„Stronger than time“, stärker als die Zeit, so bewirbt Mercedes seine G-Klasse. Schließlich widersetzt sich kein anderes Auto so standhaft dem Zeitgeist. Es sieht auch in der elektrischen Version aus, als hätte nie ein Designer daran gearbeitet. Die Form hatten die Ingenieure 1979 wohl unter sich ausgemacht. Schließlich wurde sie als Arbeitsgerät und fürs Militär konstruiert. Und genau so lieben es die Fans.
Um sich nicht ganz der Zukunft zu verweigern, steht neben großvolumigen Verbrennern seit einem Jahr auch eine elektrische Variante im Handel, der G 580 EQ. Und dort steht sie angeblich „wie Blei“, meldet das „Handelsblatt“. Sie sei so gut wie unverkäuflich. Ein Blick in die Zulassungsstatistik zeigt: Ganz so schlimm ist es nicht. Im Mai waren 73 der 485 verkauften G-Modelle batteriegetrieben, was einem Anteil von 15 Prozent entspricht und nur etwas unter dem aktuellen Marktschnitt von 18 Prozent liegt. Doch von einem großen Erfolg kann man wohl nicht sprechen. Denn auf der anderen Seite sind mehr als die Hälfte der verkauften G-Modelle hochmotorisierte AMG-Versionen. Die Fans bevorzugen offenbar eine andere Art die Motorisierung. Haben sie Recht damit, ist der G 580 EQ ein Flop? Wir haben uns die elektrische G-Klasse näher angeschaut.
Rein äußerlich erkennt man die BEV-Variante erst auf den zweiten Blick: Statt eines Reserverads ist der Hecktür ein rechteckiger Kasten montiert, der das Ladekabel enthält. Ein praktische Idee. Motorhaube und der Rahmen der Windschutzscheibe wurden etwas windschlüpfriger gestaltet. Offenbar will man so den Stromverbrauch in Grenzen halten, der beim Elektroauto stark vom Windwiderstand abhängt.
Vergeblich: Der fast zwei Meter hohe Aufbau widersetzt sich neben dem Zeitgeist auch dem Fahrtwind. Entsprechend hoch ist der Stromverbrauch. Auf längeren Autobahnfahrten geht er, obwohl wir nie schneller als 130 km/h fuhren, Richtung 40 kWh pro 100 Kilometer. Im Redaktionsalltag ein Rekordwert. Ein sensibler Gasfuß und viel Stadtverkehr drücken ihn dann tatsächlich unter die 30-kWh-Schwelle.
G-Fans müssen sich also keine Sorgen machen, man hielte sie im Golfclub plötzlich für fundamentalistische Grüne, führen im EQ statt im AMG vor. Als Dienstwagen für Greta Thunberg taugt die G-Klasse auch elektrisch nicht: Mercedes hat aus einem 2,6 Tonnen schweren Spritfresser einen 3,1 Tonnen schweren Stromfresser gemacht.
Allein 800 Kilo gehen auf das Konto der riesigen Batterie (116 kWh) im Fahrzeugboden. Das sorgt für einen niedrigen Schwerpunkt, was sich in Kurven positiv bemerkbar macht. Beim Herausbeschleunigen zeigt sich dann: Die vier Elektromotoren sorgen mit 432 kW (587 PS) Leistung und vor allem mit 1164 Newtonmetern Drehmoment für einen Anschub, der das Gewicht vergessen macht. Das Auto beschleunigt in 4,7 Sekunden von null auf 100 und ist damit nur einen Wimpernschlag langsamer als das Topmodell G 83 AMG (4,4 Sekunden). Und das ist zweieinhalb mal so teuer: 135.490 Euro kostet der kantige Elektriker.
Die Souveränität der lautlosen Beschleunigung ist sicher eine Stärke des EQ. Aber offenbar lieben noch immer viele G-Kunden den Sound eines V8. Der macht aus dem G-Wagon, wie ihn die Amerikaner nennen, einen Bollerwagen. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Dabei hat, wer die Show liebt, im G 580 EQ eindeutig das bessere Argument: Die „Panzerwende“! Weil jedes Rad einzeln angetrieben ist, kann sich der Wagen auf der Stelle drehen. Knopf drücken und an einem der Lenkrad-Paddel ziehen, schon wird die Wende eingeleitet. Im Netz finden sich unzählige Videos davon. Man sollte das, um die Reifen zum schonen, aber nur auf losem Untergrund tun.
Ein Nachteil des elektrischen G ist sicher die lange Ladezeit: In etwas über 30 Minuten ist der Akku von zehn auf 80 Prozent geladen. Viel weiter als 400 Kilometer kommt man bei dem angesprochenen Verbrauch aber nicht. Eine Anhängerkupplung ist nicht vorgesehen. Das Gespann würde wohl zu schwer.
Weitere Nachteile hat das Elektromodell von seinem Verbrennervorfahren übernommen: Die Sitzposition ist für große Menschen nicht ideal, der Innenraum gemessen an den äußeren Abmessungen bescheiden. Das liegt am Platz raubenden Leiterrahmen, auf dem die Karosserie ruht. Und hinten schwingt tatsächlich noch eine Starrachse. Immerhin: Die steile Frontscheibe und eine hohe Sitzposition, die Blinker stets im Blick, sorgen für eine gute Übersicht.
Fazit: Die G-Klasse bleibt auch elektrisch ein Kultmobil wie kein zweites – unpraktisch, verschwenderisch, charakterstark. Auch mit Elektroantrieb ist die G-Klasse irgendwie aus der Zeit gefallen. Und genau das macht ihren Reiz aus. (aum)
Daten Mercedes G 580 EQ
Länge x Breite x Höhe (m): 4,62 x 1,93 x 1,99
Radstand (m): 2,89
Antrieb: 4 E-Motoren
Leistung: 432 kW / 587 PS
Max. Drehmoment: 1164 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,7 Sek.
WLTP-Durchschnittsverbrauch: 27,7–30,3 kWh
Batteriekapazität: 116 kWh
WLTP-Reichweite: 434–473 km
Leergewicht / Zuladung: min. 3065 kg / max. 415 kg
Kofferraumvolumen: 620–1990 Liter
Basispreis: 135.490 Euro
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