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Fahrvorstellung Aprilia RS 660: So sexy kann Mittelklasse sein

Weltweit ist das Segment der Motorräder mit 250 bis 550 Kubikzentimeter Hubraum schwer im Kommen. Plus 150 Prozent beträgt die Bilanz seit 2010. Im gleichen Zeitraum nahmen die Verkäufe von Bikes mit 550 bis 750 ccm um 40 Prozent ab. Was bislang fehlt in der Aufsteigerklasse, ist ein voll alltagstaugliches Sportmotorrad, hat die italienische Marke Aprilia festgestellt. Eins, das jeder beherrschen kann, das auch auf längeren Strecken überzeugt, gepäcktauglich ist – und das gleichzeitig echte Racing-Gene mitbringt. Ein Mittelklasse-Allround-Sportler im besten Sinne also. Nennen wir es die eierlegende Fahrspaßsau.

Mit der neuen Aprilia RS 660 bringt der 54-fache Motorrad-Weltmeister genau so ein Bike jetzt auf die Straße – zum Kampfpreis von 10.770 Euro inklusive aller Nebenkosten. Der Wettbewerb verlangt bis zu 5000 Euro mehr. Nicht nur das macht die ab Ende Oktober 2020 zur Auslieferung bereitstehende RS 660 ausgesprochen interessant für die Zweiradsaison 2021.

Eine neue Form der „Sportiness“ soll sie vermitteln (jederzeit von jedem gut beherrschbar), neue Märkte erobern (Asien) und unschlagbar sein auf „twisty roads“ – kurvigen Straßen, dem Lieblingsrevier der meisten Motorradfahrer. Übersichtliche 183 Kilogramm bringt die Aprilia RS 660 zu 90 Prozent vollgetankt auf die Waage. “Damit ist sie das leichteste Bike ihrer Klasse“, frohlockt Roberto Calò, der Leiter des Aprilia Center of Competence. Der Look des 100 PS starken Midsize-Renners erinnert schwer ans hauseigene Superbike RSV4 – nur eben alles eine Spur kleiner, schmaler, dezenter. Das nimmt der RS 660 die Krawallattitüde der 200-PS-plus-Klasse, lässt sie aber nicht weniger begehrlich dastehen, als die große Schwester.

Drei knackige Farbgebungen hat Aprilia angerührt: Apex Black und Lava Red kennt man bereits – es sind klassische Aprilia-Rennbike-Looks. Neu im Angebot ist das ebenfalls matte Acid Gold. Ein Farbmix aus Gold und Limette, der Erinnerungen an das grelle Austin Yellow des BMW M3 weckt. Die aufwendig gestalteten, aerodynamisch ausgeklügelten Formen der RS 660 gehen durch die Uni-Lackierung zwar etwas verloren. Dafür fällt sie Motorrad-Enthusiasten schon von weitem als Neuheit auf: So eine Knallerfarbe trägt derzeit kein anderes Bike ab Werk.

Der Zweizylindermotor ist eine komplette Neuentwicklung. Die RS 660 markiert damit den Auftakt zu einer neuen Modellgeneration von Aprilia. Schaut man sich das Produktportfolio an, dürfte der drehfreudige Twin zeitnah beispielsweise in einer kleinen Tuono zum Einsatz kommen: Das Supersport-Naked-Bike ist eines der V4-Aushängeschilder von Aprilia. Ebenfalls denkbar: eine Scrambler- und eine Reise-Variante. Aprilia misst sich mit seiner neuen Mittelklasse-Familie unter anderem mit Triumph, die Anfang 2021 die neue Trident bringen. Die ist ebenfalls mit 660 Kubikzentimetern Hubraum und knapp 100 PS gesegnet, hat aber einen Brennraum mehr: Die Triumph Trident wird das erste Dreizylinder-Bike im Midsize-Segment.

Bei den Testfahrten im Hinterland von Venedig hat die Aprilia RS 660 schwer Eindruck gemacht auf die internationale Fachpresse. Das einstellbare Fahrwerk und das kompakte Triebwerk begeistern auf ganzer Linie. Lässig bummeln im vierten oder fünften Gang, kernig beschleunigen aus dem Drehzahlkeller, mächtig durchladen oberhalb von 7500 Touren bis zum Maximum von 11.500 Umdrehungen pro Minute – all das erledigt der Motor mit einer beeindruckenden Portion Italo-Power. Das sorgt für mächtig Dampf unterm Hintern. Der Sound stimmt auch: kehlig, präsent, obenrum fanfarig, aber nie nervig laut oder zu sehr auf dicke Hose machend. Perfetto, Ragazzi!

