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Wie die Elefanten im Porzellanladen

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Die Grünen) und die Umweltministerkonferenz am Freitag waren sich einig. Sie wollen den Einsatz von Biosprit aus Pflanzen per Gesetz begrenzen. Allein in Deutschland würden 2,4 Millionen Tonnen Futter- und Lebensmittel eingesetzt, um Bioethanol als Kraftstoffbeimischung zu produzieren. Das müsse enden. „Teller statt Tank" laute deswegen die Parole. Und der Verein Deutsche Umwelthilfe (DUH) verweist stolz darauf, dass die Minister nun endlich seine Forderungen aufgreifen. Doch nun entsteht ein Interessenkonflikt.

Kraftstoffe aus Bio-Material wurden in den Tank gezwungen, weil sie die klimaschädlichen Emissionen der fossilen Kraftstoffe vermindern. Generell hat die Politik auch in der veränderten geopolitischen Lage zu solchen Themen eine feste Meinung: Sie weist ständig darauf hin, dass alle Anstrengungen zu Klimaschutz und Umweltprojekten auch unter den gegenwärtig schwierigen Umständen mit aller Kraft weitergeführt werden.

Die extrem verkürzte, aber griffige Parole „Teller statt Tank“ zeigt, dass sich die illustre Ministerrunde am Freitag von diesem Ziel entfernt hat. Sonst hätte sie sich ihrem Thema nicht unter einem populistisch verengten Blickwinkel genähert. Vielleicht hätten ihnen Gespräche mit Experten dazu verholfen, eine Position zu erarbeiten, die der Umwelt, dem Klima und der Versorgung mit Lebensmitteln gedient hätte.

Manchmal lohnt es sogar, Interessenvertreter anzuhören. So wies der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) noch am Freitag darauf hin, dass der Einsatz von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse schon jetzt auf 4,4 Prozent der im Verkehr genutzten Energie beschränkt sei. „Wenn die Umweltminister Biokraftstoffe weiter deckeln wollen, müssen sie auch sagen, wie sie die Klimaziele erreichen wollen“, sagte Elmar Baumann, Geschäftsführer beim VDB. Für Ethanol werde zumeist Getreide verwendet, das nicht nahrungsmitteltauglich ist. Fazit des Verbandes: Mit den jetzt angedachten Maßnahmen betreiben die Umweltpolitiker nutzlose Symbolpolitik.

Ein Zurückfahren der Biokraftstoffmenge würde den Nahrungsmittelmarkt nicht entlasten, sagte Baumann und verwies zudem darauf, dass bei der Biokraftstoffproduktion gleichzeitig eiweißreiches Tierfuttermittel entstehe. Aus 60 Prozent der Rapsernte werde Rapsschrot zur Tierfütterung, lediglich 40 Prozent werden zu Pflanzenöl, aus dem Biodiesel gewonnen werden kann. Das Proteinfuttermittel kommt der Lebensmittelherstellung zugute und ersetzt Futter aus Soja, das aus Übersee importiert werden müsste. Baumann provokant: „Die Umweltminister wollen offenbar ohne Nutzen für die Lebensmittelversorgung mehr fossile Kraftstoffe verbrennen und mehr Soja importieren. Damit würden sie nicht nur den Biokraftstoffproduzenten, sondern auch der deutschen Landschaft schaden."

Die Deutsche Umwelthilfe hatte kürzlich eine Studie des „ifeu-Instituts“ als Grundlage für die Forderung, die Förderung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse zu stoppen. Die Studie mit dem Titel „CO2-Opportunitätskosten von Biokraftstoffen in Deutschland" stieß bei Experten auf wenig Gegenliebe und Spott, weil Vorrausetzungen gezielt gewählt und Zahlen verfälscht wurden. So bezeichnen die Autoren die Treibhausgasemissionen der Elektromobilität inklusive der Batterieproduktion als irrelevant und untersuchen ausschließlich die Emissionen von Biokraftstoffen. Dasselbe Institut hatte dagegen in der Studie „Klimabilanz von E-Fahrzeugen“ für den Think Tank Agora Verkehrswende deutliche Emissionen für Fahrzeuge mit Batteriebetrieb errechnet. Solche Wiedersprüche erlauben Experten das Urteil: „Die Zahlen der DUH-Studie sind durch ihre Einseitigkeit geradezu manipulativ und unseriös.“

Und doch nimmt der Verein DUH für sich in Anspruch, das Thema bei Politik und Medien platziert zu haben. So sagt die Vorsitzende der Umweltministerkonferenz, Eva-Maria Lemke (Die Grünen): „Agrokraftstoffe aus Nahrungs- und Futtermitteln können in einer Zeit, in der uns eine der schlimmsten globalen Hungerkrisen droht, kein Lösungsweg mehr sein." Die Äcker würden weltweit benötigt, um Nahrung zu produzieren, sagte Lemke.

Und doch warnen Experten davor, Teller und Tank gleichzusetzen. Denn was hierzulande als Biodiesel oder Alkoholbeimischung zum Benzin im Tank landet, dient in erster Linie dem Klima und ist für die Ernährung oft ungeeignet. Parolen haben noch selten eine sachgerechte Diskussion erleichtert, auch wird nicht helfen: Besser alle Tassen im Schrank, als einen Teller vor dem Kopf. Aber auch der Spruch ist weder zielführend, noch neu. Diese Debatte haben wir in aller Ausführlichkeit schon vor Jahren geführt, als es um die Einführung von E5- und E10-Kraftstoffen ging. Auch damals stand die angebliche Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion ganz oben auf der Liste der Gegenargumente. Schließlich herrschte der große Konsens nicht nur unter den Grünen: Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir nachwachsende Rohstoffe für Biodiesel, Biosprit und Biogas. (Peter Schwerdtmann, aum)

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Mit Bioethanol betriebene Schnellladestation von Me Energy.

Mit Bioethanol betriebene Schnellladestation von Me Energy.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Me Energy

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CO2-Reduzierung durch Bioethanol.

CO2-Reduzierung durch Bioethanol.

Foto: Auto-Medienportal.Net/BDBe

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Der am Köln-Bonner Flughafen stationierte ADAC-Rettungshubschrauber „Christoph Rheinland“ wird im Rahmen eines Pilotprojekts drei Jahre lang mit einer 35-prozentigen Bio-Kerosin-Beimischung fliegen.

Der am Köln-Bonner Flughafen stationierte ADAC-Rettungshubschrauber „Christoph Rheinland“ wird im Rahmen eines Pilotprojekts drei Jahre lang mit einer 35-prozentigen Bio-Kerosin-Beimischung fliegen.

Foto: Autoren-Union Mobilität/ADAC

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Der erste Flug mit Kerosin aus Biomasse.

Der erste Flug mit Kerosin aus Biomasse.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Lufthansa, DB Schenker

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Range Rover SV Autobiography Dynamic Stealth.

Range Rover SV Autobiography Dynamic Stealth.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Land Rover

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