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Glosse: Sabotage im Achtermann

Viele werden sich noch an Dr. Rudi Mentär, den Altmeister der spitzen Feder und der launigen Betrachtungen zu Autos, Reisen und Hotels erinnern. Jetzt schreibt er wieder – für das „Auto-Medienportal“. Hier sein erster Beitrag:

Totale Ernsthaftigkeit zeichnet schon seit Jahrzehnten die Goslarer Verkehrsgerichtstage aus, die jeweils Ende Januar ihr Füllhorn an Korrekturvorschlägen des Verkehrsrechts über die Deutschen entleeren. Das war nicht immer so.

Juristengesang erscholl noch in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in klirrend kalter Winternacht auf dem Marktplatz der ehrwürdigen Kaiserstadt am Harzrand vor dem historischen Hotel "Kaiserworth", in dem die Honoratioren des Verkehrsgerichtstages standesgemäß logierten. Studentenlieder und Schlimmeres erklang da zu Füßen der hölzernen Ritter an der Hotelfront, die Heinrich Heine in seiner "Harzreise" als "gebratene Universitätspedelle" klassifizierte - eine Berufsbezeichnung, die die Geharnischten nie wieder loswurden.

Über das, was da in Konkurrenz zum Viertelstundenschlag der Marktkirchenuhr hörbar wurde, könnte hier im einzelnen berichtet werden, soll aber aus Gründen des Anstands geschwiegen werden. Jedenfalls heizte da ein stimmgewaltiger Chor offenbar trinkfester junger Staatsanwälte seinen Vordenkern hinter den Gardinen der Hotelfenster so ein, dass tags drauf hochnotpeinliche Verhöre am Platze schienen. Freilich kam wenig dabei heraus und jedenfalls nichts Aktenkundiges - die Schadensfreude in der Öffentlichkeit wäre viel größer gewesen als der Nutzen.

Schlimmer als dieser staatsanwaltliche Eingriff in die Nachtruhe juristischer Koryphäen war da schon eine Art Sabotageakt an einem Verkehrsgerichtstag. Am Morgen des ersten Beratungstages der Arbeitskreise verwandelten sich Hunderte von Tagungsteilnehmer in den weitläufigen verwinkelten Korridoren des burgähnlichen, im Mittelalter verwurzelten Tagungshotels "Der Achtermann" gleich nach dem Frühstück auf dem Weg zu ihren Beratungsräumen in eine Art Ameisenhaufen. Das ansehnliche Aufgebot an Sicherheitskräften überkam schon Unruhe, weil die Verkehrssicherheit im Tagungshotel nicht mehr gewährleistet war.

Dort folgten Richter, Staats- und sonstige Anwälte mitsamt allerlei Sachverständigen vertrauensvoll den Pfeilen, die zu den zehn Arbeitsgruppenquartieren führen sollten, bis das Vertrauen zusammenbrach. Eine Meute von weit über hundert Juristen und Juristinnen geriet sogar in peinliche Körperkontakte, drängelte und schob sich und andere durch enge Gänge zu einer maximal zehn Damen oder Herren fassenden Klause. Die fünf Richter und Anwälte dagegen, die sich mit dem Recht der deutschen Binnenschifffahrt befassen wollten, hockten vereinsamt in einem Saal mit Platz für 200 Personen.

Die Tagung begann schließlich mit zwei Stunden Verspätung. Eine ad hoc zusätzlich gebildete Arbeitsgruppe machte sich auf die Suche nach den Übeltätern, die nächtens sämtliche Pfeile mit den Wegweisungen im Tagungshotel so vertauscht hatten, dass die gewünschte totale Verwirrung erreicht wurde. Die Arbeitsgruppe vermutete zunächst die Schlaraffen als Übeltäter, die im "Achtermann" ihre "Burg" hatten, kam aber am Ende zu dem Ergebnis, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen perfiden altgedienten Verkehrsgerichtstagsteilnehmer handeln müsse, der sich sowohl im Hause als auch im Organisationsspektrum der Tagung perfekt auskenne.

Auch das war nicht die richtige Spur.

Der Lokalredaktion der "Goslarschen Zeitung" allerdings gelang die Identifikation des Täters. Die hielt es für zweckmäßig, ihr Wissen zu verschweigen. (ampnet/rm)

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