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Der Fahrradboom hat auch seine Schattenseiten

Corona hat der Fahrradbranche in Deutschland Verkaufsrekorde beschert. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) meldete für das erste Halbjahr einen Verkauf von 3,2 Millionen Fahrrädern, was ein Plus von 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum bedeutet. Und das, obwohl die meisten Radläden ihren Verkauf im März und April schließen mussten. Albert Herresthal vom Verbund Service und Fahrrad (VSF) berichtet gar von einem Umsatzplus von gut 50 Prozent für Fahrradfachhändler laut Fachhandelsbarometer. Wird es im nächsten Jahr so weitergehen?

Im April und Mai wurden die Radläden in Deutschland förmlich überrannt. In der Branche herrscht laut Pressedienst Fahrrad auch für die Zukunft Optimismus. Doch es gibt auch Probleme, denn es geht nicht nur ums Verkaufen allein. Etwas sorgenvoll blickt Albert Herresthal für nächstes Jahr auf die Liefersituation. Auch Stefan Reisinger, Bereichsleiter der in diesem Jahr wegen Corona abgesagten Fachmesse Eurobike, sieht die Situation ähnlich. Lange Planungen und Absprachen seien aufgrund der Vielzahl von Marktteilnehmern schwer zu treffen. Da Fahrräder aus vielen Kleinteilen von unterschiedlichen Zulieferern bestehen, stehen Fahrradhersteller aktuell vor logistischen Herausforderungen. Die Zuliefererkette sei auf den Boom im Corona-Jahr nicht vorbereitet gewesen, erklärt Heiko Truppel die Situation beispielhaft für den Liegeradhersteller HP Velotechnik. „Statt die Früchte zu ernten, stehen wir jetzt davor, alles ins Saatgut zu stecken.“ Das treffe vor allem kleine Hersteller.

Während die Verkäufe im ersten Halbjahr überdurchschnittlich anzogen, gingen auf der anderen Seite – ebenfalls in Folge der Pandemie – Produktion und Importe zurück. Die Folge: leere Lager in der Industrie, leere Läden bei den Händlern. „Wir haben die Befürchtung, dass wir die ganze nächste Saison von der Hand in den Mund leben“, sagt Jörg Müsse, Geschäftsführer beim Händlerverbund Bike & Co. In Südostasien und China laufe die Produktion zwar wieder. Aber die Nachfrage weltweit sei deutlich höher als Kapazitätsausweitungen in Südostasien möglich sind. Wartezeiten von Bestellung bis Auslieferung von zwölf bis 14 Monaten sind laut Pressedienst Fahrrad mittlerweile gängig. „Wir müssen extrem weit vorplanen, um uns Produktionsslots zu sichern“, berichtet Lara Santjer vom Markendistributeur Sport Import, der einen Großteil seiner Ware aus Asien bezieht. Auch deutsche Zubehörhersteller hätten mittlerweile Lieferzeiten von vier bis fünf Wochen.

Obwohl man im Drei-Schicht-Betrieb und am Wochenende arbeite, könne man aktuell kaum Lagervorräte für den eigentlichen Verkaufszeitraum im Frühjahr aufbauen, heißt es beispielsweise vom Pumpenspezialisten SKS Germany oder vom Taschenhersteller Ortlieb. „Die Nachfrage ist extrem groß, unsere Produktion läuft voll“, berichtet Nils Wigger vom E‑Bike-Antriebsanbieter Brose, der seine Antriebe in Berlin fertigt. Wartezeiten bis Mai seien dennoch durchaus realistisch. „Produktions- und Einkaufsplanung ist in diesem Jahr herausfordernder denn je“, weiß David Eisenberger, Leiter Marketing und Kommunikation beim ZIV.

Teilweise werde vorgeorderte Ware der Händler sogar reduziert oder gestrichen. Jörg Müsse ist sich deshalb sicher: „Es wird nicht zu Verschiebungen kommen, es wird zu einer Knappheit kommen.“ Dennoch rechnen viele Fachhändler mit einem Umsatzwachstum in der Saison 2021 von zehn bis 20 Prozent im Vergleich zu diesem Jahr. Woher der Optimismus? „Die Leute fahren einfach mehr Rad“, so Müsse. Dazu kommt, dass sich dieser Trend auch in Angeboten wie Leasing niederschlägt. Wasilis von Rauch, Geschäftsführer beim Verband Zukunft Fahrrad rechnet mit rund 350.000 Diensträdern in diesem Jahr – Tendenz weiter steigend. Auch Abomodelle in den Städten entwickeln sich recht dynamisch.

Mit der Zunahme an Fahrrädern gehen auch Forderungen nach mehr Sicherheit für die Nutzer und die stärkere Berücksichtigung des Radverkehrs bei kommunalen Planungen einher. Hier werden die Rufe immer lauter, denn gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass Fahrradfahrer nach wie vor die am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmer sind. So lagen die Unfallzahlen hier beispielsweise im April und Mai höher als vor einem Jahr, während das Unfallgeschehen insgesamt in allen übrigen Bereichen deutlich rückläufig war. (ampnet/jri)

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Eurobike 2019.

Eurobike 2019.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Messe Friedrichshafen/Eurobike

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Verkaufsgespräch beim Fahrradhändler (in Vor-Corona-Zeiten).

Verkaufsgespräch beim Fahrradhändler (in Vor-Corona-Zeiten).

Foto: Auto-Medienportal.Net/Pressedienst Fahrrad/Flyer

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Fahrradfahrer.

Fahrradfahrer.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Pressedienst Fahrrad/ Arne Bischoff

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Fahrradfahrer.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Pressedienst Fahrrad/Winora

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