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Kommentar: Schaut auf diese Stadt!

Erst war es der Rock’n Roll, dann der Muff unter den Talaren, dann Brokdorf und die Startbahn West, schließlich Mutlangen oder die Castoren – aller junger Widerstand sah sich stets in der Pflicht, „es“ anders zu machen. Die Mehrheitsgesellschaft hat das jedes Mal als arrogant empfunden, zeigte sich beleidigt – jedenfalls nicht betroffen – vom Vorwurf, die „herrschenden Verhältnisse“ geduldet und sogar mitgetragen zu haben. Gewalt war immer mit im Spiel, sei es als Randale, bei Straßenschlachten mit den „Bütteln dieses Staates“ oder durch Nötigung von Bürgern und Institutionen.

Die Genötigten sollen lernen, dass ihre Freiheitsrechte nicht zählen. Der Kampf der Nötiger*innen hat Vorrang. Schließlich will die „Letzte Generation“ die Welt retten. Dabei ist es völlig müßig, sich die Frage zu stellen, ob da nicht Peking, Moskau oder Washington die passenderen Orte für Klimademonstrationen wären. Die „Letzte Generation“ geht dahin, wo in der Symbiose mit den Medien die besten Bilder entstehen und sie die kämpferischsten Statements absetzen kann. Für solche Anliegen finden sie gerade in Berlin immer ein offenes Ohr. Das weiß man als Umweltlobbyist oder -aktivist. Berlin ist in dieser Beziehung professionell breit aufgestellt.

Die APO-Generation wollte die Revolution, die Klima-Kleber auch – was allerdings bei einem Blick auf die Bilder in den Medien nicht sichtbar wird: Menschen lassen sich von Polizisten über die Straße tragen und freuen sich offensichtlich schon darauf, ihren Spruch zu zeigen oder aufzusagen. Der aufmerksame Zuhörer wird hier bekannte Töne hören. Nicht erst seit Rock-Zeiten kämpft Jugend gegen Autorität. Aber bei der „Letzten Generation“ geht es um mehr. Viele von ihnen werden das nicht bemerken, weil das Klima sie zu sehr bewegt. Aber im Grunde will die „Letzte Generation“ einen anderen Staat. Und die Kleber machen mit.

Die gut organsierten und finanzierten Strukturen hinter den Aktionen, die viele Klebende schulen, finanzieren und vor Gericht unterstützen, wollen nicht weniger als unsere parlamentarische, repräsentative Demokratie mit einer Parallelorganisation aushebeln. Das war offensichtlich, seit Hannovers grüner Oberbürgermeister Belit Onay im Februar als erster gewählter Volksvertreter einem ersten Kuhhandel mit der „Letzten Generation“ zustimmte. Nach eigenem Bekunden verurteilt der Vorsitzende des hannoverschen Rats die Form des Protestes der Klimakleber. Aber er versprach, die Forderung nach der Gründung einer Institution namens „Gesellschaftsrat“ zu unterstützen.

Was solch ein „Rat“ darstellen soll, erklärte die „Letzte Generation“ so: „Er setzt sich zusammen aus zufällig gelosten Menschen, die die Bevölkerung Deutschlands nach Kriterien wie Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und Migrationshintergrund bestmöglich abbilden.“ Das Los entscheidet also – nicht mehr der Wählerwille. Und wer legt die Namen der Bürger und Bürgerinnen fest, die in die Lostrommel kommen? Vermutlich die „Letzte Generation“ und ihre Finanziers. Man darf vermuten, dass ein Mann wie Onay mit seinem Bildungsniveau und seinem Migrationshintergrund gute Loschancen hätte. Es sei denn, irgendeine zukünftige vaterländische Bewegung schließt genau die intelligenten Migranten aus, weil sie ein anderes Bild von einem „Deutschen Rat“ haben.

Geht es also vielleicht gar nicht nur um billige Tickets für den Öffentlichen Personennahverkehr und wohlfeile Umweltforderungen? Wir leben in einer Zeit, in der autokratisches Denken nicht mehr selbstverständlich auf die Gegenwehr aller Demokraten trifft. Bei Politikern wie Orban, Putin oder Erdogan ist der Konflikt jedem deutlich. Aber bei den meist jungen Menschen mit ihrem an sich mehrheitsfähigen und sympathischen Anliegen, fällt die Entscheidung schwerer.

Wenn in Berlin in den nächsten Tagen Hunderte Kleber die Stadt blockieren, werden auch die unterschwelligen politischen Motive mitschwingen. Deswegen geht es bei der Bewertung der Aktionen nicht nur um die Kritik an der Umweltpolitik und die Verachtung der Arbeit der Bürger, Beamten und Politiker, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen und sich nun bewusst missverstanden sehen und beleidigt fühlen. Schwerer als die Arroganz dieses Vorwurfs wiegt die „hidden agenda“ der Bewegung. (Peter Schwerdtmann/cen)

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Peter Schwerdtmann.

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