Die Automobilbranche steht vor bedeutenden Veränderungen, angetrieben von technologischen Innovationen, dem digitalen Wandel und verschärften Regulierungsmechanismen. Unabhängige Werkstätten müssen sich diesen Entwicklungen anpassen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Der Zugang zu Fahrzeugdaten, Elektromobilität, vernetzte Fahrzeuge und strengere Compliance-Anforderungen erfordern eine Neuausrichtung in Kfz-Werkstätten. Dabei ist es entscheidend, Trends frühzeitig zu erkennen und die nötigen Kompetenzen und Zertifizierungen zu erwerben, um den steigenden Anforderungen der Branche gerecht zu werden. Der Zugang zu Fahrzeugdaten, technologische Entwicklungen und die Einhaltung von Zertifizierungen wie SERMI sind entscheidende Faktoren, um im Wettbewerb zu bestehen.
Moderne Fahrzeuge sind zunehmend vernetzt und digitalisiert. Der Zugang zu Fahrzeugdaten wie Fehlerspeicher, Wartungshistorien und Diagnosedaten ist für unabhängige Werkstätten entscheidend, um Reparaturen effizient und fachgerecht durchzuführen. Diese Daten ermöglichen es, Fahrzeugprobleme präzise zu diagnostizieren und geeignete Reparaturen vorzunehmen, ähnlich wie es bei autorisierten Werkstätten der Fall ist.
Die derzeitige Gesetzeslage in der EU, insbesondere die Verordnung (EU) 2018/858, unterstützt unabhängige Werkstätten, indem sie den Zugang zu relevanten technischen Informationen für Wartung und Reparatur gewährleistet. Hersteller müssen den Zugang zu Diagnose- und Reparaturdaten bereitstellen, um den fairen Wettbewerb zu fördern. Dennoch bleibt der Zugang zu sicherheitsrelevanten Daten eine Herausforderung, da viele dieser Daten durch den Fahrzeughersteller geschützt werden, um die Fahrzeugsicherheit zu gewährleisten. Werkstätten benötigen häufig spezielle Zertifizierungen oder Zugangsrechte, um sicherheitskritische Systeme wie elektronische Schließsysteme oder Alarmanlagen zu reparieren.
Digitaler Wandel und Zertifizierungsstandards
Ab dem 1. April 2024 ergänzt die SERMI-Zertifizierung für unabhängige Werkstätten verpflichtend die Qualitätsstandards und Normen, die im Kfz-Bereich bereits etabliert sind. Sie berechtigt Betriebe dazu, sicherheitsrelevante Fahrzeugteile wie Schließsysteme, Alarmanlagen oder Wegfahrsperren reparieren zu dürfen. Der digitale Zugriff auf relevante Fahrzeugdaten und technisch vernetzte Funktionalitäten ist seit der verbindlichen Einführung der SERMI-Verordnung an ein entsprechendes Zertifikat geknüpft.
Um den Zugang zu sicherheits- und diebstahlrelevanten Informationen, wie beispielsweise Software-Updates oder sicherheitskritischen Bauteilen, zu regeln, wurden spezielle Vorgaben erarbeitet. Diese entstanden im Rahmen des „EU-Forums für den Zugang zu Fahrzeuginformationen“ und dienen der Entwicklung eines europaweit einheitlichen Akkreditierungssystems. Mit der Umsetzung der neuen Richtlinie sollen nicht nur hohe Qualitätsstandards in der Sicherheitstechnologie moderner Fahrzeuge gewährleistet, sondern auch eine Chancengleichheit zwischen unabhängigen und herstellergebundenen Kfz-Betrieben geschaffen werden.
Die neue EU-weite Richtlinie wird schrittweise eingeführt. Ab dem 1. April 2024 ist die SERMI-Verordnung (Security-Related Repair and Maintenance Information) in Deutschland, Österreich, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Portugal und Spanien verpflichtend geworden. Sie basiert auf der EU-Verordnung Nr. 2018/858, die unabhängigen Betrieben wie freien Werkstätten und technischen Dienstleistern einen einheitlichen Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen (RMI) gewährt. Ohne den Zugang zu diesen sensiblen Fahrzeugdaten ist es nahezu unmöglich, solche Reparaturen durchzuführen. Werkstätten, die SERMI-zertifiziert sind, erfüllen die strengen EU-Vorgaben, die den Schutz sicherheitskritischer Fahrzeugdaten und die Integrität der Fahrzeuge gewährleisten. Der Zertifizierungsprozess umfasst Prüfungen der Werkstatt selbst sowie der Mitarbeiter, die mit diesen Systemen arbeiten, um sicherzustellen, dass die notwendigen Sicherheits- und Datenschutzstandards eingehalten werden.
