MIt 180 Sachen rast der Denza heran. Dann plötzlich ein Knall: Grüner Staub signalisiert, dass links der Vorderrad schlagartig die Luft verliert. Der Denza fährt unbeirrt weiter geradeaus, bremst automatisch ab und bleibt mit eingeschaltetem Warnblinker stehen. Die zentrale Fahrzeugsteuerung (Vehicle Motion Control) des Autos hat dafür gesorgt, dass sich der Wagen nicht überschlagen hat, ja noch nicht einmal aus der Spur geriet.
Wie unwahrscheinlich ein solches Szenario auch immer sein mag – es ist beeindruckend, wie die chinesische Sportlimousine damit fertig wird. Die Präsentation auf einer Teststrecke in Norditalien ist Teil der Einführungskampagne für den Denza Z9 GT. Das mehr als 780 kW (1000 PS) starke Elektroauto ist das erste Modell der Luxusmarke Denza, die dem größten chinesischen Autohersteller BYD gehört, auf dem europäischen Markt.
Gespart wurde an nichts. Elektronische Rückspiegel, feinstes Nappaleder, ein Armaturenbrett mit Bambus-Applikationen, drei Bildschirme plus Display in der Windschutzscheibe, Vier-Zonen-Klimatisierung – im Inneren findet sich alles, was gut und teuer ist. Die Knöpfe der wichtigsten Funktionen wirken wie aus Kristallglas. Im Handschuhfach der chinesischen Variante steckt ein Mikrofon, mit dem sich während der Fahrt Karaoke singen lässt. Ob dieses verspielte Feature nach Europa kommt, steht aber noch nicht fest.
Auch die Technik des Z9 GT hat einiges zu bieten – nicht nur Sicherheitsassistenten, die sogar mit einem Reifenplatzer fertig werden. Ein Luftfahrwerk mit Hinterradlenkung, drei Elektromotoren sorgen für eine starken Antritt auf dem Niveau des Porsche Taycan Turbo: In 3,4 Sekunden geht es auf 100 km/h. Die PHEV-Variante, genant DM-i, braucht auch nur 3,6 Sekunden. Die Blade-Batterie im Fahrzeugboden ist Teil der Karosserie (Cell to Body), macht das Auto flach, aber auch langstreckentauglich: 630 elektrische Kilometer soll die EV-Variante schaffen, 201 der DM-i, bevor der Verbrenner für weitere 900 Kilometer sorgt. Das Fahrverhalten ist für ein fast drei Tonnen schweres Auto ungewöhnlich agil.
So viel Technik braucht natürlich Platz: 5,19 Meter lang ist der Z9 GT. Weil so ein Auto in europäischen Städten nicht leicht zu parken ist, haben sich die Denza-Entwickler etwas ausgedacht: Da die Hinterräder einzeln angetrieben und gelenkt sind, kann der Z9 GT bei stehendem Vorderrad seitlich einparken. Auch eine 180-Grad-Wende auf engstem Raum (fünf Meter) ist möglich, wobei sich die eingelenkten Hinterräder gegenläufig drehen und einiges an Abrieb auf der Straße lassen. Da wird das Einparken vor dem Straßencafé zur echten Show. Bei einer Vorführung in der Mailänder Innenstadt jedenfalls wurden jede Menge Handys gezückt, um das seitwärts krabbelnde Auto zu filmen.
So viel Technik hat aber auch ihren Preis: Wieviel der Denza Z9 GT in Europa kosten wird, wenn er in der zweiten Jahreshälfte in den Handel kommt, will BYD noch nicht verraten. Doch um die 100.000 Euro dürften es wohl werden. Das ist zwar nur halb so viel wie ein vergleichbarer Porsche Taycan Turbo kostet, dennoch wäre er das mit Abstand teuerste chinesische Auto auf dem europäischen Markt. In diesen Preisregionen wird die Luft für eine chinesische Marke sehr dünn.
Welche Marktchancen das Modell hat, bleibt also abzuwarten. Schließlich ist auch der Taycan nicht gerade ein Renner. Sollte die Stückzahlen unter den Erwartungen bleiben, am Design dürfte es sicher nicht liegen: Wolfgang Egger, der deutsche Chefdesigner der BYD-Gruppe, hat dem 1,50 Meter flachen Wagen die Form eines Shooting Brake gegeben. Die hintere Heckklappe gibt den ausreichend großen Kofferraum frei.
„Goldene Proportionen“, habe er dem Auto gegeben, sagt Egger. Tatsächlich stimmen die Proportionen von Motorhauben, Türen und Fensterflächen. Eine Hockeyschläger-Linie unterbricht die ansonsten glatte Fläche der Seitenansicht. Für die fließenden Formen ließ sich der ehemalige Audi-Designer von Seide inspirieren, die im Wind weht. Die breiten Schulter des Hecks unterstreichen den sportlichen Auftritt. Keine Frage: Das Design ist stimmig,
Das Flaggschiff der Marke Denza ist nur der Vorbote einer Modelloffensive. Alle sechs Monate soll ein neues Modell nach Europa kommen. Als nächstes ist ein luxuriöser Van geplant, der hinten mit Einzelsitzen wie in der Business Class bestückt ist und sieben Personen Platz bietet. Zwei SUV-Modelle und ein noch geheimes Projekt, wahrscheinlich eine Luxuslimousine, stehen ebenfalls in den Startlöchern. So schnell dürfte Denza die Luft also nicht ausgehen. (aum)
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