Was bedeutet es für die Beschäftigung in der deutschen Automobilindustrie, wenn 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden dürfen? Diese Frage hat sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) gestellt und eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist ernüchternd: Seit 2019 sind bereits 46.000 Arbeitsplätze verschwunden. Die meisten davon bei Zulieferern. Und das ist erst der Anfang.„Der Wandel hin zur Elektromobilität wird zu Beschäftigungsverlusten führen“, macht VDA-Präsidentin Hildegard Müller klar.
„Wir stehen zu der Transformationen, müssen uns aber die Folgen wahr machen“, sagt Müller. Das Forschungsinstitut Prognos hat sich in der Studie „Beschäftigungsperspektiven in der Automobilindustrie“ diese Folgen für 700 Berufe angesehen. Ergebnis: Vor allem in den traditionellen Berufen mit vielen Beschäftigen werden Stellen abgebaut, zum Beispiel in der Metallverarbeitung. Berufe, die künftig gefragter sind, wie in der Kunststoffverarbeitung oder der IT, können diesen Jobverlust nur teilweise kompensieren. Den 300.000 Arbeitsplätzen, die bis 2035 in der deutschen Automobilindustrie verloren gehen, stehen nur 110.000 neue Jobs in Wachstumsfeldern der Branche gegenüber.
Damit ist klar: Die Transformation wird netto 190.000 Jobs kosten. Das ist jeder fünfte Arbeitsplatz in der Autoindustrie. Nur wenige Beschäftigte, rund jeder vierte, gehen in den nächsten Jahren ohnehin in Rente. Die meisten der Betroffenen werden also einen neuen Job brauchen. „Die Demografie wird das Problem nicht lösen“, sagt VDA-Chefvolkswirt Manuel Kallweit.
Ausgerechnet die Herstellung von Verbrennungsmotoren und Getrieben, die es nach 2035 in Europa nicht mehr geben soll, ist besonders beschäftigungsintensiv. Zu diesem Zeitpunkt hat die EU den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor faktisch verboten. Wie viele Jobs in neuen Bereichen wie der Batterieproduktion entstehen werden, ist unsicher. „Wichtig wäre, die Batterieforschung nicht zu kürzen, damit der Batteriestandort Deutschland wettbewerbsfähig bleibt“, sagt VDA-Präsidenten Müller. Die Bundesregierung plant aber, ausgerechnet die Batterieforschung nicht mehr zu fördern.
Klar ist, dass die Beschäftigung in der Automobilindustrie ihren Zenit im Jahr 2019 hatte: 960.000 Menschen waren dort in Lohn und Brot. Seither geht es bergab. Aktuell arbeiten in der Branche noch 911.000 Menschen.
Dabei gibt es auch Autoberufe mit wachsender Beschäftigung, so bei der Kraftfahrzeugtechnik, bei Forschung und Entwicklung sowie in der Softwareentwicklung. Ausgleichen können sie den Jobverlust aber nicht. Zudem bringen die betroffenen Mitarbeiter nicht unbedingt die richtige Qualifikation mit. In Summe gibt es deshalb in manchen Bereichen sogar schon einen Fachkräftemangel, etwa in IT-Berufen.
Neben dem Trend zur E-Mobilität wird der Jobverlust in der Industrie noch durch die Standortbedingungen verschärft. Müller: „Der Standort ist nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Zum Beispiel wegen der hohen Energiepreise. Neue Stellen könnten in der Kunststoffverarbeitung entstehen, die jedoch sehr energieintensiv sei und deshalb kaum in Deutschland investiere. Ähnliches gilt für die Produktion von Batteriezellen.
Neben der Transformation zur E-Mobilität ist die mangelnde Nachfrage nach Elektroautos eine weitere Herausforderung. Sie erwarte von der Politik mehr Unterstützung, nicht nur in Deutschland, sagt Müller: „In ganz Griechenland gibt es weniger Ladesäulen als in Hamburg. Wenn in Europa die Transformation nicht gelingt, wird der negative Beschäftigungseffekt noch größer.“ Was Müller von der Politik verlangt: „Wettbewerbsfähige Energiepreise, weniger erdrückende Bürokratie, schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren, ein wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem, mehr Freihandelsabkommen – die Liste ist lang, die Aufgaben drängen.“ (aum)
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