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Glosse: Einbuchten sollte man sie

Als Autojournalist lernt man schnell, eine gehörige Portion Hass auf Designer zu entwickeln. Nicht auf Autodesigner, bei denen trifft es nur manche. Die Rede ist von Hoteldesignern. Denn da können wir alle viel erzählen von Lifestyle- und Designhotels, die uns bei so mancher Reise zu einem neuen Auto schon zur Verzweiflung getrieben haben.

Beliebt ist zu Zeit das Designerhotel mit pechschwarzen, kaum beleuchten Gängen, schwarzen Türen mit einem kleinen schwarzen Kasten rechts in Türgriffhöhe, an den man seine Schlüsselkarte halten muss, um die Tür zu öffnen, was häufig erst nach wiederholtem Gang an die Rezeption mit korrigierter Karte endlich gelingt.

Im Zimmer ist es – schwarz wie die Nacht. Die Vorhänge sind zugezogen; das Licht funktioniert erst, wenn man die Schlüsselkarte in einen kleinen Schlitz gesteckt hat, der den Strom fürs Zimmer freischaltet. Wohl dem, der mit Tasten Glück hat. Schneller funktioniert aber der Griff zum Feuerzeug.

Jetzt fällt einem auf, wie unglaublich heiß dieses Zimmer ist. Natürlich läuft auch die Klimaanlage nur, wenn die Karte den Strom freigibt. Ganz Gewiefte lassen sich dafür schon beim Einchecken eine zweite Karte („für die Ehefrau“) geben und stören sich nicht an den verwunderten Blicken des Hotelpersonals, das ja nur von Einzelreisenden weiß.

Mit Licht findet man die Schalterbatterie und nach vielen Klacks auch den Schalter, der den Vorhang nach oben fährt. Jetzt ist erst einmal Staunen wegen der Kreativität der Designer angesagt. Sie gehen mit dem Gast so um, wie ein Tierpfleger im Zoo mit den ihm anvertrauten Tieren. Denen soll das Leben nicht zu einfach gemacht werden. Die sollen mit ständig neuen Aufgaben vor dem Stumpfsinn bewahrt bleiben. Beim Hotelgast übernimmt diese Aufgabe das Zimmer. Die oft einfachste Frage lautet: Wo ist der Kleiderschrank? In Detroit fand sich jüngst auch nach langer Suche gar keiner im Komfort-Hotel. In Südeuropa befand er sich im Badezimmer. Dafür fanden wir die Minibar so geschickt angebracht, dass man sie von der Toilettenbrille aus öffnen kann.

Wer sich heute im Hotel zunächst auf die Suche nach dem Bad machen muss, weil's eilt, der darf nicht mehr davon ausgehen, dass er dort ungesehen agieren kann. Heute kann man schon mal von der Brille aus nicht nur ins eigene Zimmer, sondern auch gleich ins Haus gegenüber schauen. Glaswände zwischen Bad und Wohnbereich werden immer häufiger. Bei manchen findet man einen Vorhang, mit dem man den Blick aus dem Wohnbereich auf die komplette Sanitärkeramik verhindern kann, bei manchen eben nicht.

Auch die frei im Zimmer stehende Badewanne findet unter den Designern immer mehr Freunde. Man gut, dass ich nur dusche. Dafür findet der normale Hotel-Designer offenbar nur selten eine abwegige Form. Die meisten toben sich eher bei der Auswahl der Waschbecken und der Armaturen aus. Sehr beliebt sind große Waschtische aus edlen Hölzern, auf denen man die beiden rechteckigen und kleinen Waschbecken fast übersieht. Das Wasser kommt aus einer minimalistisch gestalteten Armatur, bei der auch der Materialaufwand auf das Minimum beschränkt wurde. Der Auslauf endet so tief über dem Becken und so dicht am Beckenrand, dass man sich die Hände darunter nicht waschen kann.

Beliebt sind auch runde Waschbecken, in der Form eines Hohlspiegels, die auch so wirken wie einer, weil der Strahl aus großer Höhe auf die Rundung fällt und sich dann in einem Wasserspiel aus vielen aufsteigenden Strahlen auflöst. Es trifft einen immer.

Neulich fand ich auf dem Boden neben dem Bett eine weiße, von innen spärlich beleuchtete Glaskugel vor, die ich bisher nur als Gartenleuchte kannte. In diesem Zimmer aber diente sie als Nachttischlampe. Um am Abend lesen zu können, musste ich mich neben dem Bett auf ein Badelaken legen.

Ein Quell ständigen Ringens um die Aufemerksamkeit ist das Licht. Von der Schalterbatterie an der Tür sprachen wir schon. Es finden sich aber häufig mindestens noch zwei weitere Schaltersammlungen an den Kopfenden der Betten, damit man von dort alles steuern kann. Die Funktion sollte man gut studieren und auch üben, bevor man sich zur Nacht bettet. Sonst geht es einem so wie mir, als ich in einem Prachthotel in einer mediterranen Touristenstadt nachts das Licht für den Gang in die Sanitärabteilung einschalten wollte.

Dieses Hotel bot Licht satt und nicht nur ein paar dekorativ verteilte Funzeln, wie wir es so oft erleben. Hier brach auf Knopfdruck pralles Licht aus allen Quellen, die Rollläden gingen hoch und die Vorhänge glitten auseinander. Jetzt wusste ich, wo der Generalschalter war, und die Nachbarschaft hätte beobachten können, was ich in kurzem Hemdchen nachts so im Zimmer treibe.

Unsereins schreibt oft spätabends. Aber das Schreiben mit dem Computer ist oft selbst in solchen Hotels ein Problem, die sich Businesshotels nennen und dennoch einen Lifestyle-Designer mit der Gestaltung beauftragt haben. So mancher Schreibtisch ist nicht mehr als eine Ablage für Hotelprospekte. Oft reicht die Schnur des Ladegeräts nicht, um den Computer auf dem „Schreibtisch“ mit der nächstgelegenen Steckdose zu verbinden. Wenn das gepasst hat, sucht man ein geeignetes Sitzmöbel. Da gibt es drei Möglichkeiten: Man findet keines oder muss einen schweren Clubsessel durch das Zimmer zwingen oder irgendwo steht ein Hocker, auf dem man sitzt wie ein Zweijähriger ohne Hochstuhl am Esstisch der Großen.

Es ist schon ein Wunder, dass unter diesen Bedingungen bei allen Kollegen ausschließlich erstklassige Texte entstehen. Wir Autojouralisten sind eben abgebrüht und Einiges gewohnt. Die Hoteldeseigner sind auch abgebrüht. Sonst würden sie solche Zimmer nicht entwickeln. Vielleicht kann man sie an bessere Arbeit gewöhnen, wenn man sie zwingt, in jedem neu entwickelten Zimmer eine Woche zu leben und zu arbeiten. Zwangsweise einbuchten sollte man sie in ihren Designer-Zimmern. (ampnet/Sm)

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Peter Schwerdtmann

Peter Schwerdtmann

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