit der Punk-Bewegung setzte sich die Café-Racer-Kultur dann in eingeschworenen Motorradclubs fort, ehe ihr Gedanke 2004 mit der Thruxton von Triumph zum massentauglichen Retrophänomen avancierte.
„Café Racer“ ist aber vor allem ein Bilderbuch. Michael Lichter hat einige Originale aus den 1960er-Jahren und viele, viele moderne Café-Racer-Kreationen ins rechte Licht gerückt. Die präsentierten Maschinen werden in kurzen, eher poetisch, denn technisch geprägten Sätzen skizziert und faszinieren durch ihre ganz eigene Ästhetik. Beeindruckend ist vor allem die Bandbreite der Ideen, die sich in so unterschiedlichen Ergebnissen wie einer 1965er-BSA von Speed Shop Design im Art-déco-Stil über die Flash von Chabott Engineering auf Ducati-Basis bis hin zur umgebauten Harley-Davidson XR 1000 namens NessCafe von Arlen Ness niederschlägt. Und wo kann man schon einmal eine Godet-Egli-Vincent oder Velocette Thruxton von 1970 in voller Pracht bewundern?
Leser des aus dem Englischen übersetzten Buchs dürften zudem überrascht sein, wie viele der gezeigten Motorräder aus Deutschland stammen – exemplarisch sei hier nur die Kaffeemaschine 19 genannt, eine umgebaute Moto Guzzi aus Hamburg.
„Café Racer – Speed, Style und Storys“ von Michael Lichter und Paul d'Orléans ist im Delius-Klasing-Verlag erschienen. Das Buch hat 224 Seiten mit 268 Farbfotos und kostet 49,95 Euro. (ampnet/jri)
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