Die Kernmarke hat sich noch nicht durchgesetzt, da zündet BYD schon die zweite Stufe der Expansionsstrategie nach Europa: Noch in diesem Jahr will der größte chinesische Autohersteller im oberen Marktsegment angreifen. Denza heißt die Luxusmarke, die 2015 – damals noch als Joint Venture mit Mercedes-Benz – gegründet wurde.
„Denza verbindet europäisches Design mit ausgeklügelten Technologien und feinster Handwerkskunst“, sagt Stella Li selbstbewusst. Sie ist als Executive Vice President verantwortlich für Europa und Amerika – mit Ausnahme der USA. Dort sind die Chinesen bisher wegen der hohen Zölle nicht vertreten. Umso wichtiger sind die anderen Exportmärkte wie Südostasien, Afrika, Südamerika und eben Europa. „Europa ist nach China unser wichtigster Markt“, heißt es bei BYD.
Das erste Modell für den europäischen Markt, das Denza auf der Design Week in Mailand vorgestellt hat, heißt Z9 GT. Es zielt ganz offensichtlich auf den Elektro-Porsche Taycan. Über 1000 PS (736 kW) stark, mit reinem Elektroantrieb oder als Plug-in-Hybrid, hat BYD-Chefdesigner Wolfgang Egger dem fünftürigen Sportcoupé die Form eines Shooting Brake gegeben. Egger hat unter anderem schon für Alfa Romeo und Audi gearbeitet. „Gentleman Car“, nennt er seinen Entwurf für Denza.
Unter der Außenhaut aus Aluminium und hochfesten Stählen wartet der Z9 GT mit Hightech auf: Eine Hinterradlenkung und einzeln angetriebene Räder ermöglichen seitliches Einparken. Der Wendekreis des fast 5,20 Meter langen Wagens beträgt weniger als fünf Meter. Mehr als zehn Meter wären normal. Ein zentral gesteuertes Luftfahrwerk fängt das Auto sogar bei einem Reifenplatzer bei 180 km/h sicher ab. Die flache Blade-Batterie im Fahrzeugboden ist zentraler Bestandteil der Karosserie ist. Cell to Body heißt diese Technologie, die VW erst mit der nächsten Generation an Elektroautos einführt.
Der Innenraum wird von edlen Materialien wie weichem Nappaleder und Bambus dominiert. Das alles hat seinen Preis: Auch wenn Stella Li den endgültigen Verkaufspreis in Europa nicht nennen will, macht sie klar: Billig wird das Flaggschiff der Marke nicht. 80.000 Euro? „Weit mehr als das.“ Um die 100.000 Euro, so darf man spekulieren, wird der Denza Z9 GT letztlich wohl kosten. Auch wenn ein ähnlich motorisierter, elektrischer Porsche Taycan doppelt so teuer ist, wird die Luft in diesem Preissegment für eine chinesische Marken sehr dünn. Zudem ist auch der Taycan nicht gerade ein Erfolgsmodell. Die Produktion wurde mehrfach gedrosselt, die Restwerte für gebrauchte sind deutlich niedriger als bei anderen Porsche-Modellen.
Wie schwierig der deutsche und europäische Markt ist, musste BYD bereits mit seiner Kernmarke erleben: Im ersten Quartal hat das Unternehmen in Deutschland gerade einmal 1215 Autos verkauft. Marktanteil: 0,2 Prozent. Auch wenn sich der Absatz im Jahresvergleich mehr als verdoppelt hat, sind das eher geringe Stückzahlen.
Doch die Chinesen lernen schnell. Das Händlernetz ist in Deutschland mit 27 Betrieben noch viel zu dünn. 120 sollen es Ende des Jahres sein. Für Denza wird parallel ein eigener Vertrieb aufgebaut: 20 bis 30 Betriebe sind im ersten Jahr geplant.
„Alle sechs Monate bringt Denza ein neues Modell nach Europa“, verspricht Stella Li. Nach dem Z9 GT sollen ein luxuriöser Van, zwei SUV-Modelle und eine Sportlimousine folgen. „Denza ist die einzige Luxusmarke, die ausschließlich New-Energy-Fahrzeuge anbietet.“ So heißen in China Autos mit voll- oder teilelektrischem Antrieb.
Trotz der beeindruckenden Technik ist der Schritt, Denza nach Europa zu bringen, mutig zu nennen. Wie schwer es ist, hier mit einer neuen Marke im Premium- und Luxussegment Fuß zu fassen, mussten schon die Japaner erfahren. Als Toyota 1988 seine Premiummarke Lexus mit einer Oberklasse-Limousine einführte, war die Fachwelt begeistert: Qualität, Verarbeitung und Laufruhe des Lexus LS suchten ihresgleichen. Trotzdem war der S-Klasse-Konkurrent im Mutterland von Mercedes und BMW schwer verkäuflich – und ist es noch: Lexus setzt aktuell in Deutschland auch nicht mehr Autos ab als BYD.
Stella Li lässt sich davon nicht beeindrucken: „Wir sprechen die Emotionen an, das Herz und den Verstand“, sagt sie. Autos seien eben mehr als die Summe ihrer Technik. Für die Emotion ist auch Chefdesigner Wolfgang Egger verantwortlich. Für die Formen des Z9 GT ließ er sich von fließender Seide inspirieren.
Niemand dürfte bestreiten, dass der Wagen gefällig aussieht. Stella Li weiß, was sie an ihrem deutschen Designer hat: „Er ist ein echtes Kapital für BYD“, sagt sie. Tatsächlich ist es Egger gelungen, für den chinesischen Hersteller eine Reihe attraktiver Autos zu gestalten. Manchem Entwurf sieht man an, dass er auch für Audi oder Alfa Romeo funktioniert hätte. (aum)
Mehr zum Thema: Denza Z9 GT
Teile diesen Artikel: