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Eine letzte Chance: Die Stimme der Kunden

Diese Szene kennt jeder aus Krimis: Verhörer, Verhörter, meist verspiegelte große Glaswand, hinter der – das weiß doch jeder – andere zuhören und die TV-Kamera, starr gerichtet auf den Deliquenten. Hinter der Scheibe sitzt der Deutschland-Chef mit Dolmetscher und die Kamera überträgt alles nach Fernost. Dabei geht es nur um das nächste Automodell, zu dem sich ein Experte oder ein nichts ahnendes Mitglied der Zielgruppe äußern soll. Weil der Mitarbeiter einer Spezialagentur die Fragen vorliest, ist klar: Dieses „Verhör“ wird vielfach wiederholt.

Die Diskussion am Tisch ist eine der Methoden, mit dem Marketingexperten und Designer die Chancen eines neuen Konzepts oder Modells auszuloten wollen. Andere Verfahren gehen den nächsten Schritt in Richtung Realität und stellen Details oder den Prototyp eines zukünftigen Serienfahrzeugs zur Diskussion. Wie ist der Eindruck von dem Fahrzeug? Welche Wünsche haben die potenziellen Kunden, oder gibt es gar Probleme, die kurz vor der Markteinführung noch dringend ausgebessert werden müssen?

Renault hat die „Renaulution“ ausgerufen. Die sieht immer kürzere Entwicklungszeiten von Fahrzeugen mit immer mehr Kundenvorteilen vor. Designer und Marketingexperten sind also mehr als bisher gefordert, Kundenwünsche zu kennen und zu berücksichtigen. Für das französische Unternehmen werden die sogenannten Car Clinics deswegen wichtiger. Renault bietet deswegen eine gute Gelegenheit, einen Blick in deren Car Clinics zu werfen. Zuständig im Unternehmen ist Céline, Customer Intelligence Manager und Expertin für Customer Insight bei der Renault Group.

Bei ihren Tests werden zunächst die spontanen Reaktionen bei den Probanden erfasst und analysiert, wenn sie ein neues Fahrzeug erstmals zu Gesicht bekommen. Alle Meinungen, Reaktionen und Emotionen, sowohl verbal als auch nonverbal, werden aufgezeichnet und von Marktforschungsexperten interpretiert. „Wenn man über zwei Jahre an einem Fahrzeug gearbeitet hat, ist man gespannt zu sehen, ob potenzielle Kunden die Bemühungen zu schätzen wissen“, beschreibt Céline dabei die Gefühlslage ihrer beobachtenden Kollegen.

Renault führt etwa fünf bis zehn Car Clinics pro Jahr durch. Mindestens acht Wochen Planung und Organisation braucht jede im Vorfeld. Denn nach einem strengen Lastenheft, das von der Abteilung Customer Intelligence erstellt wird, konzipieren und leiten spezialisierte Marktforschungsunternehmen alle Aspekte der Tests: von der Auswahl der Teilnehmer und der Standorte, dem Aufbau und der Logistik, über die Planung und Durchführung bis hin zur Sammlung und Auswertung der Daten sowie der Erstellung des Abschlussberichts. Akribie und Kreativität sind gefragt, wenn es darum geht, die richtigen Ressourcen für einen reibungslosen Ablauf des Tests einzusetzen. Jedes Detail ist wichtig, um den Kunden nicht unbeabsichtigt zu beeinflussen. Außerdem muss in jeder Phase des Tests Vertraulichkeit gewährleistet sein.

Die Car Clinics sind der Moment der Wahrheit für ein Fahrzeug. Da die Tests drei Jahre vor dem Verkaufsstart eines Fahrzeugs stattfinden – also fast nach der Hälfte der fünfjährigen Entwicklungszeit – steht in der Regel nur ein einziger Prototyp für alle Testvorführungen zur Verfügung. Da Renault die Anzahl der Länder für die Tests verdoppelt und in einigen Fällen sogar verdreifacht hat, muss alles reibungslos ablaufen. Dies beginnt schon beim sicheren und vertraulichen Transport des handgefertigten und unbezahlbaren Prototyps zu den verschiedenen Teststandorten.

„Wir müssen das neue Auto zusammen mit anderen zeigen, als ob es in einem Ausstellungsraum stünde. Die Teilnehmer müssen in der Lage sein, die Proportionen des Prototyps zu erkennen und sich mit seinen Eigenschaften vertraut zu machen, mit realistischen und vertrauten Bezugspunkten, damit sie einen genauen ersten Eindruck gewinnen können“, beschreibt Céline die Herausforderung vor Ort.

Das Projektteam verfolgt in einem anderen Raum die Reaktionen der Teilnehmer. Die Spannung und Aufregung, die sich aus der ersten Enthüllung ergibt, führen immer zu leidenschaftlichen Diskussionen und produktiven Gesprächen in den Teams. Wenn Teilnehmer zu lange brauchen, um das Konzept zu verstehen oder unerwartet reagieren, ist die Spannung spürbar. Dafür ist die Erleichterung groß, wenn die ersten Anzeichen positiv sind. Jede Rückmeldung kann zu hitzigen Debatten zwischen den Mitgliedern des Projektteams führen. Kaum ein Test vergeht ohne Kommentare wie: „Ich habe doch gesagt, dass das nicht funktioniert“ oder „Siehst du, wir hatten Recht, darauf zu bestehen!“.

In der Regel sollen alle Analysen aus einer Car Clinic innerhalb von sechs Wochen nach der Veranstaltung verfügbar sein. Die wichtigsten Ergebnisse, die Einfluss auf die Serienversion nehmen, sollen schnell verfügbar sein. Normalerweise müssen die Teams jedoch nicht bei null anfangen oder das Fahrzeug grundlegend ändern. Dennoch, so erinnert sich Céline, „mussten wir einige Projekte stoppen“. Deswegen findet der Praxistest inzwischen kurz vor der endgültigen Festlegung des Fahrzeugdesigns statt, um Zeit für Nachbesserungen zu gewinnen. (aum)

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Ein Prototyp, fertigt für die Car Clinic.

Ein Prototyp, fertigt für die Car Clinic.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Renault

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