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Neue Vielfalt: ZF setzt alle Antriebe unter Strom

Beinahe lautlos zieht der Range Rover los und drückt die Passagiere in die weichen Ledersitze. Bis 140 km/h geht es rein elektrisch voran, erst dann greift der Sechs-Zylinder-Motor ins Geschehen ein. Die rein elektrische Beschleunigung ist beeindruckend für ein so großes und schweres Auto. Nach kurzer Testfahrt zeigt der Bildschirm des Luxus-SUV: Nur fünfmal musste der Benziner ran, ansonsten ging es rein elektrisch. Das Hybrid-Automatikgetriebe der jüngsten Generation, entwickelt von ZF Friedrichshafen, macht es möglich. Beim Vorgängermodell, so rechnet der Computer vor, hätte sich der Benzinmotor noch 14-mal zugeschaltet.

Vor wenigen Jahren hatte man bei ZF noch angenommen, die Zukunft des Autos sei rein elektrisch – doch weit gefehlt. „Hybride sind keine Übergangstechnologie mehr, sondern werden sich länger halten“, sagt Mathias Miedreich, im ZF-Vorstand verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebe. „Denn der reine Elektroantrieb findet nicht so viele Kunden wie wir gedacht haben.“ Und das gilt nicht nur für Europa, sondern auch für China und Nordamerika. Als Folge wird die Vielfalt der Antriebe größer: Der Verbrenner bleibt noch länger im Markt als ursprünglich geplant – allerdings mehr oder weniger hybridisiert.

So integriert ZF in seine bekannte Acht-Gang-Automatik der neuesten Generation (8HP evo) stärkere Elektromotoren unterschiedlicher Leistung. Im Fall des Range Rover PHEV ist er 160 kW (218 PS) stark. Auch einen 48-Volt-Motor hat ZF integriert. Er unterstützt den Motor eines BMW X6 beim Anfahren, gewinnt Energie zurück und beschleunigt sogar das Herunterschalten beim Kickdown.

Ein weiterer Trend im Autoantrieb ist der Range Extender (Reichweitenverlängerer): Hier werden die Räder immer elektrisch angetrieben. Ist die Batterie leer, sorgt ein kleiner Verbrennungsmotor für zusätzlichen Strom. Solche Antriebe erfreuen sich vor allem in China wachsender Beliebtheit. Auch in den USA hat ZF bereits einen Kundenauftrag dafür. Die deutschen Hersteller haben ebenfalls Interesse an der Technik, aber vor allem für den chinesischen Markt, denn: „Ab 2035 ist ein Range Extender in Europa nicht mehr möglich, weil er eben nicht hundertprozentig CO2-neutral ist“, sagt ZF-Vorstand Miedreich. Ob die EU daran noch etwas ändert, steht nicht fest.

Nach aktueller EU-Regulierung ist ab 2035 das batterieelektrische Auto in Europa der beherrschende Antrieb im Neuwagen. Um dafür gerüstet zu sein, hat ZF mit der Select-Plattform einen neuen Elektroantrieb entwickelt: Motoren in verschiedenen Leistungsstufen, ein Reduziergetriebe, die Leistungselektronik inklusive Software und auch ein Differential sind in die Plattform integriert. Der bis zur serienreife entwickelte Antrieb kann auf 400 oder 800 Volt ausgelegt werden. Möglich sind auch verschiedene Elektromotoren: Permanent erregte Motoren benötigen noch Seltene Erden, die fremderregte Maschine von ZF kommt ohne diese problematischen Rohstoffe aus. Ganz wie der Kunde es wünscht.

Auch Hochleistungsmotoren sind möglich, die mit 20.000 Umdrehungen in der Minute bis zu 300 kW (408 PS) Leistung abgeben. Die rotierenden Anker solcher Maschinen sind mit Karbon ummantelt, um die Fliehkräfte aushalten zu können.

Für das Select-Baukastensystem hat ZF bereits einen Kunden – in China. Aber auch deutsche Hersteller haben Interesse angemeldet. Zu den Vorteilen gehört nicht nur das um 18 Kilogramm geringere Gewicht gegenüber einer herkömmlichen Bauweise. Auch geringere Kosten – ZF spricht von mehreren hundert Euro – dürften eine Rolle spielen. Denn ein Grund für die nach wie vor enttäuschende Nachfrage nach Elektroautos ist der hohe Preis der Fahrzeuge.

Deshalb dreht ZF an allen Stellschrauben, um die Kosten zu drücken – auch beim Thermomanagement. Die Batterie eines Elektroautos fühlt sich nur bei Temperaturen um die 20 Grad so richtig wohl, gibt dann die volle Leistung ab und lässt sich schneller laden. Gleichzeitig produziert der Motor – anders als beim Verbrenner – kaum Abwärme zum Heizen des Innenraums, was im Winter zum Problem werden kann. Mit dem TherMaS hat der Automobilzulieferer aus Friedrichshafen ein Thermomanagementsystem entwickelt, das durch intelligente Klimatisierung die Reichweite von E-Fahrzeugen im Winter um bis zu 15 Prozent erhöhen soll. Das Geheimnis der Klimatisierung von Batterie und Innenraum ist Propangas als Kältemittel. Es ist preiswerter und weniger gefährlich als das jetzt eingesetzte R1234-YF. Auch will ZF Gewicht, Komplexität und Kosten sparen und der E-Mobilität so zum Durchbruch verhelfen. (aum)

Weiterführende Links: ZF-Presseseite

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Acht-Gang-Getriebe von ZF für Plug-in-Hybride.

Acht-Gang-Getriebe von ZF für Plug-in-Hybride.

Photo: Autoren-Union Mobilität


Mit der neuen Generation (links) seines Hybrid-Automatikgetriebes steigt der Anteil des reinen Elektroantriebs bei Plug-in-Hybridfahrzeugen. Beim Vorgängermodell, so rechnet der Computer vor, hätte sich der Benzinmotor noch 14-mal statt nur fünfmal zugeschaltet (rechts).

Mit der neuen Generation (links) seines Hybrid-Automatikgetriebes steigt der Anteil des reinen Elektroantriebs bei Plug-in-Hybridfahrzeugen. Beim Vorgängermodell, so rechnet der Computer vor, hätte sich der Benzinmotor noch 14-mal statt nur fünfmal zugeschaltet (rechts).

Photo: Autoren-Union Mobilität


ZF-Elektroantrieb Select: Mit diesem Baukastensystem sparen Autohersteller Gewicht, Bauraum und vor allem Geld.

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Photo: ZF via Autoren-Union Mobilität


ZF-Vorstand Mathias Miedreich (rechts), verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebe, und Otmar Scharrer (rechts) vor dem Innovationsfahrzeug EVselect.

ZF-Vorstand Mathias Miedreich (rechts), verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebe, und Otmar Scharrer (rechts) vor dem Innovationsfahrzeug EVselect.

Photo: ZF via Autoren-Union Mobilität


Das Select-Antriebssystem von ZF: Verschiedene Elektromotoren und Leistungsstufen sind möglich.

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Photo: ZF via Autoren-Union Mobilität


Autor Guido Reinking am ZF-Versuchsfahrzeug für das neue Elektroantriebssystem Select.

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Photo: Autoren-Union Mobilität