Wenn ein neues Auto auf den Markt kommt, lieben es die Hersteller, ungewöhnliche Zahlen und Anekdoten auszugraben. Eine Zahl überrascht: Stolze 80 Prozent aller S-Klasse-Käufer bleiben beim nächsten Autokauf der Marke Mercedes-Benz treu. Ganz klar: Wer eine S-Klasse fährt, ist angekommen. Auch bei seiner Automarke.
Wohin sonst soll man auch gehen? Vielleicht zu Audi? Dort wird kein Alleinstellungsmerkmal mehr geboten, denn der V8-Diesel wird gerade gestrichen und der W12 hat es gar nicht mehr in die neue Modellgeneration geschafft. Rolls-Royce und Bentley? Diese Autos sind teurer, aber nicht besser. Es galt bislang fast immer: Die S-Klasse ist das wohl beste Oberklasse-Auto der Welt. Damit es so bleibt, hat Daimler die S-Klasse komplett neu entwickelt: Die neue Modellgeneration W223 soll bei Technologie, Luxus und Innovation weiterhin ganz oben stehen.
Eine ausgiebige Mitfahrt in der neuen S-Klasse hat uns beeindruckt: Das Komforterlebnis ist unübertroffen, die innovative Benutzeroberfläche weitaus moderner als gedacht. Jetzt wird das Auto zum ersten Mal ohne Tarnung gezeigt. Und obwohl es sich immer noch unverkennbar um eine S-Klasse handelt, ist das neue Modell eindeutig ein gestalterischer Fortschritt.
Ganz vorne ragt eine Neuinterpretation des traditionellen Mercedes-Kühlergrills in den Fahrtwind, gekrönt durch den klassischen Stern auf der Motorhaube; die kommenden Varianten von Maybach und AMG erhalten jeweils einen eigenständigen Kühlergrill. Die Scheinwerfer sind schlank gezeichnet, die Fronthaube ist lang genug, um alles von einem Reihen-Sechszylinder bis zu einem V12 zu schlucken.
Der seitliche Aufriss und die Dachpartie wirken gestreckter und straffer als bisher, das Heck wird durch horizontale Rückleuchten geziert. Das Volumen wird durch sparsam gesetzte Linien und Falten aufgebrochen, und insgesamt wirkt die S-Klasse zeitgemäßer, eleganter und eindrucksvoller als die etwas klotzig gezeichneten Konkurrenzprodukte bayerischer Abstammung.
Der Innenraum vollzieht einen weitaus größeren Sprung; die opulenten, rundlichen Linien des Vorgängers weichen einem kalt-futuristischen Stil, der durch warme Farben und edle Dekorelemente temperiert wird. Hartmut Sinkwitz, Leiter des Interieur-Design, übertreibt nicht, wenn er von einem "revolutionären Innenraum-Erlebnis im Spannungsfeld zwischen digitalem und analogem Luxus" spricht.
Die Formen im Interieur sind horizontal betont, akzentuiert mit moderner Technologie und digitalen Bildschirmen, die nicht auf totale Reduktion, sondern auf eine stolze Darstellung des technisch möglichen setzen. Tatsächlich sind es verschiedene Optionen, die diesem äußerst komfortablen Langstreckenkreuzer das Ambiente eines Raumschiffs verleihen.
Es gibt gegen Aufpreis bis zu fünf Bildschirme, OLED-Displays und einen dreidimensionalen Bildschirm, dessen Darstellung je nach Position der Augen des Fahrers variiert. Dieser 3D-Effekt ist ebenso atemberaubend wie das riesige Head-up-Display - eines von zwei verfügbaren. Es ist so ausladend dimensioniert, dass es ein echtes "Augmented-Reality"-Erlebnis bietet; dabei überlagern Pfeile und eingeblendete Informationen per Projektion direkt das Fahrzeugvorfeld.
Es gibt übrigens auch ein optionales Beleuchtungssystem, das Informationen direkt auf die Straße projizieren kann. Die Sicherheitssysteme setzen Maßstäbe: Fahrer und Fahrzeugumgebung werden ständig überwacht, die Autonomie des Level 4 ist nur einen Federstrich entfernt: Wenn die Aufsichtsbehörden grünes Licht geben, kann der Fahrer der S-Klasse seine E-Mails abrufen, während das Auto mit Richtgeschwindigkeit dahinrollt.
Die schier endlose Liste an Innovation umfasst zwei Allrad-Lenksysteme: In der gehobenen Stufe lassen sich die Hinterräder um bis zu 10 Grad einschlagen, wodurch sich der Wendekreis um fast zwei Meter verkleinert. Das Erlebnis ist geradezu surreal, die Manövrierbarkeit der S-Klasse steigt damit enorm.
Die Liste der luxuriösen Extras ist ebenfalls eindrucksvoll; sie umfasst unter anderem eine Burmester-Hifi-Anlage mit 22 Lautsprechern und "4D"-Sound; dabei werden Schallwellen per Vibration im Sitz verstärkt, wodurch das Hörerlebnis erheblich gesteigert wird. Das Ambientelicht verfügt über 250 LED-Lichtquellen, es gibt Liegesitze im Fond und bündig eingepasste Außentürgriffe, die im Fahrzeugkörper verschwinden, wenn sie nicht benutzt werden.
Auch bei den Fahrwerken gibt es Auswahl; das Spitzen-System namens E-Active Body Control tastet die Fahrbahnoberfläche ab und passt die Federung rund 1000 Mal pro Sekunde an. Das Fahrzeug kann sich mit diesem Fahrwerk auch in Kurven lehnen - wie ein Boot oder ein Motorrad. Die Radgrößen reichen von 19 bis 21 Zoll, wobei das kommende AMG-Modell sicher noch einen Zoll drauflegen wird.
Obwohl sich 90 Prozent der Käufer für die Version mit langem Radstand entschieden haben, gibt es für Europa weiterhin eine kurze S-Klasse, die 521 statt 532 Zentimeter lang ist. Später folgt eine nochmals längere Mercedes-Maybach-Variante, die - als einzige verbleibende S-Klasse - mit dem legendären, extrem drehmomentstarken 6,0-Liter-V-12 angeboten wird.
Zum Marktstart gibt es Reihen-Sechszylindermotoren; zwei Ottomotoren mit 367 PS und 435 PS und 48-Volt-Mild-Hybridisierung im S 450 und im S 500 sowie zwei Dieselmotoren mit 286 PS und 330 PS PS im S 350 d und S 400 d. Ein Plug-in-Hybrid mit Sechszylinder-Ottomotor und über 100 Kilometern elektrischer Reichweite sowie ein 4,0-Liter-V8 folgen kurzfristig.
Auch das kommende AMG-Modell verfügt über eine Variante dieses V8-Motors, die hier über 600 PS leisten dürfte. Die Kraft wird über eine Neun-Stufen-Automatik auf die Räder übertragen, wobei es Varianten mit Hinter- und Allradantrieb gibt. Dabei sorgt auch der extrem niedrige Luftwiderstandsbeiwert von 0,22 für sehr hohe Effizienz.
Übrigens: Es wird keine vollelektrische S-Klasse geben. Diesen Ansatz verfolgt stattdessen der EQS, ein ganz anderes, etwas kompakteres und nochmals futuristischeres Angebot im Segment. Und so gilt weiterhin, was Bettina Fetzer, die Marketingchefin von Mercedes-Benz, formuliert: "Die S-Klasse ist das Herzstück unserer Marke". Und, soviel darf man ergänzen, der neue Standard in der internationalen Spitzenklasse. (ampnet/jm)
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