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Praxistest Hyundai Tucson PHEV: Teilzeitstromer mit Kontrollzwang

Mit dem Kompakt-SUV Tucson hat Hyundai längst bewiesen, dass sie Design, Technik und Ausstattung auf Augenhöhe mit der Konkurrenz aus Wolfsburg, Köln und Rüsselsheim können. Im Praxistest überzeugt die überarbeitete dritte Generation mit einem modernen Cockpit, hochwertigen Materialien und durchdachter Bedienung sowie einem Plug-in-Hybridantrieb, der im Stadtverkehr glänzt – wäre da nur nicht dieser aufdringliche Aufmerksamkeitsassistent, der mit penetranten Warnungen den Fahrspaß trübt.

Zwar sind viele dieser elektronischen Nervensägen inzwischen gesetzliches Pflichtprogramm. Wie sanft oder resolut sie eingreifen – und wie einfach sich der digitale Beifahrer bei jedem Start beruhigen lässt – liegt aber im Ermessen der Hersteller. Und hier zeigt Hyundai wenig Fingerspitzengefühl. Denn wer die aufmerksamkeitsheischenden Helferlein deaktivieren will, wühlt sich durch mehrere Menüebenen. Und selbst bei gesetzten Häkchen liegt die Elektronik auf der Lauer. Ein längerer Blick aus dem Seitenfenster, zweimal zu oft mit der Beifahrerin gesprochen, dreimal über den Strich gefahren – und das System fordert mit unerbittlichem Piepen Blickkontakt und Disziplin ein. Nicht ohne dabei ab und zu höflich-manieriert die Frage einzublenden: „Erwägen Sie eine Pause einzulegen?“ Immerhin, in chinesischen Modellen schallt da bei der kleinsten Normabweichung ein schroffer Befehlston durchs Cockpit.

Doch nicht nur der Aufmerksamkeitswächter hat seine Eigenheiten. Auch die übrigen Assistenten verhalten sich mitunter etwas übermotiviert. Der Spurhalteassistent etwa greift schon bei sanftem Drift energisch ins Lenkrad – was in engen Spurführungen ein permanentes Tauziehen zwischen Mensch und Maschine auslöst. Vor allem auf der Langstrecke, etwa quer durch die Republik Richtung Alpen, wird der Tucson so zum unfreiwilligen Nerventrainer. Spätestens in den unvermeidlichen Baustellen mit wechselnden Fahrbahnstreifen und -verschwenkungen versteht das System die Welt nicht mehr – und meldet sich lieber einmal zu viel als zu wenig. Alles selbstverständlich nur, wenn wie in der getesteten Topversion „Prime“, Notbremsassistent, Spurwechselhilfe, adaptiver Tempomat, Verkehrszeichenerkennung und ein umfassendes Kameraarsenal serienmäßig an Bord sind.

Äußerlich hat sich der Tucson nicht groß verändert. Den biederen Look vergangener Jahre hatte die dritte Generation schon beim Modellwechsel 2020 gegen eine futuristische Mischung aus Kanten, Sicken und Lichtspielerei eingetauscht. Vorn dominiert weiter der breite Kühlergrill mit integrierten LED-Tagfahrleuchten, die sich erst beim Einschalten aus dem Dunkel illuminieren. Die übrigen subtilen Retuschen lassen das 4,51 Meter lange Kompakt-SUV insgesamt etwas erwachsener erscheinen. Am Heck bleibt es ebenfalls bei Detailpflege: Der Heckwischer ist unter dem Spoiler versteckt, das ins Glas eingelassene Markenlogo ist nach wie vor einzigartig.

Beim Raumangebot bleibt der Tucson gewohnt großzügig. Dank 2,68 Meter Radstand sitzen vorn Fahrer und Beifahrer luftig mit prima Rundumsicht, hinten haben auch Langbeinige genug Platz für Knie und Kopf. Der Kofferraum schluckt mit 558-1721 Liter Volumen ordentlich Gepäck – leider mit hoher Ladekante, die zusammen mit einer unschönen Stufe im Boden das Ein- und Ausladen von schweren Koffern unnötig verkompliziert.

Glanzstück aber ist das Cockpit, das mit den integrierten Doppeldisplays Anleihen aus den Ioniq-Modellen zeigt. Die leicht geschwungene, horizontal ausgerichtete Anzeigentafel fügt sich elegant in die hochwertig anmutende Armaturenlandschaft ein. Hyundai widersteht dabei dem Tesla-Trend, alles in die Touchmenüs zu verbannen: Klima und Navigation lassen sich nach wie vor auch mit klassischen Tasten bedienen. Ein gelungenes Detail und große Hilfe beim Fahren ist das Head-up-Display, das die wichtigsten Infos direkt ins Blickfeld projiziert. Nicht mehr ganz neu, aber nach wie vor clever: Der Blinker aktiviert ein Kamerabild im Fahrerdisplay, das den toten Winkel live zeigt. Diese Funktion will man nach wenigen Kilometern nicht mehr missen – vor allem in der Stadt, beim Abbiegen und bei schlechten Sichtverhältnissen eine echte Erleichterung.

