Die Zukunft der Mobilität hat einen neuen Namen: Faraday Future. Der mysteriöse Neuling, der aus dem Nichts kommt, um die Automobilindustrie zu revolutionieren, präsentierte sich gestern zu Beginn der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas (–9.1.2016) mit einem durchaus konventionellen Auftritt seinem internationalen Publikum. Wer in der Welthauptstadt der Unterhaltung eine glamouröse Show mit Licht- und Lasereffekten einschließlich eines Kurzauftritts eines Stars wie Céline Dion erwartet hatte, wurde enttäuscht. Die Vertreter von Faraday Future, kurz FF, traten im klassischen Grau auf und versprachen aber nichts weniger als die komplette Neuausrichtung der Automobilität. Und nachdem die Probleme mit dem störrischen Teleprompter gelöst waren, konnte die Reise in die automobile Zukunft beginnen.
„Wir verstehen uns weniger als klassischen Automobilhersteller, sondern als Technologie-Unternehmen“, erklärte der ehemalige Jaguar-, Lotus- und Tesla-Manager Nick Sampson, der nun bei FF die Abteilung Entwicklung und Forschung leitet. „Wir sind angetreten, um die Bedeutung der Mobilität für die Menschen heute und morgen zu überdenken. Wir brauchen dafür keine 100-jährige Tradition im Automobilbau. Wir haben ein ausgezeichnetes Team und sind viel schneller als alle anderen Hersteller.“ Die Zukunft aus FF-Sicht rollt demnächst autonom und elektrisch über die Straßen. Als Vorbild für die künftige Marschrichtung zitierte Sampson die Vorstellung des ersten I-Phone von Apple vor genau neun Jahren. So wie Apple damals die Welt der Kommunikation auf den Kopf gestellt hat, möchte auch Faraday die mobile Welt neu definieren. Dabei denkt der künftige Hersteller nicht nur an den Verkauf von Automobilen, sondern auch an Modelle wie Carsharing, um die Umweltbelastung durch den Verkehr zu senken.
Hinter dem selbstbewussten Neuling steht der chinesische Medienkonzern LeTV, dessen Mitgründer Ding Lei früher beim staatlichen chinesischen Automobilkonzern SAIC die Produktion von 3000 Automobilen täglich verantwortete. Was ihm offensichtlich, wie er auf der Bühne in Las Vegas gestand, ein schlechtes Gewissen bereitet. „Ich will heute der Umwelt etwas zurückgeben, indem ich eine umweltschonende Form der Mobilität verantworte.“ Inzwischen arbeiten weltweit 750 Menschen an der Verwirklichung dieses Vorhabens.
Basis dieser umweltschonenden Art der Fortbewegung ist eine von FF entwickelte Plattform, auf der sich „alle erdenklichen Modelle und Antriebsformen realisieren lassen“, so Chefentwickler Sampson. Bei der sogenannten Variable Plattform Architecture (VPA) liegen die Batterien tief im Wagenboden. Je nach Bedarf kann die Zahl der Akkupacks den Leistungsanforderungen angepasst werden, ohne dass die Struktur von Front und Heck verändert werden muss. Gleichzeitig können dank des flexiblen Aufbaus auch alle Antriebsformen – von Front- über Heck- bis zum Allradantrieb – realisiert werden. Auch der Einbau von bis zu drei Motoren ist, so verspricht Sampson, ohne Probleme möglich. Dank dieser Plattformtechnologie sollen in den kommenden Jahren in kurzer Abfolge bis zu sieben Modelle auf den Markt rollen.
Für das Design der Fahrzeuge ist Richard Kim verantwortlich, der bereits als Kreativer an der Form der BMW-E-Modelle i3 und i8 sowie dem i8-Roadster-Konzept beteiligt war. „Wir können dank VPA Modelle in allen Segmenten auf den Markt bringen“, erklärte Kim in Las Vegas und enthüllte seine erste Schöpfung als Faraday-Chefdesigner. Der FF Zero 1 Concept „ist kein klassischer Konzeptwagen, sondern vielmehr ein Wagen der Konzepte, ein elektrisch angetriebener Traumwagen“, beschreibt Kim den flachen Prototypen, bei dem an der einen oder anderen Stelle Anleihen am BMW i8 nicht zu übersehen sind. „Wir haben den FF Zero von innen nach außen entwickelt. Der Fahrer sitzt in einem nach den Vorstellungen der Nasa entwickelten Sitz in einem 45 Grad-Winkel hinter dem Lenkrad, in dem ein Smartphone integriert ist“, so Kim. Natürlich ist der 1000 PS starke Einsitzer für autonomes Fahren ausgelegt und ständig online. „Unser FF Zero ist eigentlich ein Tablet auf Rädern“, beschreibt Kim den Flachmann. Auch wenn der 320 km/h schnelle FF Zero 1 keine Zukunft hat, so werden doch Designdetails bei den Serienmodellen wieder auftauchen. „Teile der Seitenansicht werden wir bei den Serienmodellen übernehmen.“
Produziert werden die ersten Faraday-Modelle in einer neuen Fabrik in North Las Vegas. „In wenigen Wochen werden wir dort den Grundstein für unser erstes Werk legen“, kündigt Sampson an. Subventioniert wird die Anlage vom US-Bundesstaat Nevada – offensichtlich denken auch Zukunftsunternehmen in handfesten gegenwärtigen Kategorein, wenn es um Finanzen geht. Diese erste Fabrik ist allerdings erst der Auftakt für ein globales Fertigungsnetz. Zu den Faraday-Stützpunkten wird auch Deutschland gehören. Nach Informationen der Tageszeitung „Die Welt“ plant das Unternehmen die Gründung einer Niederlassung in Düsseldorf. (ampnet/ww)
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