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Shanghai vom Beifahrersitz aus erlebt

Sollte ich jemals einen Fluchtwagen benötigen, würde ich den weißbehandschuhten Fahrer wählen, der uns aus dem Hotel in den Nähe des Shanghaier Funkturms zum Flughafen Pudong fuhr. Alle vier bis acht Spuren hemmungslos ausnutzend, schaffte er die Strecke in weniger als 30 Minuten für die andere wenigstens ein Stunde benötigen. Auf den innerstädtischen Schnellstraßen kannte er kein Pardon. Auch ein Santana der Polizei mit Blaulicht und Horn nötigte ihm keinen Respekt ab. Unser Fahrer war schneller.

Der Chinese in der Großstadt will so gar nicht in das Bild vom gleichgeschalteten Menschen passen, der man gerade Mao-Kittel und Mao-Mütze abgelegt hat. Die Mao-Mütze hat ihre Symbolkraft verändert. Sie hat ihren Platz auf dem rotgefärbten Strubbelkopf eines chinesischen Teenagers gefunden. Der Chinese in der Großstadt sucht nach Wegen aus der Masse, wenn er sich das – der Jugend oder des Geldes wegen – leisten kann.

Dabei spielt das Auto eine ebenfalls symbolische Rolle. Fällt die Fahrertür ins Schloss, scheint sich der Chinese zu ändern. Er umgeht so viele Verkehrsvorschriften wie möglich, schert sich nicht um durchgezogene Linien oder Sperrflächen, parkt auf dem Standstreifen der Schnellstraßen, missachtet jede Vorfahrtregel, schneidet beim Überholen und jagt Fußgänger auf dem Überweg, ob die nun Grün haben oder nicht. Und dennoch sahen wir diesen Mal in vier Tagen nur einen leichten Blechschaden.

Das Auto entlarvt auch ein weiteres unserer Vorurteile über den Chinesen als Menschen, der seine Individualität der Gruppe unterordnet. Wenn er ein Auto kauft, dann ein möglichst großes. Denn es geht um Prestige; er will sich abheben. Daher der Erfolg der großen Autos und der Premiummarken, am besten mit langem Radstand. Perfekt wird die Sache allerdings erst, wenn man einen weißbehandschuhten Fahrer am Volant sitzen hat. Man will zeigen, was man hat – und dafür wird neuerdings auch schon einmal das Finanzgebaren geändert. Früher ging alles in bar, jetzt steigt die Zahl der Finanzierungen.

Rund 5000 Euro kostet einen der 18 Millionen Shanghaier die Lizenz zum Autofahren. Viel Geld, und doch musste die Behörde erst jüngst wieder die Zahl der Neu-Lizenzen beschränken, damit es nicht zum Verkehrskollaps kommt. Der Drang zum Auto ist ungebrochen, weil das Automobil für den Chinesen offenbar das geeignete Mittel darstellt, abseits von Politik und gesellschaftlichen Zwängen seine Individualität auszuleben. Und die scheint viele anarchische Element zu enthalten, wie das Fahrverhalten zeigt. Doch Aggression ist auch bei dieser chaotischen Fahrweise selten. Man respektiert einander auch im dicksten Gewühl. Wer hupt, beklagt sich in der Regel nicht. Er will nur auf sich aufmerksam machen.

Noch beschäftigt rund ein Drittel aller Mercedes-Benz-Besitzer in Shanghai einen Fahrer. Bei den anderen Premiummarken wird das ähnlich sein. Noch fühlen sie sich alle der Marke verpflichtet, für die sie sich einmal entschieden haben. Andrew Lin, vom Mercedes-Benz-Händler Shanghai Star, weiß, dass seine Kunden nicht nach rechts oder links, sondern nur nach oben schauen – zum nächstgrößeren Daimler.

Doch das mag sich ändern, wie sich auch die Zahl der Chauffeure verringern könnte. Bei der Messe Auto Shanghai konnte man jetzt den Eindruck gewinnen, dass sich die junge chinesische Elite eher für den Fahrersitz als für den hinteren Fußraum und den Komfort der Rückbank interessiert.

Die Stadt Shanghai hat noch viel vor. Stolz präsentiert sie in ihrem Stadtplanungsamt über mehrere Stockwerke eine Ausstellung über Geschichte und Zukunft der Hafenstadt. Ein 500 Quadratmeter großes Modell der Innenstadt mit Häusern im Maßstab 1:500 verschafft einen besseren Überblick als wir ihn aus unserem Hotelzimmer im 84. Stock gewinnen konnten. Manhattan ist gegen die Planung von Shanghai ein Fliegenschiss, heute schon – denn vier von fünf der im Modell gezeigten Häuser stehen bereits, eines höher als das andere.

Noch fließt der Verkehr erstaunlich glatt. (ampnet/Sm)

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Shanghai 2011.

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Foto: Auto-Medienportal.Net/Manfred Zimmermann

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