Überhaupt fühlen sich Auto und Fahrer innerhalb urbaner Gefilde am wohlsten, kann der Plug-in-Hybridantrieb seine Qualitäten doch hier am besten demonstrieren. Die Kombination aus 1,6-Liter-Turbobenziner mit 160 PS (118 kW) und einem 72 kW (98 PS) starken Elektromotor ergeben zusammen 252 PS (185 kW) Systemleistung, die bei Bedarf alle vier Räder antreiben. Im Stadtverkehr gefällt der Teilzeitstromer damit durch sein geschmeidiges Wechselspiel. Der Elektromotor greift spontan ein, schiebt den Tucson flüsterleise an und lässt Ampelstarts lässig wirken. Im Stop-and-Go fühlt er sich so leichtfüßig an, dass man das Leergewicht von gut zwei Tonnen kaum glauben mag.

Immer natürlich vorausgesetzt, die 13,8 kWh große Batterie ist gut gefüllt. Hyundai gibt die rein elektrische Reichweite mit 64 Kilometer an, im Praxisbetrieb bei winterlicher Temperaturen waren jedoch nie mehr als 50 drin. Für den täglichen Arbeitsweg reicht das zwar immer noch locker, allerdings nicht für Konkurrenten wie dem Wey 03 oder VW Tiguan eHybrid, die – mit größeren Batterien – inzwischen 100 Kilometer und mehr anbieten.

Auch auf der Landstraße ergibt die Kombination aus Elektro-Schub und turboaufgeladener Benziner-Kraft einen Antritt, der den großen Hyundai erstaunlich agil wirken lässt. Die Lenkung reagiert etwas synthetisch, aber noch präzise genug. Und den optionalen adaptiven Dämpfern gelingt der Spagat zwischen sanftem Komfort und solider Straffheit. Sinkt dagegen der Ladezustand, wird der Tucson zum Verbrenner-Hybrid mit gelegentlichen Strom-Stößen – und plötzlich sehr präsenter Akustik.

Vor allem auf der Autobahn rackert der Vierzylinder hörbar, um das SUV in Schwung zu halten. Wer es eilig hat, wird aber nicht nur akustisch vom angestrengten Turbobenziner eingebremst. Auch der hohe Schwerpunkt macht sich in schnellen Kurven bemerkbar. Deutliche Seitenneigung und spürbare Lastwechselreaktionen erfordern ein waches Händchen am Volant. Das ESP greift früh, aber nicht übertrieben ein und stabilisiert den Tucson, bevor es wirklich kritisch wird. Auf der Geraden sind Tempo 100 in knapp acht Sekunden absolviert und wer will, erreicht – mit langem Anlauf – auch die 186 km/h Spitze. Apropos, auf den 4x4-Antrieb ist Verlass. Sowohl auf nasser Fahrbahn und Starkregen, wie auch auf schneebedeckten Pisten hält der Allradler unbeirrt und sicher Kurs.

Bleibt die Preisfrage – die Hyundai selbstbewusst mit mindestens 54.050 Euro für die Topausstattung des Tucson PHEV beantwortet. Sicher kein Schnäppchen, auch wenn dessen serienmäßige Ausstattung mit Matrix-LED-Licht, Head-up-Display, Premium-Soundsystem, elektrische verstellbaren Ledersitzen und 19-Zoll-Alufelgen glänzen kann. Bei unserem Testwagen kamen noch das adaptive Fahrwerk (1000 Euro), das Assistenzpaket (1150 Euro) und die Mineraleffekt-Lackierung Sailing Blue für 700 Euro hinzu, was sich dann zu 56.900 Euro summierte. Mut zum Design haben die Koreaner mit dem Tucson bewiesen – der Mut zur Preisgestaltung könnte für ihn die größere Herausforderung werden. (aum)

Daten Hyundai 1.6 T-GDI Plug-in-Hybrid Prime

Länge x Breite x Höhe (m): 4,51 x 1,87 x 1,65
Radstand (m): 2,68
Antrieb: Plug-in-Hybrid, Allrad, 6-Stufen-Autoamatik
Systemleistung: 185 kW / 252 PS
Max. Drehmoment: 367 Nm bei 1000-4700/min
Höchstgeschwindigkeit: 186 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,1 Sek.
Verbrauch Benziner (WLTP): 1,3 l
Verbrauch bei entladener Batterie: 7,0-6,9 l
Energieverbrauch (WLTP): 19,1 kWh
CO2-Emissionen (WLTP): 29 g/km
CO2-Emissionen bei entladener Batterie: (WLTP): 159 – 157 g/km
Batteriegröße: 13,8 kWh
Reichweite (WLTP): 63-64 km
Leergewicht/Zuladung: 1889-2015 kg / max. 531 kg
Kofferraumvolumen: 558-1721 Liter
Basispreis: 54.050 Euro

Weiterführende Links: Hyundai-Presseseite

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Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid.

Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid.

Photo: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald


Hyundai Tucson PHEV.

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Hyundai Tucson PHEV.

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Hyundai Tucson PHEV.

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Hyundai Tucson Plug-in-Hybrid.

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Hyundai Tucson PHEV.

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Photo: Hyundai via Autoren-Union Mobilität


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