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Interview Mario Köhler: „Batterieelektrischer Antrieb nicht der einzige Weg“

Seit Anfang des Jahres leitet Mario Köhler die Geschäfte von Toyota Deutschland. Und mit der Einführung des vollelektrischen B-SUV Urban Cruiser steht sogleich für ihn eines der wichtigsten neuen Modelle am Start. „Die Stärke, die wir über die Jahre im Hybrid aufgebaut haben, müssen wir jetzt in Richtung batterieelektrische Fahrzeuge transformieren“, sagt der deutsche Importeurs-Chef. Wir sprachen mit dem erfahrenen Automobilmanager über japanisch-deutsche Partnerschaften und den „Prius-Effekt“.

Sie sagen, mit dem Urban Cruiser würde der „Funke überspringen“. Was ist damit konkret gemeint?

Wie haben ein tolles Modellportfolio, bei dem Handel und Kunden aus dem Vollen schöpfen können. Die Stärke, die wir über die Jahre im Hybrid aufgebaut haben, müssen wir jetzt auch in Richtung batterieelektrische Fahrzeuge transformieren. Ich glaube, dass wir mit dem Urban Cruiser als dem nächsten starken Produkt einen Volltreffer landen können. Auch gegenüber dem Handel waren wir da in der Bringschuld für ein BEV im B-SUV-Segment, das klein, attraktiv und finanziell erreichbar ist. Denn neben der Markenstärke braucht es natürlich auch eine Produktstärke, dann kommt auch der Appetit auf die Produkte.

Ihr erstes vollelektrisches Modell bZ4x haben sie mit Subaru entwickelt, den Urban Cruiser nun mit Suzuki. Waren diese Kooperationen von Anfang an so geplant?

Für Toyota ist Kollaboration extrem wichtig, nicht nur wegen der Entwicklungskosten, sondern auch wegen der Erfahrungswerte. Denn die kann man nicht kaufen, die muss man machen. Toyota ist hier extrem langfristig unterwegs. Die Kooperation mit Suzuki etwa ist nicht auf ein Modell beschränkt. Es gibt viele Schnittmengen, vor allem in Asien. In Indien etwa, dem nächsten großen globalen Markt nach China, ist unser Partner Marktführer mit einem Anteil von 40 Prozent. Eine Allianz ist da für beide Seiten von Vorteil. Toyota hat eine entsprechende Kompetenz in der Batterietechnik und Entwicklung und unser Partner ist beispielsweise sehr gut in der kosteneffizienten Kleinwagenproduktion.

Ist es ein Zufall dass es immer japanische Unternehmen sind?

Wichtig ist für uns, dass es eine vergleichbar ähnliche Wertekultur gibt. Das muss nicht zwingend japanisch sein. Ein gutes europäisches Beispiel: Wir kooperieren sehr eng und kameradschaftlich mit BMW, siehe GR Supra und Z4, oder etwa im Bereich Wasserstoff. Wo es möglich und dauerhaft richtig ist, kooperieren wir auch mit Stellantis im Nutzfahrzeugbereich. Denn warum sollten wir Transporter und Co. lokal in Europa entwickeln, wenn wir hier einen Marktführer haben, der es grundsätzlich sehr gut macht? Gleichzeitig profitiert Stellantis dabei von unserem Produktionssystem. Und es zahlt wieder auf die Markenstärke ein: In Deutschland verkaufen wir inzwischen mehr Berlingo-Derivate als Citroen selbst.

Setzt Toyota auch auf Kooperationen, um auf Trends schneller zu reagieren? Beim Hybridantrieb etwa war Toyota mal ganz weit vorne, bei den batterieelektrischen hängen sie jetzt hinterher?

Vor zwei Jahren haben noch alle gesagt, wir sind zu langsam. Jetzt heißt es, ihr seid genau richtig. In Europa wird stets der Moment bewertet und ein Urteil ist schnell gefällt. Für uns als Organisation ist wichtig, was ist leistbar und auch wirtschaftlich richtig. Wir wussten, Stichwort Hybrid, dass das Thema CO2-Challenge auf uns zukommt. Und dabei war batterieelektrischer Antrieb nicht der einzige Weg, sondern nur eine weitere Chance. Wir brauchen gute Hybridfahrzeuge, wir brauchen Plug-ins, die übrigens auch gerade eine Renaissance erleben. Und batterieelektrische brauchen wir auch, aber genau zu dem Zeitpunkt, wenn es richtig ist.

