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125 Jahre Skoda: In Montenegro durften sie auf dem Motor sitzen

Als eine der ältesten heute noch produzierenden Automobilmarken der Welt blickt Skoda dieses Jahr auf eine 125-jährige Geschichte zurück. Mit dem Mechaniker Václav Laurin und dem Buchhändler Václav Klement machten sich 1895 in Mladá Boleslav zwei junge Unternehmer mit einer Fahrrad-Reparaturwerkstatt selbständig. Nachdem die beiden nur ein Jahr später unter dem Namen Slavia eigene Fahrräder anboten hatten, brachten sie 1899 die ersten selbst konstruierten Motorradmodelle auf den Markt. An dieser werden wir einige der exotischeren Modelle der Unternehmensgeschichte vorstellen, heute die Cerna-Hora-Montenegro-Omnibusse und -Transporter.

Besondere Herausforderungen verlangen nach besonderen Lösungen. Das galt auch, als das gebirgig gelegene Fürstentum Montenegro im Jahr 1907 Nutzfahrzeuge für den Personen- und Pakettransport im regelmäßigen Liniendienst suchte. Mit den sogenannten „Černá Hora-Montenegro“-Omnibussen und -Lieferwagen bot Laurin & Klement ab 1908 passende Zugmaschinen an. Mit einer Gesamtlänge von nur 3,69 Metern und einer Breite von lediglich 1,60 Metern waren sie sehr kompakt, boten aber gleichzeitig Platz für bis zu zwölf Personen oder 4,8 Kubikmeter Fracht. Die maximale Zuladung lag bei 900 Kilogramm, ihr Anhänger war für zusätzliche 1500 Kilogramm Nutzlast ausgelegt.

Bereits 1907 gehörten die Tschechen zu den größten Automobilhersteller der damaligen Doppelmonarchie Österreichisch-Ungarn. Das Unternehmen exportierte 70 Prozent seiner Produkte ins Ausland. Daher verwunderte es nicht, als L&K eine Anfrage aus Montenegro erreichte: Das südeuropäische Fürstentum suchte geeignete Fahrzeuge für den Transport von Fracht und Fahrgästen auf verschiedenen Postlinien von Podgorica nach Cetinje, Nikšić und Plavnica in der heutigen Slowakei sowie von Cetinje in die Hafenstadt Kotor an der Adriaküste. Der Gewinner der Ausschreibung sollte für die folgenden 15 Jahre einen Exklusivvertrag für das komplette Landesterritorium erhalten.

Eine anspruchsvolle Aufgabe, wie L&K-Generaldirektor Václav Klement bei einer Besichtigung vor Ort feststellte: Die engen Straßen im gebirgigen Hinterland des Balkan-Staats waren von steilen Anstiegen und Gefällestrecken sowie von unzähligen Kurven mit oftmals sehr kleinen Radien geprägt.

Als Basis für die Cerna Hora-Montenegro-Modelle wählten die Böhmen den L&K Typ E – das leichte Nutz- und Personenfahrzeug wurde in Mladá Boleslav bereits seit 1906 produziert. Wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Spezialanfertigungen hatte der damals erst 25-jährige sehr kreative Konstrukteur František Kec. Dessen unkonventionelle Lösungen waren aufgrund des speziellen Anforderungsprofils gefragt. Die Herausforderungen begannen bereits bei den ungewöhnlichen Abmessungen. Ein auf 70 Zentimeter verengtes Vorderteil des Typ-E-Rahmens ermöglichte eine 1300 Millimeter schmale Spur an der Vorderachse. Sie erlaubte einen so großen Lenkeinschlag der Vorderräder, dass die Lkw und Busse selbst scharfe, enge Kurven im ersten Anlauf durchfahren konnten, ohne rangieren zu müssen. Der außerordentlich kurze Radstand von 2210 Millimetern war dabei ebenso wichtig wie die knapp bemessenen Karosserieüberhänge von 450 Millimetern vorn und 1030 Millimetern hinten.

Die kompakten Außenmaße der Typ E-Nutzfahrzeuge verlangten auch bei der Raumnutzung nach innovativen Ideen, denn das seinerzeit übliche Grund-Layout mit Frontmotor und dahinter positioniertem Chauffeur schränkte den verfügbaren Raum für Personen und Pakete angesichts der sehr kurzen Gesamtlänge von 3,69 Metern stark ein. Die Lösung brachte ein fortschrittliches Konzept, das bis heute zur Anwendung kommt: L&K ordnete den Fahrersitz über dem Motor an. Damit gingen die Cerna-Hora-Montenegro-Modelle als Vorläufer der heutigen Frontlenker-Lkw in die Geschichte ein. Fahrer und Beifahrer saßen in 1,68 Meter zwar in luftiger Höhe über dem Boden, doch auf den Strecken der montenegrinischen Postlinien gab es keine niedrigen Tunnel und die geringen Geschwindigkeiten zwischen 20 und 30 km/h gefährdeten die Fahrstabilität der 2,82 Meter hohen Mobile nicht allzu sehr.

