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Die Maut kommt

Nach der Maut ist vor der Maut. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Mautpläne der Bundesregierung vom Tisch gefegt hat, weil sie mit EU-Recht unvereinbar sind und Fahrzeughalter aus dem Ausland diskriminieren würden. Ganz im Gegenteil. Die Debatte über Sinn und Unsinn einer Infrastrukturabgabe ist in der Politik voll entbrannt, wenn auch ziemlich leise.

Während die Pkw-Maut für Bundesumweltministerin Svenja Schultze (SPD) mit dem EuGH-Urteil erledigt ist, will CDU-Vize Thomas Strobl eine zusätzliche Abgabe für Autofahrer nicht zum Tabu erklären. Derweil sind sich Insider sicher: Die Maut wird kommen – allerdings anders, als die Bundesregierung sie auf Druck der CSU geplant hatte.

Allzu laut wird über diese Prophezeiung auf Bundes- und Länderebene allerdings nicht gesprochen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Parteien fürchten den Zorn der Autofahrer. Vor wichtigen Landtagswahlen, denen vor allem Union und SPD aufgrund dramatisch sinkender Zustimmung entgegenzittern, wollen sie es sich mit fast 40 Millionen Wählern nicht verscherzen. Jede Stimme zählt. Im wahrsten Sinne des Wortes.

So hat der ADAC die verantwortlichen Politiker unmittelbar nach dem EuGH-Urteil schon einmal vorsorglich daran erinnert, dass die Koalition eine finanzielle Mehrbelastung der heimischen Autofahrer durch eine Maut ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Dieses Versprechen müsse angesichts der bereits hohen Belastungen für Autofahrer eingehalten werden. Das ist allerdings sehr unwahrscheinlich.

Für eine Maut auf deutschen Autobahnen sprechen vor allem drei Gründe: Sie wäre ein möglicher Beitrag zur Bepreisung von CO2-Emissionen im Straßenverkehr, könnte durch die Entzerrung des Verkehrs zur Reduzierung von Staus beitragen und würde zusätzliche Mittel für die Instandsetzung und den Ausbau des Bundesfernstraßennetzes generieren.

Das sieht CSU-Fraktionsvize Georg Nüßlein ähnlich: „Wir müssen uns trauen, gerade unter Klimagesichtspunkten auch über eine streckenbezogene Maut zu diskutieren. Sie könne bei der Frage, wie ein klimaorientiertes Steuer- und Abgabensystem aussehe, ein wichtiger Baustein sein. Für Unionsverkehrsexpertin Daniela Ludwig (CSU) steht sogar fest: „Mittelfristig kommen wir an einer nutzerorientierten Infrastrukturabgabe nicht vorbei.“

Das Bundesumweltamt (UBA) teilt die Hoffnung seiner Ministerien, dass die Pkw-Maut mit dem EuGH-Urteil erledigt sei, ebenfalls nicht. Vielmehr spricht sich die Behörde für eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut aus. „Wer viel fährt, zahlt viel. Wer wenig fährt, zahlt weniger", sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Das sei gerecht und gut für Umwelt und Klima.

Noch einen Schritt weiter denkt Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und wirbt für elektronische Systeme, die Gebühren differenziert und nach gefahrener Strecke erheben - mit variablen Tarifen je nach Tageszeit. Dieses Modell schwebt wohl auch dem Deutschen Städte- und Gemeindebund vor, wenn er eine intelligentere Neulösung fordert.

„Wichtig wäre es allerdings, gerade die ländlichen Räume und die Pendler, die vielfach keine Alternative zur Nutzung eines Pkw haben, nicht zusätzlich zu belasten", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.
Die Idee einer strecken- und zeitabhängigen Maut ist so neu nicht. Für ihre Umsetzung sprach sich die Kommission Verkehrsinfrastrukturfinanzierung unter Leitung des ehemaligen Vorstandsmitglieds der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost Telekom, Wilhelm Pällmann, bereits in ihrem Abschlussbericht vom 5. September 2000 aus.

Die Expertengruppe empfahl der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder eine solche Maut, um den Neu-, Ausbau und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur finanzieren zu können und das Verkehrsaufkommen zu steuern. Außerdem sprach sich die Kommission für die Gründung einer Fernstraßenfinanzierungsgesellschaft aus, die die Mauteinnahmen gezielt in Straßenbauprojekte investiert.