Also Stichwort Technologieoffenheit, das bei Ihnen „Multi-Path“ heißt. Sie setzen also nicht nur auf eine Technologie, respektive priorisieren eine bestimmte?

Das wäre fatal, angesichts der Möglichkeiten, die wir als weltweiter Konzern haben. In Südamerika etwa ist Bio-Fuel auf Soja-Basis ein Riesenthema. In Deutschland ist es dagegen ethisch schwierig, Lebensmittel als Brennstoff zu verwerten. In Afrika wiederum brauchen sie Diesel. Je nach Trends in den Märkten können wir im Konzern die Antriebs- und Energiekonzepte danach ausrichten. Dazu gehört auch Batterietechnologie und Nachhaltigkeit. Wir geben zehn Jahre Garantie auf die Batterie, und zwar nicht mit 70- sondern mit 90-Prozent-Status. Das heißt, auch in zweiter Hand kann ich sagen: Keine Sorge, das ist ein Toyota-BEV, alles gut. Das hilft uns dann wieder Vertrauen aufzubauen.

Sie halten auch nach wie vor am Wasserstoff als Treibstoff und Antriebsart fest. Welche realistischen Chancen sehen Sie dafür in Zukunft?

Das ist natürlich abhängig von der politischen Großwetterlage. Wir bewegen uns da im europäischen und mehr noch im deutschen Kontext. Ich glaube, würden relevante deutsche Hersteller sagen, Wasserstoff ist das nächste große Ding, sähe das auch schon wieder anders aus.

Aber gerade deutsche Hersteller hätten da im Moment wenig anzubieten?

Der einzige, der jetzt den nächsten Schritt gemacht hat, ist unser Technologiepartner BMW, für den auch Technologieoffenheit ganz wichtig ist. Ich glaube, ein großer Hebel entsteht, sobald das Thema Wasserstoff im Nutzfahrzeugbereich und Bussen angekommen ist. Damit ließe sich dann auch das Thema Wirtschaftlichkeit lösen, das zurzeit noch durch die Zwitterstellung, keine Autos oder keine Infrastruktur, geprägt ist. Dieses Henne-Ei-Prinzip ließe sich mit einer verlässlichen Zahl an Use-Cases durch Nutzfahrzeuge und Busse durchbrechen. Wir bringen jetzt auch den Hilux als Derivat mit Wasserstoff als Antriebsart. Wichtig in dem Zusammenhang ist, Denkmuster immer wieder offen zu halten, geleitet von der Frage: Was brauchst du wann wo? Bestes Beispiel dafür ist der erste Prius. Der war vom Design her zwar extrem polarisierend, aber was dieses Auto mit dem Konzern gemacht hat, ist kaum zu unterschätzen. Wir sprechen dabei immer vom Prius-Effekt.

Was besagt der Prius-Effekt?

Standhaft zu bleiben, obwohl Du unterschätzt wirst und die Rahmenbedingungen gerade nicht so aussehen. Die Hybridisierung der Flotte war für unsere Marke der Unterschiedsmacher. Hätten wir diesen Prius-Effekt nicht gehabt, hätten wir vielleicht ohne Ende Verbrenner optimiert, sicher auch Mild-Hybrid-Antriebe gemacht. Und die Erfahrung mit der Entwicklung der Prius-Batterietechnologie hat uns schließlich auch bei den BEV extrem geholfen. Wenn wir batterieelektrische Fahrzeuge machen, dann müssen deren Akkus auch zehn Jahre Garantie mit 90 Prozent-Status haben. Und für uns kann der Mirai ein ähnliches Potenzial haben. Wir glauben an das Konzept.

Als neuer Präsident von Toyota Deutschland, wo sehen und setzen Sie die Ziele und Schwerpunkte für die nächsten Jahre?

Das Gute ist, ich bin seit 20 Jahren in der Organisation, habe alle Abteilungen in allen Hierachie-Ebenen durchlaufen. Dadurch habe ich eine Nähe zu den Teams und Mitarbeitern, aber auch inhaltlich. Am Ende sind wir eine Handelsorganisation. Das heißt: Wenn Kundenerlebnis und -zufriedenheit dauerhaft gut sind, ist das ein unfassbar starkes Plus. Und ich glaube, dass wir das noch weiter ausbauen können. Toyota steht für Kundennähe. Wenn daraus Kundenempfehlung wird, werden Kunden zu Botschaftern und Fans.

Ich schließe daraus, das Agenturmodell kommt für Sie nicht in Frage?