Als Antrieb diente ein 35 PS (25,7 kW) starker Vierzylinder mit 4652 ccm Hubraum, der sich durch jeweils zwei getrennte Zylinder- und Kurbelgehäuse auszeichnete. Sein T-Zylinderkopf besaß eine Seitenventilsteuerung und die Ein- und Auslassventile befanden sich jeweils auf gegenüberliegenden Seiten des Zylinderkopfs, was eine zweite Nockenwelle erforderte. Auch die wirksame Umlauf- anstelle einer Verlustschmierung sowie der große Kühler mit Lüfter und Wasserpumpe machten den längs eingebauten Motor zu einer innovativen Konstruktion.

Die Kraftübertragung an die Hinterachse erfolgte durch eine Kegelkupplung mit Lederbelag und ein direkt geschaltetes Vier-Gang-Getriebe. Im Heck sorgte ein 830 Millimeter hinter den doppelt bereiften Holzrädern angeordnetes Differenzial über stoßdämpfende Ketten für den Antrieb. Vollgummi-Pneus lösten das Problem der damals sehr häufigen Reifenpannen.

Die L&K-Entwicklungen auf Basis des Typ E überzeugten. Im Juli 1908 wurde schließlich der Vertrag mit dem montenegrinischen Innenministerium unterzeichnet. Schon einen Monat zuvor hatte in Mladá Boleslav die Herstellung von sechs Omnibussen, einem Pritschen- und zwei Lieferwagen mit Kofferaufbau des Typs E begonnen. Im November 1908 war der Fertigungsprozess beendet: Die Personentransporter boten fünf Passagieren Platz, die in einer geschlossenen und von Fahrer- und Beifahrerraum getrennten Kabine mit zwei Türen und vier Fenstern reisten. Im hinteren Teil des Wagens befand sich ein abschließbarer, 1,3 Kubikmeter großer Schrank für Postsendungen. Hinzu kam eine sogenannte Sommerkarosserie mit Dach. Zugunsten von zwei längs angeordneten Bänken für jeweils fünf Passagiere verzichtete sie auf die verglasten Seitenteile und den Postschrank. Damit stieg die Zahl der Sitzplätze an Bord auf insgesamt zwölf.

Der Kofferaufbau der Lieferwagen fasste insgesamt 4,8 Kubikmeter und 900 Kilogramm an Fracht. Zusätzliches Transportvolumen bot ein zweiachsiger Anhänger mit einer Nutzlast von 1500 Kilogramm. Er besaß ein Planenverdeck, außerdem betätigte ein eigener Bremser über ein waagerecht montiertes Kurbelrad eine Bremse aus Buchenholz, die auf die Hinterräder wirkte.

Im Januar 1909 bestanden die Spezialfahrzeuge von Laurin & Klement in Montenegro erfolgreich die Betriebsprüfung und nahmen noch im Frühling des gleichen Jahres auf allen vier Verkehrslinien den Betrieb auf. Als letztes Exemplar dieser Post-Serie rollte im Sommer 1909 der Pritschenwagen in die damalige Landeshauptstadt Cetinje. Fürst Nikola I., der spätere König des Landes, war mit der hohen Zuverlässigkeit und dem enormen Nutzwert der L&K-Modelle so zufrieden, dass er einige Fahrer dieser Automobile mit Silbermedaillen würdigte.

Bis zum Jahr 1912 verrichteten die tschechischen Sonderanfertigungen ihren Dienst im zivilen Einsatz, dann wurden sie von der montenegrinischen Armee und dem Roten Kreuz im Ersten Balkankrieg genutzt, der bis 1913 dauerte. Nach dem Ende der Kampfhandlungen waren die Fahrzeuge wieder auf den erneuerten Postlinien unterwegs, bis der Erste Weltkrieg im Januar 1916 mit dem Angriff Österreich-Ungarns auf Montenegro auch das kleine Land auf dem Balkan traf. Nach heutigem Kenntnisstand ist keiner der Omnibusse, Liefer- oder Pritschenwagen erhalten geblieben. (ampnet/Sm)


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Cerna-Hora-Montenegro-Omnibusse und -Transporter, 1909.

Cerna-Hora-Montenegro-Omnibusse und -Transporter, 1909.

Foto: Auto-Medienportal.Net/Skoda

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