Während die allgemeine Tendenz der Verkehrsopfer nach unten zeigt, profitieren Motorradfahrer nicht davon. Sie leben nach wie vor besonders gefährlich. Ihr Anteil an den Verkehrstoten lag im vergangenen Jahr bei 21 Prozent (619 Personen). Bezogen auf die gefahrenen Kilometer ist das Risiko eines Bikers, im Straßenverkehr ums Leben zu kommen mittlerweile 21-mal höher als das eines Autofahrers. Dies liegt nach Einschätzung der Unfallforschung der Versicherer (UDV) auch an der geringen Wirksamkeit der Schutzkleidung. Dies haben eine Auswertung von Unfallverletzungen und Simulationen gezeigt.
„Wir müssen klar sagen, dass keine praktikable Schutzbekleidung in der Lage ist, bei einem Aufprall mit üblicher Landstraßengeschwindigkeit eine tödliche Verletzung zu verhindern“, zieht UDV-Leiter Siegfried Brockmann ein nüchternes Fazit. Seit acht Jahren hat sich die Zahl der getöteten Motorradfahrer (einschließlich Mehrspurfahrzeuge) so gut wie nicht verändert. Gleichzeitig gibt es mehr Leicht- und Schwerverletzte als noch zu Beginn des Jahrzehnts.
Bei tödlichen Unfällen werden Biker vor allem im Brustkorb- und im Kopfbereich schwer verletzt. Nach der neuen Studie helfen übliche Jacken und Hosen mit Protektoren zwar wirksam bei einem Sturz auf die Fahrbahn ohne vorherige Kollision, beim Aufprall auf ein Hindernis bereits bei Geschwindigkeiten ab 25 km/h können sie hingegen lebensbedrohliche Verletzungen nicht mehr zuverlässig verhindern. Die noch wenig verbreiteten Airbagjacken verschieben die Gefahr auf etwa 50 km/h. Brockmann sieht einen wirksameren Schutz bis 70 km/h, wenn man die Systeme weiter optimieren und das Luftvolumen vergrößern würde. Die von Motorradrennen bekannten Bilder, bei denen die Fahrer nach schweren Stürzen unbeschadet aufstehen, hält er für ein falsches Signal, denn im Alltag fehlen die Auslaufzonen einer Rennstrecke.
Nach wie vor ist aber der menschliche Faktor der entscheidende und bietet das größte Verbesserungspotenzial. Rund zwei Drittel aller auf der Landstraße getöteten Motorradfahrer haben ihren Unfall nach Angaben der Unfallforscher selbst verursacht. Die UDV hat im Rahmen ihrer Studie erstmals auch das unterschiedliche Sturzrisiko bei Allein- und bei Gruppenfahrten untersucht.
Während bei Solotouren Kollisionen mit Autos und Lastwagen an Kreuzungen und Einmündungen ein häufiges Unfallszenario bilden, sind es bei gemeinsamen Ausfahrten Zusammenstöße untereinander oder auch mit entgegenkommenden Bikern. Hauptgrund ist unzureichender Sicherheitsabstand, teilweise spielt aber auch der unnötige „Gruppenzwang“ bei Überholmanövern eine Rolle. Gruppenfahrten machen allerdings nur etwa 15 Prozent aller schweren Motorradunfälle aus.
Siegfried Brockmann sieht angesichts der UDV-Untersuchung kaum Chancen für weitgreifende Verbesserungen. Die Fahrzeugtechnik sei mit ABS und Traktionskontrolle sowie Anti-Wheelie-System weitestgehend ausgereizt, gleiches gelte für die Optimierung der Schutzkleidung. Ausbaufähig sei hingegen noch die Bestückung von Leitplanken mit Unterfahrschutzsystemen. Brockmann spricht sich zudem für verpflichtende Fahrsicherheitstrainings in regelmäßigen Abständen aus. (ampnet/jri)
Mehr zum Thema: UDV , Motorrad , Schutzkleidung
Teile diesen Artikel: