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Interview mit Alain Visser: „Wir sind eine Art Airbnb der Mobilität“

Lynk & Co gehört zum chinesischen Geely-Konzern und setzt beim Vertrieb auf ein neues Modell. Statt den Lynk & Co 01 zu kaufen, können die Kunden das Fahrzeug im Abo erwerben. Viele Zeitgenossen greifen zu. Walther Wuttke von der Autoren-Union Mobilität sprach mit Alain Visser über das Konzept.

Herr Visser, warum ist Lynk & Co ein Automobilhersteller, der keine Autos verkaufen will?

„Als wir angefangen haben, haben wir uns gesagt, dass es bereits viele Automobilhersteller gibt, die wie wir alle sehr gute Modelle produzieren und dass die Welt nicht noch eine neue Marke braucht. Deshalb haben wir uns entschieden, ein innovatives Mobilitätsangebot an den Start zu bringen. Das haben wir entwickelt, und jetzt verkaufen wir Mobilität auf Zeit wie eine Art Netflix oder Airbnb der Automobilindustrie gegen eine monatliche Gebühr.“

Sie haben also keine Käufer, sondern Mitglieder, die ihr Angebot nutzen?

„Genau. Unser Lynk & Co 01 kann auch gekauft werden, aber 95 Prozent der Interessenten sind Mitglieder unserer Gemeinschaft geworden und nutzen die Abo-Möglichkeit. Bisher haben wir so in den sieben europäischen Ländern, wo wir präsent sind, 29.000 Fahrzeuge an Mitglieder verteilt, die dafür 500 Euro im Monat bezahlen. In Deutschland sind es aktuell rund 4000. Die Mitglieder können das Auto nach einem Monat, oder einem anderen Zeitraum an uns zurückgeben. Unser Ziel für dieses Jahr lag eigentlich bei 9000 Fahrzeugen, und der Erfolg hat uns am Ende sehr positiv überrascht. Außerdem haben sich 25.000 Menschen in unserer Gemeinschaft angemeldet, ohne einen Lynk & Co 01 zu abonnieren.“

Von ihren Mitgliedern erwarten Sie einen gewaltigen Mentalitätswechsel. Statt mein Auto heißt es jetzt meine Mitgliedschaft bei Lynk & Co.

„Das ist natürlich ein Mentalitätswechsel, aber wir glauben, dass unsere Zielgruppe bei Menschen liegt, die diesen Wechsel für sich bereits vollzogen haben, aber bisher kein passendes Angebot gefunden haben. Nach unseren Analysen liegt der Anteil dieser Zeitgenossen in Europa bei rund zehn Prozent – in Deutschland liegt der Wert etwas niedriger. Diese Gruppe will kein Auto mehr besitzen und stattdessen Mobilität erwerben.“

Wie funktioniert ihr Modell konkret? Und wo kann ich die Mitgliedschaft erwerben?

„Da gibt es zwei Möglichkeiten. Einmal in einem unserer Clubs, doch da gibt es zurzeit in Europa nur sechs Stellen. 97 Prozent unserer Mitgliedschaften kommen daher über das Internet, und das ist sehr einfach. Zur Wahl stehen Kauf oder Mitgliedschaft und Schwarz oder Blau, andere Lackierungen haben wir nicht im Programm. Außerdem haben wir nur eine Ausstattung, und die ist vollständig. Das ist zugebenermaßen ein wenig wie bei Henry Fords T-Modell. Wir haben festgestellt, dass dies den Kunden vollkommen ausreicht. Die einzige Option, die wir künftig anbieten werden ist eine Anhängerkupplung – nicht nur für die Niederlande.“

Ein Teil Ihres Mobilitätsangebots ist Carsharing. Das war bei anderen etablierten Herstellern bisher nicht sonderlich erfolgreich. Was ist das Besondere an Ihrem Modell?

„Bei uns ist Carsharing von vornherein Teil des Geschäftsmodells. Viele Hersteller leben doch in dem Konflikt, dass sie vor allem Autos verkaufen wollen, und Carsharing passt da nicht wirklich in dieses klassische Konzept. Aktuell können wir noch nicht beweisen, dass unsere Lösung funktioniert. Dafür ist es noch zu früh. Aber ich glaube, dass die Mehrheit unserer Mitglieder dazu bereit ist, weil sie die monatlichen Kosten senken können, wenn sie das Auto innerhalb der Gemeinschaft teilen. Wir sehen weltweit eine wachsende Zahl von Menschen, für die der Besitz an Bedeutung verliert.“

Und wie funktioniert dieses Modell konkret, und wer bestimmt den Preis?

