Unsere Bekanntschaft endete mit einem Absturz. Autos von heute sind eben Computer auf Rädern. Und die werden nicht gestartet, sondern „resettet“, wenn es mal nicht läuft. Irgendwann hat uns mal ein Autoentwickler im Interview anvertraut, die Betriebssoftware von xym werde man nie im Auto einsetzen können. „Oder wollen Sie, dass Ihr Auto so oft abstürzt wie Ihr Computer?“ Nun, seitdem ist viel Zeit vergangen und die Computer laufen zuverlässiger. Warum also sollte ein Tesla abstürzen. Schließlich schießt Firmenchef Elon Musk erfolgreich Raketen zur Internationalen Raumstation. Da kann doch ein vergleichsweise einfaches Elektroauto wie sein Model 3 keine Herausforderung darstellen.
Das Reset-Prozedere – nach dem Erlöschen der Innenraumbeleuchtung eine halbe Minute lang die beiden Knöpfe im Lenkrad drücken bis auf dem schwarzen Bildschirm das Tesla-Logo wie aus dem Nichts auftaucht – kann in dieser Welt der Zuversicht niemanden schrecken.Gerade während der Diskussion um die Kaufprämie für Elektroautos oder auch für Verbrenner, mussten sich die deutschen Hersteller wieder sagen lassen, dass sie den Wandel verschlafen haben. Und in der Tat ist der Tesla Model 3 der meistverkaufte batterieelektrisch betriebene Personenwagen der Welt. Er kam jetzt gerade zur rechten Zeit auf den Hof der Redaktion, um mit ihm klären zu können, was außer dem fanatischen Hype der Musk-Bewunderer noch so hinter der eleganten Blechfassade dieses Tesla-Modells steckt.
Wer die Silhouette betrachtet, die Augen ein bisschen zusammenkneift, erkennt eine Ähnlichkeit mit der des Volkswagen Käfers, nur flacher und glattgeleckt nach der Art der Ferrari in den 70er- und 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts: flache, fast spitze Schnauze und ein Dach, das in einer nach oben ausgebeulten Kurve zu einem – nicht mehr käfertypischen – Stummelheck mit Abrisskante führt. Getoppt wird dieses voluminös wirkende Passagierabteil von einem riesigen Glasdach, das den Fachausdruck „greenhouse“ wirklich verdient hat. Im von Klimaanlagen verwöhnten Kalifornien spielt das keine Rolle. Da ist die Sonneneinstrahlung immer zu groß. Aber der Mitteleuropäer erwartet weniger Glas, dafür eher eine Heckklappe statt des kleinen Deckels über der tiefen Höhle des flachen Gepäckraums.
Nach Art von Käfer und Porsche bietet der Tesla unter der vorderen Haube einen weiteren Laderaum, größer als der von Käfer und Porsche zusammen. Bei den beiden deutschen Typen schafft der Heckmotor dafür den Platz im Bug. Beim Tesla sitzt aber nicht nur hinten, sondern bei der Long Range- und dem Long-Range-Performance-Version auch vorn ein Motor, was diesem Model 3 den Beinamen „Dual Motor“ einbringt und ihnen gleichzeitig einen Allradantrieb beschert, der dank der im Performance-Modell exakt gleichen Verteilung der Lasten auf beide Achsen guten Vortrieb garantiert.
Beim Sprint geradeaus lässt sich das gut erspüren: Die Performance-Variante prescht in der Superzeit von 3,4 Sekunden auf 100 km/h. Da muss sich ein 911er schon ins Zeug legen. Aber beim Sportwagen hört man wenigstens, wie wenig Zeit er braucht. Der Model 3 begnügt sich mit einem dezenten Rauschen. Und er zieht durch, laut Werksangaben bis 261 km/h. So viel gönnte uns die Autobahn in diesen Tagen nicht. Dennoch: Alle Antriebsgeräusche trotz „Vollgas“ hinter sich zu lassen, schafft ein gutes Gefühl. Hatten wir den Überschallknall verpasst?
Beeindruckend, mit welcher gelassenen Selbstverständlichkeit auch der Mittelklasse-Tesla hohe Geschwindigkeiten bewältigt. Auf glatten Straßen könnte man von Gleiten sprechen. Es mag ja an dem extrem hohen Luftdruck in den Reifen liegen, aber auf normalen Straßen verdirbt das polternde Federn den Spaß, was so gar nicht zum übrigen Komforterlebnis passt.
Amerikaner und Chinesen verbinden mit dem Begriff Komfort oft ein gewisses Übermaß an Opulenz. Nichts davon im Model 3. Dessen Armaturentafel wirkt, als hätten Musk’s Leute sich Designer bei Volvo ausgeliehen: strenge gerade Linie, natürlich-mattes Holz als Schmuck und in der Mitte der 14 Zoll große Bildschirm, den die Schweden mittlerweile hochkant übernommen haben, nur kleiner. Die üblichen Anzeigen im Blickfeld des Fahrers fehlen. Der Autofahrer von heute soll sich offenbar daran gewöhnen, dass er bald ganz auf solche Anzeigen verzichten muss, wenn das Auto erst einmal autonom fährt.