Ist für uns aktuell kein Konzept. Aber wichtig ist auch da, zu beobachten und zu lernen, aber nicht sprunghaft zu agieren. Das Agenturmodell war die letzten Jahre getrieben durch Unterproduktion und Übernachfrage. Jetzt sind wir wieder back to the future. Ein starkes Händlernetz hat so eine wichtige Regulierungsfunktion, die wir nie leisten könnten.

Wie sieht die Modellpolitik der Zukunft aus?

In den nächsten 13 Monaten wird es 13 Modellimpulse geben. Wir nennen das intern „launch strike“, eine starke Modelloffensive, getaktet nach Plug-in-Hybrid- und batterieelektrischen Fahrzeugen mit dem richtigen Timing. Jetzt gibt es die Challenge, jetzt braucht man die Markenpower. Auf dem Kenshiki-Forum kommende Woche in Brüssel werden wir unseren Ausblick nach vorne zeigen und dann wird das auch ein wenig greifbarer.

Der Verbrenner spielt dabei keine Rolle mehr?

Alles nur noch hybridisiert. Wir werden bis Ende des Jahres nahezu die komplette Flotte hybridisiert haben. Es wird keine reinen Verbrenner mehr geben, außer bei unseren GR-Modellen und im Nutzfahrzeugbereich. Bei letzterem gibt es wegen des Kundenbedarfs auch noch den reinen Diesel. Zugleich aber auch batterieelektrische Varianten für alle LCV-Baureihen, daneben auch vollelektrische SUVs. Überhaupt stehen große Fuhrparks wie Deutsche Post oder Behörden dem Thema BEV viel offener gegenüber, weil die auch in ihren Vorgaben CO2-Ziele erfüllen müssen. Wo wir noch Potenzial sehen, in Wahrnehmung und Beratung, sind mittlere und kleine Fuhrparks.

Wie sieht es bei Toyota angesichts der drohenden EU-Strafzahlungen mit den CO2-Flottengrenzwerten aus?

Die Maßnahmen, die wir eingeleitet haben, haben uns schon im Januar davor bewahrt. Und auch die aktuellen Auftragsvorläufe werden uns in die Lage versetzen, konform zu gehen. Was wir übers Jahr hinweg wiederum als Wettbewerbsvorteil sehen. Denn diesen Vorsprung werden Branchen-Kollegen so nicht haben. (aum)

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Toyota-Deutschland-Präsident Mario Köhler mit dem Urban Cruiser.

Toyota-Deutschland-Präsident Mario Köhler mit dem Urban Cruiser.

Photo: Toyota/Harald Dawo via Autoren-Union Mobilität


Toyota-Deutschland-Präsident Mario Köhler.

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Photo: Toyota/Harald Dawo via Autoren-Union Mobilität


Mario Köhler.

Mario Köhler.

Photo: Toyota via Autoren-Union Mobilität


Toyota Urban Cruiser.

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Photo: Toyota/Harald Dawo via Autoren-Union Mobilität


Toyota Urban Cruiser.

Toyota Urban Cruiser.

Photo: Toyota/Harald Dawo via Autoren-Union Mobilität


Foto der Woche: Toyota bZ4X.

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Photo: Autoren-Union Mobilität/Frank Wald


Toyota präsentiert seine künftige Elektroauto-Flotte.

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Photo: Autoren-Union Mobilität/Toyota


Toyota Prius bei der Premiere auf der Tokyo Motor Show 1997.

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Photo: Auto-Medienportal.Net/Toyota


Toyota Prius (1997).

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Photo: Auto-Medienportal.Net/Toyota


Toyota Prius II (2003–2009).

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Photo: Auto-Medienportal.Net/Toyota


Toyota Prius von 2011, das erfolgreichste Hybrid-Modell.

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Photo: Auto-Medienportal.Net


Schnittmodell des Prius III in der Toyota Collection.

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Photo: Auto-Medienportal.Net/Toyota


Toyota Prius Plug-in Hybrid.

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Photo: Auto-Medienportal.Net/Toyota


Elektrifizierte Toyota-Modelle (v.l.): Prius, Prius Plug-in Hybrid und das Brennstoffzellenauto Mirai.

Elektrifizierte Toyota-Modelle (v.l.): Prius, Prius Plug-in Hybrid und das Brennstoffzellenauto Mirai.

Photo: Auto-Medienportal.Net/Toyota


Foto der Woche: Toyota Prius.

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Photo: Autoren-Union Mobilität/Toyota