„Den Preis bestimmen unsere Mitglieder selbst. Der Interessent meldet sich über die Lynk-&-Co-App und fragt, ob er den 01 für eine bestimmte Zeit übernehmen kann. Die Bezahlung erfolgt dann per Kreditkarte. Der Interessent erhält einen Code, mit dem er das Auto öffnen und starten kann. Bei Beschädigungen wird über die Versicherung abgerechnet. Da arbeiten wir mit der Allianz zusammen. Die Entscheidung, wer das Auto übernimmt, liegt allein beim Mitglied. Wir werden in Zukunft auch ein Rating haben, an dem man sehen kann, wie sich das Mitglied in der Vergangenheit verhalten hat. Das Teilen geht aber auch anders. Wenn zum Beispiel mehrere Menschen beschließen, ein Auto zu teilen, dann werden alle Mitglieder bei Lynk & Co und einer übernimmt das Auto im Abo, dass er dann mit seinen Freunden oder Familienmitgliedern regelmäßig teilt.“

Warum bieten Sie kein vollelektrisches Modell als Abo-Auto an?

„Wir haben die Technologie im Konzern, doch in Deutschland und Europa sehen wir noch keine ausreichende Lade-Infrastruktur. Deshalb bieten wir den 01 als Plug-in-Hybrid und als Hybrid an. Die Reichweite liegt bei 70 Kilometern, so dass man im Alltag überwiegend elektrisch unterwegs ist. Das nächste Auto in unserer Palette, dass vielleicht in zwei Jahren geplant ist, wird ein batterieelektrisches Modell sein, aber nur wenn sich die Ladeinfrastruktur in Europa bis dahin deutlich verbessert. Die europäischen Regierungen sind da aus unserer Sicht ziemlich langsam.“

Spielen Flottenkunden bei Ihren Plänen auch eine Rolle?

„Das ist für uns ein wichtiges Segment. Weil sich so für die Kunden die Zahl der Dienstfahrzeuge und damit auch die Kosten verringern lassen. Schon jetzt sind rund 27 Prozent der 29.000 Mitglieder Geschäftskunden, und wir glauben, dass das Potenzial in diesem Bereich sehr groß ist.“

Lynk & Co ist Teil des Geely-Konzerns. Spielen Sie da die Rolle einer Experimentierabteilung?

„Wir werden im Konzern schon ein wenig wie das wilde Pferd im Stall gesehen und stehen weniger für neue technische Konzepte, sondern für innovative Mobilitätslösungen. Ob die dann von anderen Marken übernommen werden, lässt sich noch nicht sagen.“

Sie haben kein Händlernetz, sondern nur Ihre Clubs. Wer übernimmt dann den Service der Autos?

„Das läuft über die Volvo-Händler. Dort wird der Service gemacht. Unsere Clubs sind keine Händlerstützpunkte, sondern vielmehr Treffpunkte der Gemeinschaft. Bisher haben wir in Deutschland drei Clubs in Berlin, Hamburg und jetzt in München. Wir sehen uns Möglichkeiten in Düsseldorf und Frankfurt an. Im kommenden Jahr werden wir in Europa 17 Clubs haben, fünf davon in Deutschland.“

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

„Wir rollen unser Konzept zunächst auf sieben Märkten in Europa aus, um dort unser Angebot erfolgreich zu etablieren, und im zweiten Schritt wollen wir das in den nächsten fünf Jahren in mehr europäischen Ländern umsetzen. Wir haben zwar noch keine konkreten Pläne aber Ambitionen, in die USA zu gehen. Wir glauben, dass unser Modell auch dort funktioniert. Möglicherweise kommt ein zweites Auto als vollelektrisches Modell, und dann müssen wir sehen, ob wir zwei Modelle brauchen. Ich sehe uns aber in der Zukunft mit maximal zwei Modellen auf dem Markt.“ (aum/ww)

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Alain Visser.

Alain Visser.

Foto: Autoren-Union Mobilität/Lynk & Co

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Lynk & Co 01.

Lynk & Co 01.

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