Doch bis dahin wird es uns erlaubt sein, solch mittigen Anordnung nicht zu mögen. Der große Tesla-Touchscreen gibt sich zwar große Mühe, doch kann er unser Vorurteil auch nicht damit ausräumen, dass er die Pylonen einer Baustellenbegrenzung nicht nur erkennt, sondern auch in Rot-Weiß darstellt. Er zeigt eindrucksvoll, was er alles sieht. Und das ist so viel, dass es gleichzeitig unterhaltsam, wie auch ablenkend wirkt. Auf jeden Fall überzeugt die Vielfalt davon, dass der Tesla alles sieht, was er fürs autonome Fahren braucht. Da nahezu alles über den Bildschirm gesteuert wird, sind die „Knöpfe“ und die „Schieberegler“ auf dem Screen zum Teil so klein, dass man sie besser nur im Stand bedient.
Tesla preist seinen „Autopilot“ an als optimal für die Fahrt zwischen Auffahrt und Abfahrt einer Autobahn. In der Tat schafft er solch übersichtliche Situationen gut. Aber auch auf engeren, kurvenreicheren Straßen macht er automatisch eine gute Figur, sogar, wenn Mittel- und Seitenlinie fehlen. Dass er in geschlossenen Ortschaften unter 50 km/h die Arbeit verweigert, spricht für ihn. Auch ein Elon Musk muss sich manchmal bescheiden – noch.
Der Autopilot ist ein Symbol für den Blick eines Amerikaners auf sein Auto. Der deutsche Autofahrer kennt seines oft bis ins technische Detail. Amerikaner aber lässt das oft kalt. Die interessieren sich mehr für das Image von Modell und Marke. Darüber hinaus will er nur fahren und für seine Kaufentscheidung respektiert werden. Für den Interessenten diesseits des Atlantiks hat das einen Nachteil: Will er die Daten eines Tesla-Modells kennen, muss er sich auf die Suche begeben. Dabei ist Wikipedia hilfreicher als die Tesla-Internetseite samt Konfigurator.
Noch nie fuhren wir ein Auto, dass sich heftiger gegen neugierige Fragen wehrte. Kollegen haben diese Zurückhaltung schon mit der von Sekten verglichen. In der Tat grenzt die Bewunderung des Autos und seines Schöpfers an religiösen Eifer, zumindest an grenzenlosen Optimismus, wenn man dem Aktienkurs glauben darf.
Aber die Fahrleistungen sind ganz von dieser Welt und an guten Tagen auf deutschen Autobahnen möglich. Wie erwartet zeigten unsere Versuche mit Autobahn-Sprints, dass die Reichweite von 560 km unter diesen Umständen auf der Autobahn auch für einen Tesla unerreichbar bleibt. Dennoch markiert der WLTP-Wert mit einem Durchschnittswert von 16 kWh die Spitze unter den batterieelektrischen Autos. 100 Kilometer kosten so Energie für rund 3,50 Euro.
Dieses Paket aus Image und HighTech, Marketing und Fahrleistung, Vorbildfunktion und Weltverbesserungs-Potenzial hat dem Elektroauto zunächst in den wohlhabenden, gebildeten Silicon Valley-Kreisen den Erfolg gebracht und sich von dort aus unter Seinesgleichen ausgebreitet. Seine Fans glauben an eine bessere Zukunft durch Digitalisierung und an eine bessere Welt dank Elektroauto. Das Reset-Prozedere – nach dem Erlöschen der Innenraumbeleuchtung eine halbe Minute lang die beiden Knöpfe im Lenkrad drücken bis auf dem schwarzen Bildschirm das Tesla-Logo wie aus dem Nichts auftaucht – kann in dieser Welt der Zuversicht niemanden schrecken. (ampnet/Sm)
Tesla Model 3 Long Range Performance
Länge x Breite x Höhe (m): 4,69 x 1,93 (mit Spiegel 2,09) x 1,44
Radstand (m): 2,88
Motor-Gesamtleistung: 377 kW / 510 PS
Motor vorn: Permanenterregte Synchronmaschine, 158 kW / 210 PS
Motor hinten: Drehstrom-Asynchronmaschine, 219 kW / 300 PS
Max. Drehmoment: 660 Nm
Batterie: Hochvolt-Lithiumionenbatterie, 75 kWh, 4416 Zellen
Höchstgeschwindigkeit: 261 kmh
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 3,4 Sek.
Reichweite (nach WLTP): 530 km
Effizienzklasse: A+
Durchschnittsverbrauch auf 100 km (Werksangabe): 16 kWh
Leergewicht: 1847 kg
Wendekreis: 11,6 m
Bodenfreiheit: 170 mm
Luftwiderstandsbeiwert: 0,27
Räder / Bereifung: 20 Zoll
Kofferraumvolumen: 450 Liter (plus Gepäckabteil vorn) Luftwiderstandsbeiwert: 0,23
Garantie: 4 Jahre / 80.000 km; Batterie 8 Jahre, 192.000 km
Preise:
Standard Plus mit Hinterradantrieb: 409 lm Reichweite, 225 km/h, 5,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h - 43.900 Euro
Long Range Dual Motor: 560 km, 233 km/h, 4,6 s - 53.790 Euro
Long Range Performance: 59.990 Euro
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