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Keine Autoindustrie ohne Mittelstand

Die Corona-Krise, der Umstieg auf alternative Antriebe und die Digitalisierung stellen die deutschen Zulieferer und damit viele mittelständisch geprägten Unternehmen der Automobilindustrie vor die größte Herausforderung seit ihrer Gründung. Die Corona-Pandemie treffe sie in der Phase eines fundamentalen Wandels, der alle Kräfte erfordere. Die kleinen und mittelständischen Betriebe der Zulieferindustrie müssen aufgrund ihrer oft sehr spezifischen Produkte häufig ein komplett neues Geschäftsmodell entwickeln“, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), beim digitalen 20. VDA-Mittelstandstag vor rund 270 Vertretern mittelständischer Unternehmen der Autoindustrie.

Nach dem weltweiten Einbruch der Märkte infolge der Corona Krise habe sich die Gesamtsituation zwar vorerst etwas stabilisiert. Aber die Krise sei nicht ausgestanden. Es werden weiterhin weiter erhebliche Umsatzeinbrüche erwartet. Eine Umfrage unter den VDA-Mitgliedsunternehmen hat ergeben, dass gut jeder zweite Zulieferer davon ausgeht, erst im Jahr 2022 das Vor-Corona-Auslastungsniveau in der Produktion wieder zu erreichen.

Der erstmals im digitalen Format abgehaltene VDA-Mittelstandstag steht unter dem Motto „Mittelstand im VDA: Krise und Wandel gemeinsam gestalten“. Dabei geht es um Digitalisierung, Internationalisierung und Fachkräftegewinnung. Die offene Diskussion, auch im direkten Austausch mit Herstellern und großen Zulieferern, prägt den Charakter der Veranstaltung.

Der enorme Anpassungs- und Innovationsdruck sei bei vielen Zulieferern besonders stark zu spüren, so Hildegard Müller. „Wir müssen daher leider auch mit einem weiteren Rückgang bei der Beschäftigung rechnen. Die unmittelbaren Auswirkungen von Corona auf die Arbeitsplatzsituation werden durch das Instrument der Kurzarbeit derzeit überdeckt und gemildert. Wir brauchen nun aber über Corona hinaus in Deutschland und Europa eine moderne, dem Klimaschutz verpflichtete Wirtschafts- und Industriepolitik“, betonte die VDA-Präsidentin.

„Ein Fünftel der Zulieferer hat nur noch Liquidität für maximal drei Monate. Die komplette Umstellung der Produktpalette hin zur Elektromobilität hat schon in den letzten Jahren gewaltige Investitionen gefordert. Die Hausbanken vergaben schon vor Corona weniger Kredite an die mittelständischen Unternehmen. Aber Kreditprogramme sind auch jetzt keine langfristige Lösung: Die entgangenen Umsätze müssen möglichst schnell durch wieder hochlaufende Märkte ausgeglichen werden. Deshalb muss ein erneuter Lockdown unbedingt verhindert werden“, sagte Arndt G. Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter und CEO der Kirchhoff Automotive Holding und Vorsitzender des VDA-Mittelstandstages.

Der in der vergangenen Woche vorgelegte Kilimazielplan der EU-Kommission für 2030 könne vor dem Hintergrund der Corona-Krise die wirtschaftlichen und sozialen Belastungen der mittelständischen Unternehmen weiter verschärfen. „Die EU-Kommission will die EU-weiten CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken. Zugleich sollen die erst vor zwei Jahren verabschiedeten CO2-Flottengrenzwerte für Pkw bis 2030 von minus 37,5 Prozent auf minus 50 Prozent gesenkt werden. Welche Auswirkungen dieser Vorschlag auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas hat, wird von der EU-Kommission noch nicht ausreichend beantwortet“, kritisierte Hildegard Müller. Die Kommission müsse erklären, wie die Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden können und zu welchen Kosten bzw. mit welchen sozialen Folgen eine weitere Absenkung der Grenzwerte in zehn Jahren machbar ist.

„Der Fakt, dass sich unsere Branche wandeln muss, bleibt auch mit Corona richtig. Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Elektrifizierung und Digitalisierung stehen nach wie vor auf unserer Tagesordnung“, meinte Dirk Große-Loheide, Vorstandsmitglied für Beschaffung und IT bei Audi, in seinem Vortrag über die Transformation beim Autohersteller.

VDA-Geschäftsführer Dr. Martin Koers erinnerte daran, dass die deutsche Autoindustrie für 35 Prozent der weltweiten Forschungs- und Entwicklungsausgaben in der Branche stehe. „Damit nehmen unsere Unternehmen Platz 1 ein, vor den Wettbewerbern aus Japan und den USA. Das untermauert den Anspruch unserer Hersteller und Zulieferer, auch weiterhin weltweit technisch führend zu sein.“

Über 500 der gut 600 Mitglieder des VDA sind Zulieferunternehmen. Vier von fünf Zulieferern kommen aus dem Mittelstand – oft sind diese Unternehmen familiengeführt. Die deutschen Automobilzulieferer beschäftigten im ersten Halbjahr 2020 allein im Inland gut 305.200 Mitarbeiter. (ampnet/jri)

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