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Große Sorge vor Bevormundung

Es ist Wendezeit: Zeitenwende, Energiewende und Verkehrswende – allenthalben werden Bürger darauf vorbereitet, dass in Zukunft alles anders werden wird, soll oder muss. Doch die Absichten der Wenden-Verfechter stimmen selten mit den Vorstellungen der Bürger überein. Was die bevorzugen, zeigen Studien immer wieder nahezu gleichlautend. Die Versicherung HUK-Coburg legt nun zum zweiten Mal eine besonders gründliche Untersuchung vor, die beschreibt, auf welche Stimmung zum Beispiel Maßnahmen wie das Neun-Euro-Ticket treffen.

Nicht die üblichen 1000 Personen, sondern 4000 Personen ab 16 Jahren, repräsentativ ausgewählt wurden nach 2021 zum zweiten Mal in Folge in allen 16 Bundesländern zu Mobilitätskonzepten der Zukunft befragt. Dabei stellte sich auch bei dieser Studie wieder heraus, dass für die Deutschen bei der Mobilität der Zukunft weiter eine individuelle und flexible Fortbewegung erleben wollen. Konzepte, die einseitig auf Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn setzen, betrachten die Bundesbürger demnach insgesamt mit großer Skepsis.

„Für die Mehrzahl der Deutschen ist das alleinige Zurückdrängen des Autos keine zielführende Zukunftsstrategie – auch nicht in den Städten“, kommentiert Jörg Rheinländer, Vorstand der Versicherung. Stattdessen werde der Umstieg auf Elektro- oder andere CO2-freie Antriebe favorisiert – verbunden mit der Forderung nach einer deutlichen Kostensenkung für erneuerbare Energien.

Für das Auto spricht aus Sicht von zwei Dritteln der Befragten, dass es sowohl heute, wie auch in Zukunft, mit Abstand am besten die Anforderungen der Menschen erfüllt, deutlich besser als Bus und Bahn. In dieser Einschätzung sehen sich die Studienteilnehmer besonders auch durch die Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Selbst in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg ist die Mehrheit der Bevölkerung dieser Meinung.

In der Befragung sprechen sich 67 Prozent aller Teilnehmer für das Auto als ideales Verkehrsmittel der Zukunft aus. Die Bahn kommt dagegen nur auf 16 Prozent Zustimmung und der Bus auf 10 Prozent. Dieser Stimmungslage soll das Neun-Euro-Ticket nun begegnen, denn es ist nicht nur als Subvention für Pendler gedacht. Es soll Menschen vom Auto in Bus und Bahn locken und das nicht nur für ein paar Wochenendausflüge mit der Familie ins Grüne.

Dem Lockangebot der Verkehrsbetriebe und der Bahn kommt entgegen, dass die Bürger ihren elementaren Wunsch nach individuell und flexibel nutzbaren Verkehrsmitteln durch steigende Kosten stark gefährdet. So befürchtet mit 48 Prozent nahezu jeder zweite Befragte, dass zukünftige Mobilitätskonzepte die Kosten der Mobilität weiter verteuern werden. Und trotz großer Sympathie für das Elektroauto fürchtet jeder dritte Befragungsteilnehmer, dass der Umstieg auf Elektromobilität mit einer Verknappung des Stromangebots und steigenden Strompreisen einhergehen dürfte. 34 Prozent denken, dieser Aspekt werde in der gegenwärtigen Diskussion Pro-Elektroauto zu wenig beachtet.

Dagegen glauben nur 18 Prozent, dass der Umweltschutz im Rahmen zukünftiger Mobilitätskonzepte zu kurz kommen könnte. Das ist ein Drittel weniger als im Vorjahr mit 27 Prozent. Sorgen vor einer „zu starken öffentlichen Bevormundung“ treiben dagegen 23 Prozent und somit mehr Studienteilnehmer um als beim Umweltschutz. Weitere je 22 Prozent kritisieren in Bezug auf die Mobilitätsstrategien der Zukunft „zu einseitiges Forschen nur in vorgegebene Richtungen“ und befürchten einen „Verlust an Individualität und Selbstbestimmung bei der Wahl von Fortbewegungsmitteln“. Das Mistrauen der Menschen gegenüber den Machern der Wenden ist also unübersehbar.

Auch im „Rückspiegel“ bewerten die Deutschen die Mobilitäts-Entwicklung in den zurückliegenden fünf Jahren kritisch. Weder bei Kosten, Schnelligkeit, Flexibilität, Hygiene, Organisierbarkeit oder CO2-Reduktion vermochten die Studienteilnehmer mehrheitlich eine Entwicklung zum Besseren zu erkennen. Besonders negativ bewerten sie die Entwicklung der Kosten und der Bezahlbarkeit von Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen. Daran werden die drei Monate des Neun-Euro-Tickets nichts ändern können, zumal Länder und Kommunen schon jetzt zusätzliches Geld für Investitionen in den öffentlichen Personenverkehr fordern.

Das Fazit von Vorstand Rheinländer: „Bei der Entwicklung neuer Mobilitätskonzepte wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger von den Verantwortlichen einen ergebnisoffenen Umgang mit neuen Lösungen und vor allem auch die Berücksichtigung individueller Bedürfnisse. Das gelte besonders für die Älteren, betont der HUK-Vorstand.

Die Jüngeren zeigten sich offener, meint Rheinländer. Dabei hatten die Verfasser der Studie ermittelt, dass die Deutschen eine ökologische Verkehrswende nicht grundsätzlich ablehnen. Auf die Forderungen zu bezahlbaren und sinkenden Kosten der Mobilität folgte immerhin mit 26 Prozent der Wunsch nach CO2-Freiheit im Verkehr auf Platz 3. Dabei kommt das Elektroauto mit Abstand am besten weg. Denn jeder fünfte Befragte sieht in ihm das ideale Fortbewegungsmittel der Zukunft. Aber auch das sind nur rund doppelt so viele wie jene, die Bus oder S-Bahn für optimal halten. Wenn nun in den Ferienwochen, in denen das Neun-Euro-Ticket gilt, Busse und Bahnen weniger von Pendlern und angefixten Autofahrern, sondern mehr von Schulkindern und Ausflügler aller Altersklassen genutzt wird, sei es ihnen allen gegönnt. Die Zeiten werden nicht einfacher. (aum)

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Stadtverkehr in Wiesbaden.

Stadtverkehr in Wiesbaden.

Foto: Auto-Medienportal.Net/ADAC

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