544 Kilometer lang ist sie, die Mosel, und wohl der Lieblingsfluss der Deutschen. In den Top Ten der längsten deutschen Flüsse taucht sie zwar nicht auf, kann aber mit anderen Superlativen aufwarten. Schließlich liegen an ihren Ufern (vor allem den nördlichen) die steilsten Weinberge Europas. Bis zu 62 Prozent Neigung haben die Lagen am Calmont bei Bremm, die Winzer sind zum Teil mit Bergsteigerausrüstung unterwegs, um sich vor einem Absturz sichern zu können. Unverzichtbar sind auch die Monorail-Bahnen, kleine Fuhrwerke, die auf Ein-Schienen-Systemen hinauf und die Trauben hinunter bringen. Die erzeugten Weine sind hochdekoriert, gewinnen bei einschlägigen Verkostungen immer wieder begehrte Auszeichnungen. Das alles und noch viel mehr hat Nicole Sperk im Reise-Taschenbuch Mosel von Dumont zusammengetragen und angenehm lesbar aufgeschrieben.
Die Lektüre ist sehr empfehlenswert, denn obwohl sich vielen malerischen Moselschleifen und die pittoresken Fachwerkstädtchen wie Traben-Trarbach oder Bernkastel-Kues beinahe von selbst zu erschließen scheinen, lässt der Reiseführer von Nicole Sperk selbst den eiligsten Touristen dort verweilen, wo er sonst achtlos vorbeigefahren wäre. So etwa an der Igeler Säule zwischen Trier und der Grenze zu Luxemburg, die ist zwar 23 Meter hoch, steht aber verdeckt in einer kleinen Häuserschlucht nicht weit entfernt von der vielbefahrenen Bundesstraße 49. Sie ist eines der seltenen erhaltenen oberirdischen Grabmälern, die heute noch an ihrem ursprünglichen Platz stehen. Errichten ließ sie eine wohlhabende Tuchhändler-Dynastie im 3. Jahrhundert.
Nicht unberücksichtigt bleibt auch der Bundesbankbunker bei Cochem, in dem einst die staatlichen Geldreserven gehortet wurden. 16 Milliarden D-Mark sollen es gewesen sein. Das versteckte Bauwerk würde man ohne Hilfe des Mosel-Führers leicht übersehen, denn sein Eingang war als normales Garagentor getarnt. Nur wenige Eingeweihte wussten um die Bedeutung der versteckten Anlage, die die Regierung in Zeiten des Kalten Krieges in die Lage versetzen sollte, bei einer Falschgeld-Attacke durch den Warschauer Pakt die deutsche Währung vollständig auszutauschen.
Berühmte Söhne haben die Orte entlang der Schleifenreichen, wie die Mosel gerne genannt wird, in gleich mehrfacher Ausführung hervorgebracht und wie sie unterschiedlicher kaum sein konnten. Am 15. Mai 1818 etwa erblickte in Trier Karl Marx als drittes von neun Kindern der Eheleute Heinrich und Henriette Marx das Licht der Welt. Ein ganzes Stück weiter flussabwärts und einige Jahre später begann am 12. Oktober 1886 ein Leben, das sich weniger der Vereinigung des Proletariats als der Hingabe zum Luxusautomobil widmete. August Horch kam an diesem Tag in Winningen an der Mosel zur Welt, er entstammte einer Schmiede- und Winzerfamilie und baute mit 13 Jahren sein erstes Fahrzeug, ein Dreirad, 1900 entstand das erste Automobil der Marke Horch in Köln-Ehrenfeld. Im Museum Winningen, das im der einstigen Schulgebäude des Visionärs untergebracht ist, erinnert man mit einer eigenen Ausstellung an August Horch.
Wer lieber auf öffentliche Verkehrsmittel als auf individuelle Mobilität setzt, wird sich auf der luxemburgischen Seite der Mittel-Mosel gut aufgehoben fühlen. Denn seit März 2020 ist die Nutzung des ÖPNV dort gratis. Aber auch der Kraftfahrer kommt im Großherzogtum auf seine Kosten, Diesel und Benzin sind immer etwa 15 Cent preisgünstiger als in Deutschland.
Apropos günstig: Mit einem Preis von 19,95 Euro ist Nicole Sperks Reiseführer sein Geld bis auf den letzten Cent wert. Denn wer die Schätzchen und Schätze entlang der Mosel entdecken will, kommt ohne diesen sehr hilfreichen und angenehm geschriebenen Begleiter kaum aus.
Das „Dumont Reise-Taschenbuch Mosel“ von Nicole Sperk ist im Dumont-Verlag erschienen. Es hat 300 Seiten, vielfältige Abbildungen und Illustrationen mit separatem Faltplan und kostet 19,95 Euro. (aum)
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