Der Zertifizierungsprozess für die SERMI-Verordnung beinhaltet die Kooperation mit einer akkreditierten Zertifizierungsstelle. In Deutschland ist die Kiwa Deutschland GmbH, Teil der niederländischen Kiwa-Gruppe mit Hauptsitz in Rijswijk, eine der ersten Prüfinstitutionen, die sich für die Vergabe der Zertifizierung qualifiziert haben. Mit ihrem Hauptsitz in Hamburg und zahlreichen weiteren Standorten betreut Kiwa Kfz-Betriebe bundesweit und begleitet den Prozess vom Erstantrag über die Prüfung der Voraussetzungen bis zur Erteilung des erforderlichen Zertifikats.
Die Zertifizierung hilft Werkstätten, ihr Serviceniveau zu steigern und das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, da die Dienstleistungen den aktuellen technischen und qualitativen Standards entsprechen. Viele Werkstätten nutzen Zertifikate, um sich am Markt besser zu positionieren und ihre Expertise hervorzuheben. Kunden sind häufig bereit, für diese nachweisbare Qualität höhere Preise zu zahlen, da sie auf die Kompetenz der zertifizierten Werkstatt vertrauen.
Die Zukunft der Automobilindustrie
Die Automobilindustrie erlebt tiefgreifende Veränderungen, die von technologischen Innovationen und neuen Mobilitätskonzepten getrieben werden. Elektromobilität, autonomes Fahren und vernetzte Fahrzeuge gehören zu den zentralen Trends, die die Branche nachhaltig prägen. Die wachsende Verbreitung von Elektrofahrzeugen verlangt von Werkstätten spezialisiertes Wissen zur Wartung von Hochvoltbatterien und elektrischen Antriebssystemen. Gleichzeitig müssen Investitionen in neue Ausrüstung getätigt werden, um Reparaturen an diesen komplexen Systemen fachgerecht durchzuführen.
Das autonome Fahren, das in den kommenden Jahren weiterentwickelt wird, bringt zusätzliche Herausforderungen. Sensoren, Kameras und hochentwickelte Fahrassistenzsysteme (ADAS) werden immer komplexer. Unabhängige Werkstätten müssen in der Lage sein, diese Systeme zu diagnostizieren und zu kalibrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Hierfür sind spezielle Schulungen und Zugang zu den entsprechenden Softwaretools erforderlich.
Vernetzte Fahrzeuge, die zunehmend mit dem Internet und anderen Verkehrsteilnehmern kommunizieren, verändern die Art und Weise, wie Daten verarbeitet und genutzt werden. Die Fähigkeit, Fahrzeugdaten sicher zu verwalten und Diagnosesysteme für vernetzte Fahrzeuge zu bedienen, wird zu einem entscheidenden Faktor für Werkstätten.
Compliance und gesetzliche Anforderungen
Die Automobilbranche steht vor einer wachsenden Anzahl an Vorschriften, und Techniker müssen flexibel bleiben, um den sich ständig ändernden Anforderungen gerecht zu werden. Ein wichtiger Bereich betrifft die Umwelt- und Klimavorgaben, wie die wachsende Bedeutung von Recycling und Entsorgung gefährlicher Stoffe in Werkstätten. Techniker müssen sicherstellen, dass sie über die richtige Ausbildung verfügen, um Altteile, Batterien und andere Schadstoffe umweltgerecht zu entsorgen.
Mit zunehmender Fahrzeugkomplexität wird die Fahrzeugdiagnose immer bedeutender. Fehlerhafte Systeme müssen gefunden und fachgerecht repariert werden. Schulungen und Zertifikate für fortgeschrittene Diagnosetools sind dabei unerlässlich.
Auch Arbeitssicherheitsvorschriften sind strenger geworden. Werkstätten müssen gewährleisten, dass ihre Mitarbeiter den Sicherheitsstandards entsprechen, insbesondere bei der Arbeit an elektrischen Systemen oder unter Hochspannungen. Regelmäßige Schulungen in Sicherheitsmanagement und Arbeitsschutzvorschriften helfen Technikern, Risiken zu minimieren.
Die kontinuierliche Weiterbildung in diesen Bereichen stellt sicher, dass Techniker den regulatorischen Anforderungen gerecht werden und die Qualität ihrer Dienstleistungen verbessern. Compliance schützt nicht nur vor rechtlichen Folgen, sondern stärkt auch die Zuverlässigkeit und das Vertrauen der Kunden, indem sichergestellt wird, dass die Arbeit in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben erfolgt. (aum)
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