Bei den Fahrassistenzsystemen haben die Italiener nur ins obere Regal gegriffen: Kurven-ABS, Traktionskontrolle, Fahrprogramme, konfigurierbarer Rennmodus, Smartphone-Anbindung, Kurvenlicht – alles „State of the Art“ und in diesem Segment „Best of Class“, versichert Roberto Calò. Was Zweiradartisten freuen dürfte: Die sogenannte Wheelie-Kontrolle (die eigentlich Hochstarts zügeln sollte) überschreibt die Traktionskontrolle. Wer bevorzugt auf dem Hinterrad unterwegs ist, muss also keine gesonderten Einstellungen im Bordmenü vornehmen. Allen anderen sei die komfortable Sitzbank in horizontaler Ausrichtung empfohlen: Die Sitzposition ist top. Statt des Soziuskissens kann, wie bei der RSV4, ein leitwerkartiges Sitzcover montiert werden. Oder ein Topcase im Stile eines Schminkkoffers.

Besonders stolz ist die Entwickler-Truppe auf den neuen LED-Hauptscheinwerfer. Als erste Aprilia wartet die RS 660 mit seitlich in den Scheinwerfer integrierten Blinkern auf. Ein Lichtsensor im Dashboard erkennt, ob es düster wird und schaltet automatisch um, vom sehr präsenten Tagfahrlicht auf Abblendlicht. Auch in Tunneln funktioniert das wie bei Autos – flugs und zuverlässig.

Die Spitze der RS 660 gibt Aprilia mit 230 km/h an. Das ist sehr ordentlich für ein 100-PS-Bike mit „nur“ 67 Nm. 80 Prozent des maximalen Drehmoments liegen bereits ab 4000 Touren an, 90 Prozent mobilisiert die RS 660 bei 6250 Umdrehungen, also deutlich unterhalb des Leistungsplateaus von 8500 Touren. Die sechs Gänge wechselt der Fahrer serienmäßig per „Aprilia Quick Shift“. Bedeutet: Die Kupplung benötigt er nur zum Anfahren und Anhalten. Bei allen anderen Gangwechseln übernimmt der Schaltassistent das Kuppeln – und macht das exzellent: Leichtes Antippen des Ganghebels reicht für exakte, schnelle Schaltvorgänge rauf wie runter.

Vorn sorgen zwei Bremsscheiben mit jeweils 320 Millimeter Durchmesser für zackige Verzögerung, hinten muss eine 220er-Scheibe reichen. Die Brembo-Anlage lässt sich wunderbar dosieren und packt bei Bedarf vehement zu, was sie dem nachfolgenden Verkehr durch kurzes Warnblinken signalisiert. Unterstützend kommt die Motorbremse hinzu. Über das Bordmenü kann der Fahrer die Stärke dreifach konfigurieren. Auch das ist ein Novum bei Aprilia. Genau wie die „11 MP“-Motorsteuerungseinheit, die um ein Vielfaches schneller rechnet als die Motorsteuerung von RSV 4 und Tuono V4.

Starken Zuspruch für die RS 660 erhofft sich Aprilia in Deutschland, gleiches gilt für den Heimatmarkt Italien, Frankreich und Großbritannien, wo sportliche Mittelklasse-Maschinen seit jeher beliebt sind. Yamaha R6 (118 PS bei 14.500 Touren, ab 14.084 Euro) und Kawasaki Ninja ZX-6R (130 PS bei 13.500 Touren, ab 12.045 Euro) sind laut Aprilia die Referenz-Bikes der RS 660. Fairerweise sollte die Piaggio-Tochter aus Noale auch die Ducati SuperSport (ab 13.350 Euro inklusive Überführung) beziehungsweise Supersport S (ab 15.785 Euro) nennen: Mit 110 PS spielt sie trotz mehr Hubraums (937 ccm) in der gleichen Zweizylinder-Leistungsklasse.

Auch optisch haben die Italo-Renner eine auffällige Gemeinsamkeit: Beide rollen serienmäßig auf roten Rädern. Wobei sich Aprilia den Gag gönnt, nur die RS 660 in Acid Gold an Front und Heck rot zu bestücken. Die beiden anderen Lackierungen tragen hinten schwarz. (ampnet/rfb)

Daten Aprilia RS 660

Motor: Zweizylinder-Viertakt, 659 ccm, flüssigkeitsgekühlt
Leistung: 100 PS (73,5 kW) bei 10.500 U/min
Max. Drehmoment: 67 Nm bei 8500 U/min 
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: k.A.
Getriebe: Sechs-Gang
Antrieb: Kette
Tankinhalt: 15 Liter
Sitzhöhe: 820 mm
Gewicht: 183 kg (fahrbereit)
Normverbrauch: 4,9 l/100 km
CO2-Emissionen: 116 g/km
Testverbrauch: 5,3 l/100 km
Bereifung: 120/70 ZR17 (v.), 180/55 ZR17 (h.)
Preis: 10.770 Euro (inkl. NK)

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