Schon damals favorisierten die Verantwortlichen Gebühren, weil sie zweckgebunden verwendet werden dürfen. Steuern wie die Kfz- und Mineralölsteuer fließen hingegen in den großen Topf des Bundeshaushalts und werden je nach Bedarf auf alle Ministerien verteilt – ganz egal, woher sie kommen. Auch wenn seinerzeit noch niemand über eine CO2-Bepreisung sprach, betonte die Kommission in ihrem Abschlussbericht: „Die staatliche Verkehrsinfrastruktur hat nicht lediglich den Anforderungen der Nutzer, sondern darüber hinaus verkehrspolitischen, strukturpolitischen, umweltpolitischen, volkswirtschaftlichen etc. Anforderungen Rechnung zu tragen.“

„Im Bereich aller drei Verkehrsträger (Anmerkung der Redaktion: Bundesfernstraßen, Bundesschienenwege und Binnenwasserstraßen des Bundes) haben die Instandhaltungsdefizite zwischenzeitlich ein Ausmaß angenommen, dass von einer Instandhaltungskrise gesprochen werden kann“, hieß es in dem Bericht weiter. Daran hat sich seitdem nicht viel geändert, auch wenn die Bundesregierung seit 2015 wieder verstärkt in ihr Straßennetz investiert.

Marode Brücken, verschlissene Fahrbahndecken, Schilder, die man bei Dunkelheit nicht lesen kann, und Parkplätze, auf denen die Lkw-Fahrer ihre Trucks aus schierer Not auf der Einfahrspur abstellen, gehören zum Alltag auf deutschen Autobahnen. „Die Unternehmen in Deutschland werden in zunehmendem Ausmaß durch Infrastrukturmängel in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt“, stellt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in seinem Bericht „Infrastrukturmängel in Deutschland“ fest. Wie bei der Befragung im Herbst 2013 bestehen die größten Beeinträchtigungen im Straßenverkehr. In diesem Zusammenhang verweist das Institut auf aktuelle Erhebungen, nach denen jeder deutsche Autofahrer 2017 etwa 30 Stunden in Staus verloren hat. Die entstehenden Zeitverluste hätten einen geschätzten Wert von 80 Milliarden Euro.

Laut Bundesverkehrswegeplan (BVWP) sollen bis 2030 rund 900 neue Autobahnkilometer gebaut, 1685 Autobahnkilometer verbreitert, eine vierstellige Zahl von Brücken renoviert und 1300 Autobahnkilometer im bestehenden Netz saniert werden. Dafür sind 114,3 Mrd. Euro vorgesehen. „Zur vollständigen finanziellen Hinterlegung des BVWP besteht aber noch eine Lücke, die es zu schließen gilt“, mahnt der ADAC. Bei der künftigen Finanzplanung seien auch inflationsbedingte Kostensteigerungen zu berücksichtigen.

Da die personellen Ressourcen der öffentlichen Hand viel zu knapp sind, um die Vielzahl der längst überfälligen und künftigen Autobahn- und Bundesstraßenmaßnahmen möglichst schnell zu planen und umzusetzen, folgt das Bundesverkehrsministerium projektbezogen bewusst oder unbewusst immer häufiger der Empfehlung der Pällmann-Kommission, die öffentlichen Aufgaben privatrechtlich organisierten Finanzierungs- und Betreibergesellschaften zu übertragen. Zu den so genannten Private Public Partnership-Projekten zählen zum Beispiel der Ausbau eines Teilstücks der A4 zwischen Köln und Aachen, der Neubau des Albaufstiegs im Zuge der A8, der sechsspurige Ausbau der A1 zwischen Bremen und Hamburg sowie die A4-Umfahrung der Hörselberge bei Eisenach.

Dafür erhalten die Partner vom Bund einen Teil der Lkw-Maut und verdienen so ihr Geld. Auch dieses Modell spricht nach Meinung von Verkehrsplanern für die Einführung einer generellen Autobahnmaut unter Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte wie sie auch bei einer CO2-Bepreisung im Gespräch ist. Auch das IW hat in seiner Studie den Mangel an qualifizierten Ingenieuren in den Bauverwaltungen als besonderes Dilemma identifiziert.

So ist es kein Wunder, dass auch Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) einen neuen Anlauf für eine Pkw-Maut nicht ausschließt. Für den Minister hätte sie noch einen ganz persönlichen Vorteil: Die 54 Millionen Euro, die sein Haus bereits in die Vorbereitung der vom EuGH verworfenen Maut investiert hat, wären unter Umständen nicht ganz in den Sand gesetzt. Und über mögliche Regressforderungen ließe sich mit dem voreilig beauftragten Mautsystem-Anbieter Kapsch und dem Ticketverkäufer CTS Eventim vielleicht noch einmal reden.
(ampnet/rs)

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Kontrollbrücke zur Überwachung der Lkw-Maut.

Kontrollbrücke zur Überwachung der Lkw-Maut.

Foto: Auto-Medienportal.Net/ADAC

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