Burgen, Schlösser, Klöster, Fachwerk. Das ist Deutschland. Wie viele der pittoresken Sehenswürdigkeiten es zu besichtigen gilt, ist kaum überschaubar. Einen Versuch, die bekannten und vor allem weniger bekannten Ausflugsziele nach Bundesländern und Regionen geordnet aufzulisten, zu beschreiben und abzubilden, gelingt dem gerade im Kunth-Verlag erschienenen Reiseführer „Unterwegs durchs unbekannte Deutschland“, in dem Christa Pöppelmann und acht ihrer Autorenkolleginnen und Kollegen die Vielfalt der besichtigenswerten Ziele vorstellen. Auf 304 durchweg farbig gedruckten Seiten wetteifern die oftmals als Weltkulturerbe klassifizierten Destinationen um die Gunst der Leser und Gäste, und wahrhaftig, die Auswahl fällt nicht leicht.
Das Werk vermittelt neben architektonischen oder historischen Highlight auch viel über Gebräuche und Geschichte. So etwa, dass die Angeln, die etwa 400 Jahre nach Christi Geburt ihre zwischen Schlei, Ostsee und der Flensburger Förde gelegene Heimat verließen und sich zu Fuß und per Schiff auf den Weg in den Osten Englands machten. Dort als Angelsachsen angekommen, wurden sie zu den Ahnherren der Briten. An der Ostsee wurde auch der Strandkorb erfunden. Nach dem Artikel im „unbekannten Deutschland“ geht er auf die rheumageplagte Elfriede von Maltzahn zurück, die 1882 den Rostocker Hof-Korbmacher ersuche, ihr ein bequemes und vor dem Wind schützendes Sitzmöbel zu bauen, damit sie trotz Krankheit längere Zeit am Strand verbringen konnte. Der Strandkorb war erfunden.
Leuchttürme an den Küsten sind keine Seltenheit. Im Binnenland sind sie eher rar. Dennoch findet sich einer in der Gemarkung Moritzburg am Niederen Großteich, nahe des berühmten Schlosses bei Meißen. Der im späten 18. Jahrhundert erbaute Steinturm ist 21,8 Meter hoch, hatte aber nie die Aufgabe eines Schifffahrtszeichens zu erfüllen. Seine Errichtung war vielmehr dem Wunsch von Friedrich August III., dem Kurfürsten und späterem König von Sachsen folgend, als Kulisse für die Seeschlachten geschuldet, die der Landesherrscher auf dem Gewässer mit eigens hierfür gebauten Schiffen nachstellen ließ. Heute freilich müssen sich die Bürger mit Leuchtturm und Schloss ohne Kanonendonner auf dem Teich zufriedengeben.
Im Weserbergland weist der Reiseführer auf das Rattenfängerhaus in der historischen Stadt Hameln hin, wo einst ein Kammerjäger auf Geheiß des Rates der Rattenplage ein Ende bereitete, aber nicht wie vereinbart entlohnt wurde. Aus Rache entführte er der Sage nach die Kinder der Stadt auf Nimmerwiedersehen. Die deutsche Märchenstraße streift den Ort und es finden auch die „Bremer Stadtmusikanten“, „Hänsel und Gretel“ sowie viele andere schaurig-schöne Märchen der Gebrüder Grimm oder Wilhelm Busch mit ihren jeweiligen Denkmälern und Museen Beachtung.
Das Buch streift durch die Täler von Ahr, Mosel, Rhein und Saar, erfreut mit echtem Insiderwissen wie jenes über das Winzerdorf Flonheim in Rheinhessen, wo kegelförmige und weiß angestrichene „Wingertsheisje“ ganz den Stil der apulischen Trulli im Süden Italiens kopieren. Sie wurden 1760 erbaut und wurden als Schutzhütten genutzt. Bedeutungsvoll geht es in südlicher Richtung weiter. Das Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße, auf dem am 27. Mai 1832 tausende mutiger Männer bei einem Fest mehr Rechte für die Bürger forderten und so den Grundstein für die deutsche Demokratie legten.
Abgebildet ist im Atlas alles, was in der Architektur und Geschichte Deutschlands Rang und Namen hat. Die Darmstädter Mathildenhöhe fehlt ebenso wenig wie das Heidelberger Schloss, König Ludwigs Prachbauten Herrenchiemsee und Neuschwanstein werden vorgestellt, und in Bierfranken fehlt der Hinweis auf das Kloster-Paar Vierzehnheiligen und Banz nicht, die sich wie Geschwister gegenüberstehen.
Die Fülle der Reiseempfehlungen birgt jedoch auch eine Schwäche des Buches. Viele Sehenswürdigkeiten oder Geschehnisse werden nur am Rande gestreift, wer tiefergehende Informationen wünscht, muss sich mit anderer Lektüre oder dem Internet behelfen. Weitergehende Informationen hätten den Umfang des Atlanten aber auch einfach gesprengt. Dennoch ist „Unterwegs durchs unbekannte Deutschland“ ein sehr empfehlenswerter Atlas, der dem Leser oder Betrachter die unglaubliche Vielfalt deutscher Kultur und Brauchtum eindrucksvoll vor Augen führt.
„Unterwegs durchs unbekannte Deutschland“ von Christa Pöppelmann und anderen ist im Kunth-Verlag erschienen. Das Buch hat 304 Seiten, vielzählige Abbildungen und Grafiken und kostet 29,95 Euro. (aum)
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