Der in den Libanon geflüchtete Ex-Chef von Nissan, Carlos Ghosn, hielt am gestrigen Mittwoch eine mehr als zweistündige Pressekonferenz ab. In dieser äußert er sich wenig zu den Umständen seiner Flucht, sondern erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen früheren Arbeitgeber und die japanische Justiz. Er sei nicht vor der Justiz geflohen, sondern vor der Ungerechtigkeit und politischer Verfolgung. Seine Menschenrechte seien in der 100-tägigen Haft missachtet worden.
Das Thema Verschwörung ist das zentrale während der Pressekonferenz. Von Rachsucht und Skrupellosigkeit ist die Rede, davon dass im Nissan-Vorstand ein Komplott gegen ihn im Gange war. „Gesicht wahren“ sei das Leitmotiv auch für Latham & Watkins, die von Nissan beauftragte Kanzlei, gewesen, die innerhalb des Konzerns ermittelte. Neben Hiroto Saikawa sei auch sein Ex-Vorstandskollege Hari Nada tragende Kraft einer Verschwörung gewesen. Saikawa löste Ghosn 2017 als Nissan-Chef ab – hatte aber wenig Erfolg mit den Zahlen. Er soll demnach versucht haben Ghosn los zu werden, um nicht selbst gefeuert zu werden.
Auch seine japanischen Kollegen sollen einen Groll gegen ihn gehegt haben; unter anderem wegen dem steigenden Einfluss der französischen Regierung auf den Autobauer Renault. Sie hatte Nissan trotz gleichem Aktienanteil die Stimmrechte abgelaufen. Am Tokioter Flughafen am 18. November 2018 festgenommen, sei ihm klar gewesen, dass es Absprachen zwischen Nissan und der Polizei gegeben habe. Der Grund seiner Festnahme war laut Aussagen von Ghosn „eine Vergütung, die nicht festgelegt, nicht vereinbart und nicht bezahlt war.“
Auf der Pressekonferenz in der Heimat seiner Vorfahren präsentiert Carlos Ghosn verschiedene vermeintliche Belege für seine Unschuld. Zentrale Punkte seiner Argumentation sind die Währungsumtauschkosten, die Nissan für ihn zahlte. Als Beleg dafür zeigt er einen Aufsichtsratsbeschluss von Carlos Tavares, der heute den PSA-Konzern leitet. Der Vorwurf der Veruntreuung sei damit hinfällig. Auch seine vom Konzern bezahlten Immobilien seien offiziell abgesegnet worden und weder ein Geheimnis, noch ein Skandal. Auch seine umstrittene Prunkhochzeit in einem auf Konzernkosten renovierten Teil des Schlosses von Versailles sei legal gewesen.
Die Allianz Renault-Nissan-Mitsubishi erklärt Ghosn im Vorhinein für beendet, ja erzürnt sich förmlich über der Führungsstil seiner Nachfolger. Besonders die bevorstehende Allianz zwischen Fiat-Chrysler und PSA lässt ihn angesichts aus der Haut fahren. Denn bereit war FCA durchaus, mit Renault zu fusionieren. „Die Börse gibt mir Recht“ sagt Carlos Ghosn über die Entwicklungen bei Renault und Nissan. In den letzten 14 Monaten hat sich deren Situation am Aktienmarkt drastisch verschlechtert.
Doch im Mittelpunkt für Ghosn steht seine Situation: Im Libanon ist er im Moment gefangen, der japanischen Justiz traut er angeblich nicht. „Ich stelle mich jedem Gericht. Überall, wo ich ein faires Verfahren erwarte“ behauptet der 65-Jährige. In Japan sei ein solches aus seiner Sicht nicht möglich. So habe man ihm den Kontakt zu Freunden erlaubt, aber zu seiner Frau verwehrt, um ihn zu brechen. Zum Ende der Pressekonferenz kündigt Ghosn optimistisch Klagen gegen Renault und Nissan an. Auf die Frage eines Journalisten, ob er in die Automobilindustrie zurückkehre, antwortet Ghosn: „Um von einem Comeback zu sprechen, ist es viel zu früh“. Auch im Exil herrscht sein Optimismus.
Japans Justizministerin Masako Mori äußert sich heute morgen erbost über die Wutrede Ghosns. Seine illegale Flucht könne man ihm nicht vergeben, heißt es. Vor allem wies sie Anschuldigungen Ghosns zurück, man habe ihn in Geiselhaft genommen. Von „stundenlagen Befragungen ohne Anwalt“ hatte Ghosn am Vortal gesprochen; und auch davon, dass er nur 30 Minuten am Tag nach draußen durfte. Justizministerin Mori fordert vom Ex-Nissan-Chef, sich der japanischen Justiz zu stellen und konkrete Beweise vorzulegen. Eine Rückkehr nach Japan dürfte für Ghosn kategorisch ausgeschlossen sein. (ampnet/deg)
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