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Im Bücherregal: Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen?

Segeln ist eine feine Sache. Wer sich einmal mit dem Virus des Windes infiziert hat, wird ihn so schnell nicht wieder los. Da kommt manch ein passionierter Skipper vielleicht auf die Idee, das Hobby zum Beruf zu machen, um möglichst viele Tage auf dem Boot zu verbringen. Johannes Erdmann und seine Frau Cati sind diesem Gedanken gefolgt und haben auf den Bahamas eine Basis für Charterfahrten mit Gästen gegründet. Die Erfahrungen, die er dabei sammeln konnte, hat der in Fallersleben geborene „Salzbuckel“ nun in „Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen“ aufgeschrieben. Herausgekommen sind 33 Anekdoten und Geschichtchen zum Schmunzeln und Wundern.

Um es vorwegzunehmen, ein Buch übers Segeln ist die Fleißarbeit nicht geworden. Zwar erklärt Erdmann unverdrossen immer wieder die Technik seines nicht mehr ganz neuen Schiffs, doch im Mittelpunkt stehen stets die Erlebnisse mit den meist eher unbedarften Gästen, die auf jeder Reise erneut für teils positive, hauptsächlich aber unangenehme Überraschungen sorgten. Da erfahren wir, dass Sonnencreme schädlich für das Gel-Coating des Schiffsrumpfs ist und deshalb Sprays an Bord tabu sind. Denn der Wind verteilt den Sonnenschutz überall, nur nicht auf der Haut. Oder dass einer täglich ein frisches Badetuch forderte, und gleichzeitig, welch eine Herausforderung es darstellt, alle zehn Tage die altersschwachen Waschmaschinen im Hafen zum Leben zu erwecken. Auch von einer Familie erzählt Erdmann, die vor der Traumkulisse der Karibikinseln im Cockpit saß und nichts anderes als Karten spielte und dass Pinkeln über Bord nicht erwünscht ist.

Ein belebender Erzählfluss kommt wegen der kurzen Anekdoten nicht zustande, die Themen, über die Erdmann auf drei bis acht Seiten berichtet, wechseln ständig und ohne erkennbaren Fahrplan. Dazu kommt, dass der Charterskipper seine Gäste gar nicht auf einem richtigen Segelboot, sondern an Bord eines 13 Meter langen und sieben Meter breiten Katamarans, also einem Zweirumpfschiff, empfängt. Der liegt zwar bei Seegang ruhiger als ein Monohull im Wasser, segelt aber erheblich ineffizienter als dieser. Vor allem das große Platzangebot und die höhere Zahl der Kabinen sind es, die den Kat für Charterfahrten prädestinieren. Und dass er einen geringeren Tiefgang hat als eine Einrumpf-Yacht, ist in den flachen Gewässern zwischen den Bahamas auch kein Fehler.

Viele der Mitsegler sind Frischlinge auf dem karibischen Meer, sie haben daher keine rechte Vorstellung über das Leben an Bord. Johannes Erdmann schildert sich daher gerne in der Rolle des Kapitäns, aber auch des Moderators, des Barkeepers und des Toilettenreinigers. Die Episode über das Reinigen des Fäkalientanks, dessen Abfluss gelegentlich von Urinplatten verstopft wird, erzeugt beim Leser ein gewisses Mitleid, zum Teil aber auch Unverständnis. Denn ein erfahrener Skipper muss wissen, auf was er sich einlässt, wenn er mit erholungssüchtigen Landratten in See sticht. Immer schwebt der leicht erhobene Zeigefinger über den Anekdoten, wenn durch Unwissenheit entstandenes Fehlverhalten der Gäste anprangert. Mehrfach hat er mit seiner Gattin den Atlantik überquert und bei seinen ersten Annäherungen ans Hochseesegeln gewiss auch nicht immer auf Anhieb die richtigen Entscheidungen getroffen.

Daher ist das bei Delius-Klasing erschienene Buch weniger ein Erlebnisbericht vom Segeln in den Bahamas als eine Beschreibung von Sozialverhalten auf engem Raum, von Anspruchshaltungen und kleinen Unverschämtheiten, die sich Menschen erlauben, die viel Geld für den erhofften Traumurlaub ausgegeben haben. Erst in der zweiten Hälfte tut Erdmann noch etwas "Butter bei die Fische". Da erfahren wir plötzlich von der unglaublichen Vielfalt scharfer karibischer Würzsoßen, von einem Notfall auf See und wie man damit umgehen sollte und am Ende auch noch etwas über die Piratenvergangenheit der Bahamas.

Trotzdem wandle ich den vom Verlag auf den hinteren Umschlag gedruckten Satz um. „Achtung!“, steht da, „Dieses Buch wird nicht nur Segler zum Lachen bringen!“ Ich würde schreiben: „Dieses Buch wird vor allem Nicht-Segler zum Lachen bringen.“ Sehr geeignet ist die Lektüre für alle, die einen Charter-Törn ins Auge fassen. Für sie ist das Buch sehr lehrreich, wenn sie Informationen über das Leben an Bord suchen. Mit Johannes Erdmann wird das allerdings nicht mehr funktionieren. Mit dem Dasein des Charterskippers ist es für ihn vorbei, 2019 schon ist er nach Deutschland zurückgekehrt und lebt heute zusammen mit seiner Frau und einem Sohn in Hamburg.

„Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen?“ von Johannes Erdmann ist im Delius-Klasing-Verlag erschienen. Das Buch hat 226 Seiten mit neun Fotos und Abbildungen und kostet 19,90 Euro. (ampnet/mk)

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„Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen?“ von Johannes Erdmann.

„Könnt ihr mal das Segel aus der Sonne nehmen?“ von Johannes Erdmann.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Michael Kirchberger

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